Gespräch mit Wladimir Maximow, Handball-Trainer des HSV-Gegners Medwedi Tschechow

Hamburg. Sein Händedruck ist kräftig, sein Blick fest und freundlich. Er kann seinem Gegenüber beim Gespräch in die Augen schauen, weicht keiner Frage aus, lächelt oft und plaudert charmant. Wladimir Salmanowitsch Maximow ist eine imposante Erscheinung, 1,90 Meter groß, breite Schultern, kräftige Unterarme. Der 65 Jahre alte Russe ist Trainer von Medwedi Tschechow, dem Viertelfinalgegner der HSV-Handballer in der Champions League. Medwedi heißt auf Deutsch die Bären. "Wir schlafen viel, und wenn wir wach sind, sind wir bärenstark. Wir fürchten uns vor niemandem", sagt Maximow und grinst. "Das war Spaß", fügt er schnell hinzu, "wir haben Respekt vor unseren Gegnern, speziell vor dem HSV." Im Duell mit dem Bundesliga-Tabellenführer, das Hinspiel wird am Ostersonnabend um 15.45 Uhr in der O2 World (Eurosport live) angeworfen, sind für ihn die Hamburger Favorit: "Sie haben herausragende Einzelspieler, und sie funktionieren inzwischen auch als Mannschaft gut."

Maximow ist eine Handball-Legende. Als Spieler war er Olympiasieger (1976) und Vizeweltmeister (1978). Sein letztes Länderspiel allerdings, sein 172., wurde zum bittersten Erlebnis seiner aktiven Laufbahn. Mit der Sowjetunion verlor er 1978 in Kopenhagen das WM-Finale gegen Deutschland 19:20. "Keiner von uns hatte vorher gedacht, dass wir, der amtierende Olympiasieger, dieses Spiel hätten verlieren können."

Als Trainer gewann Maximow mit der russischen Nationalmannschaft zwei olympische Goldmedaillen (1992/GUS und 2000) und zwei WM-Titel (1993 und 1997). Zuletzt musste er den Niedergang des russischen Handballs miterleben: Zwölfter bei der EM 2010; die WM 2011 in Schweden verpasste die einstige Handball-Supermacht sogar. "Wir haben dieselben Probleme wie die Deutschen. Uns fehlen die jungen, hungrigen Spieler, die wir brauchen, um die Lücken zu schließen, die die alten hinterlassen haben", sagt Maximow. Leistungssport habe in Russland nicht mehr den überragenden Stellenwert, den er einst in der Sowjetunion hatte. Es gebe heute genug andere Möglichkeiten, um Geld - selbst viel Geld - zu verdienen oder um ins Ausland zu reisen. Er selbst wollte nie ins Ausland gehen. "Ich hatte viele interessante Angebote, auch aus Deutschland und Spanien." Doch wer, fragt Maximow, hätte dann meine Arbeit in Russland weitergeführt? "Ich hätte Russland nie mit gutem Gewissen verlassen können." Das klingt nach ausgeprägtem Selbstbewusstsein, ein Stück weit auch nach Patriotismus. Maximow mag dieses Wort nicht. Es sei zu oft missbraucht worden. Nennen wir es doch lieber Pflichtgefühl oder Idealismus, schlägt er vor.

Beides hält ihn weiter in seinem Job. Die Suche nach einem Nachfolger habe er vor Langem begonnen, und wenn er von ihr erzählt, wird klar, warum sie letztlich nicht abgeschlossen ist. Jemanden mit der Handball-Leidenschaft, der Autorität und dem Wissen eines Wladimir Maximow zu finden, scheint für ihn schlicht unmöglich, jemanden, dem er sein Lebenswerk anvertrauen kann. Nach den Olympischen Spielen 2012 in London soll dennoch Schluss sein. Ganz aufhören will er nicht: "Ich möchte dann Kinder und Jugendliche trainieren", sagt Maximow. Seine heutigen Spieler wird es vielleicht freuen. Maximow regiert mit harter Hand. "Alte Schule", sagt er und lächelt.

Sein letztes großes Ziel bleibt der Gewinn der Champions League mit den Bären. In der vergangenen Saison warf sich seine Mannschaft in die Endrunde, die Final Four in Köln. Sie wurde Vierter. Das war ein großer Erfolg, wenn man um den heutigen Stellenwert des Handballs in Russland weiß. Fußball, Eishockey, Basketball und Volleyball genießen mehr Unterstützung. Medwedi Tschechow muss mit einem Jahresetat von 3,6 Millionen Euro haushalten, rund ein Drittel dessen, was zum Beispiel der HSV und der THW Kiel ausgeben. In der russischen Liga gibt es kaum Konkurrenz, seit der Gründung des Vereins im Jahr 2001 - er entstand aus der Handballsparte des ZSKA Moskau - wurde das Team aus der Trabantenstadt 60 Kilometer südlich der Hauptstadt immer nationaler Meister.

"Der russische Handball hat strukturelle Probleme", sagt Maximow, "es fehlen geeignete Hallen mit entsprechenden räumlichen Ausmaßen oder Multifunktionsarenen wie in Deutschland - und ein TV-Sender, der die Meisterschaftsspiele überträgt. Den wird es wohl zur nächsten Saison geben." Maximow lächelt wieder. Es gibt für ihn noch viel zu tun. Das freut ihn.