Andreas Rudolph, Präsident der HSV-Handballer, spricht über die Meisterschaft, Champions League und seinen Abschied.

Hamburg. Mit den körperlich angeschlagenen Rückraumspielern Marcin Lijewski (Knöchelprellung am rechten Fuß) und Guillaume Gille (Achillessehnenbeschwerden) fahren die HSV-Handballer heute um zwölf Uhr im Mannschaftsbus zum Bundesliga-Spitzenspiel nach Flensburg (Anwurf: 20.30 Uhr, Sport1 live). Ihr Einsatz entscheidet sich nach dem Warmmachen. HSV-Präsident Andreas Rudolph, 56, ist sich trotz dieser unklaren Personalien sicher: "Wir gewinnen in Flensburg und werden deutscher Meister."

Abendblatt: Herr Rudolph, nach schwächeren Leistungen im Februar und Anfang März überzeugen die HSV-Handballer inzwischen mit souveränen Auftritten. Der erste deutsche Meistertitel scheint nur noch Formsache zu sein.

Andreas Rudolph: Wer das sagt, versteht nichts vom Sport. Es ist richtig, im Augenblick präsentiert sich unsere Mannschaft sehr stabil. Aber wir müssen doch nur nach Kiel schauen. Der THW hat unglaublich gute Spiele in diesem Jahr geliefert und verliert plötzlich zu Hause gegen Großwallstadt. Ähnliches kann uns auch passieren, vor diesen Rückschlägen ist kein Team gefeit. Wer jetzt an die Meisterschaft denkt, verliert das Wesentliche aus dem Blick, und das bleibt, sorry, immer das nächste Spiel.

Stellen Sie den Gewinn der deutschen Meisterschaft über einen Triumph in der Champions League?

Rudolph: Ein klares Ja. Die Meisterschaft ist die Auszeichnung für kontinuierliche Arbeit nicht nur in dieser Saison, sondern auch in den vergangenen. Hinzu kommt: Die Bundesliga ist die beste Handball-Liga der Welt.

Treibt Sie bei der Champions League der Gedanke um, dass dort weiterhin nicht alles mit rechten Dingen zugehen könnte, sprich, dass Schiedsrichter möglicherweise immer noch bestochen werden?

Rudolph: Ich kann mich nur daran halten, was ich in dieser Saison gesehen habe, und da gibt es bisher keinen Grund, über irgendwelche Schiedsrichterleistungen zu klagen. Zum Beispiel am Sonntag bei unserem Sieg in Valladolid haben die beiden serbischen Unparteiischen trotz einer sehr emotionalen Atmosphäre in der Halle ihre Linie durchgehalten. Die sieben Zeitstrafen gegen uns waren alle vertretbar.

Der HSV leistet sich eine der teuersten Handball-Mannschaften der Welt. Sie wäre ohne Ihre private Unterstützung nicht zu bezahlen. Dem THW Kiel, den Rhein-Neckar Löwen und den spanischen Topvereinen, die wohl noch mehr Geld ausgeben als der HSV, fällt der Unterhalt ihrer hochpreisigen Spielerkader immer schwerer. Wann muss der erste Spitzenklub Insolvenz anmelden?

Rudolph: So weit wird es nicht kommen. Aber: Ich habe schon vor einem Jahr den Vorschlag gemacht, dass wir über einen Salary Cap nachdenken sollten, also über Gehaltsobergrenzen, wie sie in den nordamerikanischen Profiligen üblich sind. Unabhängig davon, dass es dem HSV in geordneten Bahnen gut geht, muss man eine konkurrenzstarke Liga haben, um den Handball in Deutschland auf hohem Niveau halten zu können. Wir sollten uns in der Liga zusammensetzen und überlegen, wie Handball-Vereine zu finanzieren sind.

Wie lauten Ihre Vorschläge?

