Die Handballer des HSV besiegen Titelverteidiger THW Kiel im Top-Spiel nach großer Aufholjagd 26:25 und übernehmen die Tabellenführung.

Hamburg. Jubel, Ovationen und Gesänge. "Oh, wie ist das schön!" Auf dem Feld lagen sich Spieler, Trainer und Präsident Andreas Rudolph in den Armen, auf den Rängen wurde gefeiert. Die Handballer des HSV haben ihr Meisterstück nachgeholt. Ein halbes Jahr nach der bitteren 31:33-Niederlage gegen den THW Kiel besiegten sie den deutschen Meister 26:25 (12:16) und übernahmen das erste Mal in dieser Saison die Tabellenführung. Es war erst der dritte Erfolg der Hamburger im 17. Bundesligaspiel gegen die beste Handballmannschaft der Welt, der erste Heimsieg nach siebeneinhalb Jahren.

Der Jubel aber kannte seine Grenzen. "Das war ein geiles Spiel, wir haben große Moral gezeigt", meinte Nationaltorhüter Johannes Bitter, um im selben Atemzug mahnend hinterherzuschieben: "Wir haben leider nicht mehr gewonnen als zwei wichtige Punkte." Auch Trainer Martin Schwalb bemühte sich um sofortige Bodenhaftung: "Wir haben uns in der Halbzeitpause, als wir mit vier Toren zurücklagen, geschworen, unser Herz in die Hand zu nehmen. Das haben wir auf eindrucksvolle Weise geschafft. Doch das ist nicht mehr als ein Etappensieg. Wir haben noch nichts erreicht." Das stimmt nicht ganz. Der HSV hat bewiesen, dass er die Klasse und Nervenkraft besitzt, ein Spiel dieser Bedeutung für sich zu entscheiden. Das sollte der Mannschaft für den Titelkampf jene Selbstsicherheit geben, die auch diesmal die Kieler ausstrahlten.

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59 Minuten lang hatte es nicht nach einem Sieg der Hamburger ausgesehen. Der THW war in der ersten Halbzeit und im ersten Teil der zweiten die bessere Mannschaft, effektiver im Abschluss und kompakter in der Deckung. Bis zum Seitenwechsel schuf sich das Team von Trainer Alfred Gislason einen Vier-Tore-Vorsprung, zog auf 16:12 davon. Kreisläufer Marcus Ahlm hatte daran den größten Anteil. Vorne traf er, auf der anderen Seite hielt er die Abwehr zusammen, hinter der Thierry Omeyer, der laut einer Internetwahl beste Torhüter aller Zeiten, in dieser Phase auch noch jene Bälle parierte, die seine Vorderleute passieren ließen. HSV-Präsident Rudolph jedenfalls schien von den ersten 30 Minuten bedient. Die Arme vor der Brust verschränkt, schüttelte er ungläubig den Kopf. Optimismus sieht anders aus.

Nun dauert ein Handballspiel bekanntlich 60 Minuten, und der HSV präsentierte sich in der zweiten Hälfte in der Tat zielstrebiger, konsequenter und auch dieses Stück aggressiver, das den Unterschied zwischen einer guten und einer sehr guten Mannschaft ausmacht. Der Einsatz wurde belohnt, und Rudolphs Miene hellte sich von Minute zu Minute auf. Die Hamburger kämpften sich zurück, Tor um Tor, und Marcin Lijewski hatte in der 47. Minute die Chance, zum 22:22 einzuwerfen. Omeyer, wer sonst, verhinderte den Ausgleich. Auf der Gegenseite stemmte sich die HSV-Abwehr weiter mit aller Macht gegen die Kieler Angriffskombinationen, Bitter hielt einen Siebenmeter von Ilic (48.), doch Ahlm nutzte die zweite Chance zur 23:21-Führung. Aber auch dieser Rückstand mobilisierte nur neue Kräfte. Lijewski holte in der 56. Minute das nach, was er neun Minuten zuvor versäumt hatte. Aus zehn Metern erzielte er mit einem Gewaltwurf aus dem Unterarm das 25:25. Die Zuschauer, sofern sie HSV-Fans waren, tobten.

Das war jedoch erst der Anfang einer dramatischen Schlussphase, von drei, vier finalen Minuten, wie sie die Hamburger O2 World noch nicht erlebt hatte. Das Entscheidende: Bitter war nicht mehr zu überwinden, Ilic schaffte es in der letzten Minute selbst mit einem erneuten Siebenmeter nicht. Lijewski dagegen war jetzt so richtig in Fahrt. 13 Sekunden vor Schluss hämmerte er den Ball zum 26:25 ein. Omeyer holte das Geschoss fassungslos aus dem Netz. Und danach durfte gejubelt werden. Zumindest über diesen grandiosen Handball-Abend.

Tore, HSV: Lackovic 6, M. Lijewski 6, Kraus 4 (3 Siebenmeter), Vori 3, Jansen 2, Lindberg 2, Schröder 2, B. Gille 1; Kiel: Ilic 7 (3), Jicha 7 (1) , Ahlm 5, Klein 2, Palmarsson 2, Dragicevic 1, Sprenger 1. Schiedsrichter: Fleisch/Rieber (Ostfildern/Nürtingen). Zuschauer: 13 296. Zeitstrafen: 2; 6.