Der deutsche Handballmeister HSV mühte sich beim Saisonstart zu einem 28:22-Sieg über den TuS N-Lübbecke

Hamburg. Die Spuren des Spiels hatten sich auf Per Carléns T-Shirt in klaren Umrissen abgezeichnet. In der Herzgegend deutete ein riesiger Schweißfleck auf die Qualen, die der neue HSV-Trainer bei seinem Pflichtspieleinstand durchlebt haben muss. 28:22 (12:14) hatte der deutsche Handballmeister den TuS N-Lübbecke besiegt, doch Carlén gestand, während der 60 Minuten "zwei Herzinfarkte erlitten" zu haben. Zum Glück, schob der 50 Jahre alte Schwede zur Beruhigung seiner Zuhörer hinterher, erfreue er sich weiter bester Gesundheit.

Das könnte der eine positive Aspekt eines unerwartet spannenden Spiels zum Saisonauftakt gewesen sein, in dem die Hamburger 43 Minuten lang einem Ein- oder Zwei-Tore-Rückstand hinterherwarfen und erst in der Schlussphase nach strittigen Schiedsrichterentscheidungen das Kommando übernahmen. Den zweiten Grund zum Optimismus lieferte der neue Bundestrainer Martin Heuberger, der auf der Tribüne saß: "In den letzten 20 Minuten konnte man deutlich das Potenzial erkennen, das in dieser HSV-Mannschaft steckt. Am Anfang waren das für mich die typischen Schwierigkeiten einer ersten Saisonbegegnung, wenn man noch den gewohnten Spielrhythmus gefunden hat. Hinzu kommt möglicherweise der eigene hohe Anspruch, es als Meister besonders gut machen zu wollen. Da war schon eine gewisse Verkrampfung zu spüren." Der Gegner, betonte zudem HSV-Präsident Martin Schwalb, nachdem er in der Kabine dem Team seine Glückwünsche überbracht hatte, "war keine Laufkundschaft". Lübbecke spiele einen sehr kultivierten Handball, "da darf man sich als Spitzenmannschaft der Bundesliga auch schon mal schwertun". Im ersten Spiel seien letztlich nur die Punkte wichtig, alles andere werde sich in den nächsten Wochen entwickeln.

Es waren vor allem die fehlende Aggressivität in der Abwehr und eine Reihe ungenauer Zuspiele im Angriff, die den HSV lange Zeit nicht ins Spiel finden ließen. "Wir haben vor der Pause zu fahrig agiert", gab Linksaußen Torsten Jansen zu, "doch in der zweiten Hälfte haben wir in der Deckung gut gearbeitet, waren wieder an unseren Gegenspielern dran." Besonders Torhüter Dan Beutler war dankbar für die Unterstützung seiner Vorderleute. Der schwedische Neuzugang von der SG Flensburg konnte sechs von 15 Bällen, 40 Prozent, parieren, darunter einen Siebenmeter - insgesamt doppelt so viele wie sein Kollege Johannes Bitter in den ersten 30 Minuten. "Die Abwehr hat mir meinen Job allerdings auch leichter gemacht als zuvor den von Jogi", meinte Beutler bescheiden.

Es zeichnet aber Mannschaften des Formats eines HSV aus, dass sich ihnen stets mehrere Lösungswege bieten. Weil das Zusammenspiel mit Kreisläufer Igor Vori erst nach 40 Minuten - zum 18:17 - zu einem Tor führte, standen vorher die Rückraumschützen in der Verantwortung gegen eine tief am Kreis stehende Lübbecker Hintermannschaft. Marcin Lijewski und Pascal Hens erfüllten ihre Aufgabe mit kämpferischem Großeinsatz, Lijewski nahm dabei sogar Schmerzen in Kauf. Dreimal humpelte der Pole nach seinen fünf Toren auf die Bank und hielt sich mit der Hand den verletzten rechten Fuß. Nach dem Spiel gab er jedoch Entwarnung: "Es tat weh, aber ich glaube, es ist alles in Ordnung." Erst nach einem Härtetest vor dem Anpfiff hatte sich Carlén für das Mitwirken des zuletzt in der Vorbereitung stark vermissten Linkshänders entschieden.

Am späten Abend hatte der Trainer dann auch sein Lächeln wiedergefunden. Er sei ein positiver Mensch, meinte der Schwede, "und dieses Spiel hat mir viel Positives mitgegeben". Seine Mannschaft habe sich aus einer schwierigen Situation befreit, "das wird uns Selbstvertrauen geben". Ob er zwischendurch Angst gehabt habe, dieses Spiel verlieren zu können. "Nein", schüttelte Carlén den Kopf, "Angst habe ich nicht einmal, wenn ein Eisbär vor mir steht." Dazu müsse man indes wissen, sagte er, "dass ein Eisbär nur mit der linken Pranke angreife". Da sei sein HSV doch weit variabler aufgestellt.

Tore, HSV Hamburg: Lindberg 10 (4 Siebenmeter), Lijewski 5, Vori 4, Hens 3, Duvnjak 3, Jansen 2, Lackovic 1; TuS N-Lübbecke: Tluczynski 8 (4), Niemeyer 4, Verjans 3, Svensson 3, Vukovic 2, Gustafsson 1, Loke 1. - SR: Immel/Klein (Tönisvorst/Ratingen). - Zuschauer: 8609. - Zeitstrafen: 4; 4. - Rote Karte: Svensson. dritte Zeitstrafe (49.).

Neuer Vizepräsident des HSV Hamburg ist der Medizintechnikunternehmer Frank Spillner. Er ersetzt Dierk Schmäschke, der zur SG Flensburg-Handewitt in die Geschäftsführung wechselte. Neu im HSV-Präsidium sind Jugendkoordinator Gunnar Sadewater und Christoph Strenger vom East-Hotel.