Rudolph: Ich bin nicht der Meinung, dass einzelne Spieler zu viel verdienen ( der Spitzenverdienst liegt in der Bundesliga bei etwa 700 000 Euro Jahreseinkommen, beim HSV bei 460 000 Euro, die Red. ), aber eine Ausgabengrenze für die gesamte Mannschaft, vielleicht prozentual abhängig von den jeweiligen Zuschauereinnahmen, würde uns weiterhelfen. Die könnte den Konkurrenzkampf beleben, und wir kämen weg von der Zweiklassengesellschaft, die jetzt das Bild der Bundesliga prägt.

Sehen Sie Möglichkeiten, die Einnahmen nachhaltig zu steigern?

Rudolph: Die gibt es immer. Wir haben pro Heimspiel noch mal 1000 Zuschauer Luft nach oben (Schnitt am Saisonende: 10 650, die Red.) . Unser Ziel ist es, dass die Halle stets ausverkauft ist. Dafür braucht man ein hoch attraktives Produkt, auch, um für Sponsoren und Fernsehen interessant zu sein.

Der HSV hat sich in den vergangenen sechs Jahren unter Ihrer Präsidentschaft von einem Sanierungsfall zu einem Spitzenklub entwickelt. Jetzt treten Sie im Sommer zurück, Vizepräsident Dierk Schmäschke, der eigentlich Ihre Nachfolge antreten sollte, geht zurück zur SG Flensburg, Trainer Martin Schwalb löst Sie als Geschäftsführer der Spielbetriebs GmbH ab. Wie kann der Verein diesen radikalen Umbruch verkraften?

Rudolph: Das ist ein großer personeller Umbruch, keine Frage, aber auch die Chance für einen Neuanfang. Ich hinterlasse einen gesunden, attraktiven Verein, dem ich weiter eng verbunden bleiben werde. Als Zeichen meiner Verbundenheit will ich ja meine Anteile an der GmbH aufstocken.

Wie unabhängig ist der Klub von Ihnen?

Rudolph: Der HSV Handball ist komplett unabhängig von mir. Wenn man jedoch sechs Jahre lang an entscheidender Stelle mitgewirkt hat, wird man nicht von einem auf den anderen Tag zu ersetzen sein.

Wie stark werden Sie sich in den nächsten Jahren noch engagieren?

Rudolph: Der HSV ist mein Herzblut. Ich werde nicht am 1. Juli die Tür zumachen und mich danach nicht mehr um den Verein kümmern.

Die Gretchenfrage aber lautet doch: Wie groß wird künftig Ihr finanzielles Engagement ausfallen?

Rudolph: Das steht hier nicht zur Debatte. Der HSV wird auch die nächsten sechs Jahre gut überstehen.

Sie wurden auch im Verein dafür kritisiert, dass Sie Verträge mit Spielern bis weit in die Zukunft verlängert haben, ohne dass entsprechende finanzielle Absicherungen vorliegen.

Rudolph: Ich weiß nicht, wer mich da kritisiert hat. Die Spieler sind das Kapital eines Klubs. Es macht also Sinn, dieses Kapital dem Klub über die nächsten Jahre zu sichern. Wenn die Spieler keine Verträge haben, sind Sie auch kein Kapital. Deshalb ist es gerade wirtschaftlich sehr sinnvoll, langfristige Verträge zu schließen - auch wenn man an mögliche Ablösesummen denkt.

Der Plan, um Kosten zu senken, den Kader von derzeit 15 auf zehn Weltklassespieler zu reduzieren, ist also vom Tisch?

Rudolph: Keineswegs. Nur fehlt uns im Augenblick für Talente der nötige sportliche Unterbau, zweitens wollten wir unserem neuen Trainer Per Carlén eine Mannschaft übergeben, mit der er sportlich weiter erfolgreich sein kann.

Warum wird der HSV 2011 Meister?

Rudolph: Weil wir die beste Mannschaft haben!