Die HSV-Handballer verlieren bei Rekordmeister THW Kiel mit 35:38 (18:19) ihr zweites Saisonspiel. Rote Karte für Hamburgs Domagoj Duvnjak.

Kiel. So etwas Schönes hatten die Zuschauer in Kiel lange nicht gesehen, jedenfalls waren sie alle aufgestanden und stimmten den immergrünen Jubelgesang an. Tatsächlich hatte ihr THW sie ja zuletzt nicht verwöhnt, aber nun waren sie für alles versöhnt. Mit 38:35 (19:18) hat der Titelverteidiger das Spitzenspiel der Handball-Bundesliga gegen den Tabellenführer HSV gewonnen. Doch die Reaktionen auf dem Feld fielen vergleichsweise verhalten aus. Der HSV hatte diesmal ja nicht die Meisterschaft verloren, sondern nur ein großes Spiel. Fünf Minuspunkte Vorsprung verbleiben den Hamburgern und nur ebenso viele Spieltage. Die große Feier aber muss noch warten, und wenn der HSV auch am 3. Mai bei den Rhein-Neckar Löwen verlieren sollte, droht aus der Geduldsprobe womöglich eine Nervenprobe zu werden.

"Wir haben in der zweiten Halbzeit zu viele Bälle verworfen und hatten auch in der Abwehr nicht den besten Tag", gestand Linksaußen Torsten Jansen. Dass es kein Spiel eines resignierten gegen einen designierten deutschen Meister war, musste spätestens zur Halbzeit allen klar sein. Kurz zuvor hatte sich Bertrand Gille die Chance eröffnet, im Alleingang zum 19:18 für Hamburg zu treffen, doch sein französischer Landsmann Thierry Omeyer parierte, und ehe die Hamburger die vergebene Großchance verarbeitet hatten, hatte Welthandballer Filip Jicha mit dem Schlusspfiff der ersten 30 Minuten die Pausenführung für die Kieler erzielt.

Die Lautstärke in der Sparkassen-Arena strebte nun einem Allzeitrekord entgegen, von dem man gedacht hatte, er sei bereits nach 15 Minuten erreicht worden. Domagoj Duvnjak hatte am Kreis dem Kieler Christian Zeitz verlustangstfrei in den linken Wurfarm gegriffen und dafür zu Recht die Rote Karte gesehen. Untröstlich gesellte sich Duvnjak zu Marcin Lijewski. Ihn, den Siegtorschützen des 26:25 in der Hinrunde, hatte HSV-Trainer Martin Schwalb aufgrund von Knieproblemen erst gar nicht aufbieten können.

Allein diese beiden Ausfälle wären eine hinreichende Entschuldigung für eine krachende Niederlage gewesen, aber der HSV dachte nicht daran, sie in Anspruch zu nehmen. Es war nun an Michael Kraus, das Angriffsspiel zu lenken. Es gelang dem Nationalspieler so gut wie wohl noch nie in einem wichtigen Spiel für seinen neuen Verein. Immer wieder konnte Kraus seine ansatzlosen Würfe anbringen, und dank Lijewskis Bruder Krzysztof war auch der rechte Rückraum eine Gefahrenzone. Beim Stand von 11:14 (21. Minute) aus THW-Sicht war es sehr leise geworden in Kiel - von einer Ecke im dritten Rang abgesehen, in der 250 HSV-Fans gegen die Übermacht anschrien.

Vielleicht war es Bernd und Reiner Methe, 45, sogar ein bisschen zu leise. Jedenfalls heizten die beiden Schiedsrichter die Stimmung durch einige unpopuläre Maßnahmen kräftig an und hangelten sich in der Folge mühsam von einer Konzessionsentscheidung zur nächsten. Ihre Spielleitung war eines Spitzenduells nicht würdig, sie konnte den Spielfluss zum Glück aber nicht gänzlich unterbinden. Pech für den HSV: Die Methes haben alle fünf Niederlagen der Hamburger in dieser und der vergangenen Saison gepfiffen. Eine zumindest statistische Auffälligkeit.

Einzig die Torhüter fielen zum Teil etwas ab vom erlesenen Niveau dieser Partie, die ansonsten alle Zutaten eines modernen Handballklassikers enthielt: höchstes Tempo und niedrigste Fehlerquote, große Gefühle und kleine Gemeinheiten. Schwalb reagierte, indem er in der zweiten Halbzeit anstelle des glücklosen Johannes Bitter (vier Paraden) den Schweden Per Sandström aufbot. Kiels Alfred Gislason vertraute weiterhin auf Thierry Omeyer, der immerhin Hans Lindberg zu drei verworfenen Siebenmetern genötigt hatte.

Omeyer dankte es seinem Trainer, mit jeder Minute schien es den Hamburgern schwerer zu fallen, ihn zu überwinden - wohl auch weil Gislason die THW-Deckung nun offensiver ausrichtete. Auf der anderen Seite fand Sandström nie ins Spiel. Als er in der 48. Minute beim Stand von 29:26 für Kiel wieder Bitter weichen musste, war es bereits zu spät. Diesmal durfte Kiel feiern.

Tore, Kiel: Jicha 9 (1 Siebenmeter), Zeitz 7, Ahlm 6, Palmarsson 4, Ilic 3 (3), Klein 3, Narcisse 3, Sprenger 3; HSV: Kraus 10 (5), K. Lijewski 6, Lindberg 6 (2), Hens 3, Lackovic 3, Jansen 2, Vori 2, B. Gille 1, Duvnjak 1, Schröder 1. Zuschauer: 10 250 (ausverkauft). Schiedsrichter: B. und R. Methe (Vellmar). Zeitstrafen: 6; 3. 7-Meter: 5 (4 verwandelt); 11 (7).