Der HSV ist Titelverteidiger und gerüstet für den Start der Handball-Bundesliga, muss sich in mehreren Bereichen aber noch verbessern.

München/Hamburg. Als Per Carlén kurz vor Mitternacht auch die letzte Frage beantwortet hatte, saßen seine Spieler schon geduscht und umgezogen im Bus und warteten auf die Abfahrt ins Hotel. Der neue Trainer der HSV-Handballer hatte viel zu erklären nach der 23:24-(14:15-)Niederlage im Supercup gegen den THW Kiel, und der Schwede tat es mit der von ihm gewohnten Akribie und Leidenschaft. Sein Fazit nach der Niederlage des deutschen Meisters gegen den Pokalsieger fiel aber zuversichtlich aus: "Wir können aus dieser Begegnung einige positive Erkenntnisse mitnehmen. Vor allem wissen wir nun genauer, in welchen Bereichen wir uns in den nächsten Wochen weiter verbessern müssen."

Glaubt man den Trainern der 18 Bundesligavereine, wird in dieser Saison, die für den HSV am Sonnabend mit dem Heimspiel gegen den TuS N-Lübbecke (20.15 Uhr, O2 World) beginnt, die nächste Meisterschaft wieder zwischen dem Titelverteidiger aus Hamburg und dem Herausforderer aus Kiel entschieden. "Von den finanziellen Möglichkeiten und der Qualität ihrer Spieler heben sich beide Klubs vom Rest der Liga ab", meint Bob Hanning, der Geschäftsführer des Bundesliga-Konkurrenten Füchse Berlin. Was allerdings der HSV und Kiel in der Münchner Olympiahalle beim Supercup boten, hebt sie nicht auf ein anderes Niveau. "Bei beiden Mannschaft lief manches nicht rund", befand Kiels Trainer Alfred Gislason, "man konnte sehen, dass wir erst am Ende der Vorbereitung angekommen sind und noch nicht unseren angestrebten Spielrhythmus gefunden haben."

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33 der 60 Minuten lassen den HSV dennoch hoffen, erneut eine dominierende Rolle in der Liga spielen zu können. 5:10 lagen die Hamburger nach 17 Minuten zurück, zehn Minuten vor Schluss führten sie 23:21, was für diesen Zeitraum ein Ergebnis von 18:11 bedeutet. Dass das Team in den letzten zehn Minuten kein Tor mehr warf, durfte der Müdigkeit nach einer intensiven Saisonvorbereitung geschuldet sein. Dass der HSV in der Anfangsphase von den Kielern fast abgeschossen worden wäre, lag indes an grundlegenden Mängeln in der Abwehrarbeit. Erst als Kapitän Guillaume Gille Mitte der ersten Halbzeit Kreisläufer Igor Vori im Mittelblock ersetzte, stimmten Zuordnung, Aggressivität und Beinarbeit; jene kleinen, kurzen Schritte zum Gegenspieler, auf die Carlén sehr viel Wert legt und die er in zahlreichen Extraeinheiten regelmäßig üben lässt. Dass der Abwehrchef auch künftig Guillaume Gille heißen muss, ist dem Trainer bewusst. Carlén wollte dem Franzosen aber nach überstandenen Achillessehnenproblemen nicht sofort wieder voll belasten: "Wir brauchen Gino in der Bundesliga. Der Saisonstart wird schwer genug." Nach dem Heimauftakt gegen Lübbecke muss sich der HSV auswärts erst bei den Füchsen Berlin, dem Tabellendritten der vergangenen Saison, und dann beim Vierten, den Rhein-Neckar Löwen, beweisen. Läuft es schlecht, könnte die Meisterschaft schon nach drei Spielen gegen den HSV entschieden sein. Carlén sind solche Gedanken fremd: "Wir haben uns gezielt darauf eingestellt, dass uns gleich in den ersten drei Begegnungen alles abverlangt wird." Dass mit Marcin Lijewski nach überstandener Fußverletzung wohl schon am Sonnabend eine Fachkraft, nämlich ein Linkshänder, in den rechten Rückraum zurückkehren wird, steigert die Zuversicht. "Das gibt uns dann doch mehr Variationsmöglichkeiten im Angriff", sagt Pascal Hens, der schon gegen Kiel mit sieben Treffern zu alter Durchschlagskraft gefunden hatte. Der Preis dafür war eine Schleimbeutelverletzung am rechten Ellenbogen. "Halb so schlimm", meint Hens, "das verheilt bis zum Sonnabend wieder."

Bleibt ein letztes Problem: Von sechs Siebenmetern verwarf der HSV in München drei, Hans Lindberg scheiterte zweimal an Kiels Torhüter Thierry Omeyer, Torsten Jansen schleuderte den Ball beim Stand von 23:23 in der 55. Minute sogar über das Tor. "Solche Phasen gibt es immer wieder", weiß Co-Trainer Jens Häusler, "macht man sie in der Mannschaft zum Thema, wird es erst eins. Die Sicherheit kehrt gewöhnlich irgendwann zurück." Aber: Bereits in der vergangenen Serie hatte Rechtsaußen Lindberg seine überragende Trefferquote von mehr als 80 Prozent aus der Spielzeit 2009/2010 nicht wiederholen können. Carlén hat sich jedoch festgelegt: Der Däne Lindberg bleibt erster Siebenmeterschütze, der zurzeit verletzte Spielmacher Michael Kraus die Nummer zwei, Linksaußen Jansen ist dritte Wahl.

Ändern will der Trainer dennoch etwas: "Wir werden jetzt mehr Siebenmeterwerfen trainieren. Das haben wir zuletzt vernachlässigt." Im Supercup machte diese mangelnde Zielsicherheit den feinen Unterschied aus. Kiels Momir Ilic exekutierte seine vier Versuche von der Linie mit bekannter Präzision. "Wir haben also noch reichlich Potenzial", sagt Carlén, "und das stimmt mich dann doch optimistisch."