Der HSV verlor beim dänischen Vizemeister KIF Kolding mit 30:32 und will dennoch Gruppenerster werden. Schwalb: “Leidenschaft fehlte“.

Kolding. Am Tag danach fielen deutliche Worte. "Mit dieser Leistung können wir nicht einverstanden sein", grollte Trainer Martin Schwalb und ließ den lauten Tönen vom Vorabend nach dem Auslaufen am Sonntag eine schonungslose Analyse folgen. "Wir haben den Gegner stark gemacht, weil uns der Tick Leidenschaft und die nötige Aggressivität fehlten, um in der Champions League auch auswärts gewinnen zu können. Mit dieser Einstellung können wir unsere Ziele nicht erreichen. Wir werden das Team jetzt stärker an die Kandare nehmen. Wer nicht mitzieht, wird künftig draußen bleiben."

Die Handballer des HSV haben das zweite Spiel in Folge in der europäischen Vereinsmeisterschaft verloren, diesmal 30:32 (15:16) beim dänischen Vizemeister KIF Kolding, und wie in der Vorwoche beim 30:33 in Veszprém hatte es an jenen zehn Prozent Einsatzbereitschaft gemangelt, die aus einer guten eine sehr gute Mannschaft machen. HSV-Sportchef Christian Fitzek rückte dennoch nicht von den Vereinsvorgaben ab. "Wir wollten in dieser Vorrundengruppe Erster werden, und das wollen wir weiter, weil wir das größte Potenzial haben. Ich gehe davon aus, dass wir es schaffen werden."

Rechnerisch ist das sicherlich möglich. Nach den drei Auswärtsspielen bei den drei stärksten Gruppengegnern scheinen die nun für Platz eins notwendigen sieben Siege in den restlichen sieben Spiele machbar. Den Gruppenersten erwarten im Achtel- und Viertelfinale vermeintlich leichtere Gegner.

Zu denen gehört in der momentanen Verfassung der deutsche Vizemeister, der sich im kontinentalen Wettkampf nur als Light-Version präsentiert. Es bedarf derzeit nur Kleinigkeiten, um die Mannschaft aus ihrem Rhythmus zu bringen. 11:7 führten die Hamburger in Tre-For-Arena in der 16. Minute. Der Vorsprung hätte höher ausfallen können, weil Torhüter Per Sandström in dieser Phase überragend hielt. Seine Vorderleute konnten diese Vorlage nicht konsequent nutzen. Mit technischen Fehlern luden sie die Dänen wiederholt zum Ballbesitz ein. Aber erst als der in der 15. Minute eingewechselte Torhüter Ole Erevik immer öfter Hände und Füße an die Bälle bekam, erhielt das Spiel seine Wendung. Den 12:15-Rückstand in der 27. Minute drehten die Koldinger zum 16:15 (30.), ihrer ersten Führung. Dass sie diese bis zum Schluss nicht mehr abgaben, überraschte selbst die Dänen. "Wir mussten etwas tun und haben den Torhüter gewechselt. Dass wir danach das Spiel bis zum Ende kontrolliert haben, damit hat keiner von uns gerechnet", sagte Erevik, der 16 von 36 Würfen parierte.

Am Anfang, sagte Schwalb, sei seinen Leuten das Spiel zu leicht von der Hand gegangen. "Wir haben zu lange versucht, alles spielerisch zu lösen. Das hat zunächst geklappt. Und darauf haben wir uns verlassen. Als wir begriffen hatten, dass es nur noch mit Kampf geht, war es zu spät. Da hatten sich die Dänen schon in einen Rausch gespielt." Besonders die HSV-Deckung, gewöhnlich eine Säule der Verlässlichkeit, wurde zum Teil mit simplen Pässen an den Kreis vorgeführt. Und von Linksaußen traf der ehemalige Flensburger Lars Christiansen, 38, immer dann, wenn sich die Abwehraktionen der Hamburger auf das Zentrum konzentrierten. "Wir haben mit größtmöglicher Konsequenz gespielt", sagte Christiansen, "aber das war nicht der HSV, den ich aus der Bundesliga kenne." Dass in der zweiten Halbzeit Marcin Lijewski mit einer Oberschenkelprellung ausfiel, dem rechten Rückraum damit der Linkshänder fehlte, wollte Sportchef Fitzek nicht als Entschuldigung gelten lassen: "Als er noch fit war, hat er auch keine Impulse setzen können."

Schwalb fordert jetzt einen Mentalitätswechsel, beißen statt brillieren, das Ende der mentalen Trägheit, Schluss mit der Bequemlichkeit. Schließlich kämen die starken Gegner erst noch; zum Beispiel am nächsten Sonntag Bundesligaspitzenreiter Füchse Berlin, der gegen den TV Großwallstadt mit 27:24 den siebten Sieg im siebten Spiel landete. Sollte der HSV dieses Spiel verlieren, dürfte es mit der Geduld von Präsident Andreas Rudolph endgültig vorbei sein. Ein erstes Grummeln ist von ihm bereits zu hören.

KIF Kolding: Petersen (3 Paraden, 1.-16.); Erevik (16 P., 16.-60.); Bols n.e.; Nikolic 6, Christiansen 6/1, Mikkelsen 5/3, Spellerberg 4, Jensen 4, Karlsson 3, Toromanovic 2, Garralda 1, Oechsler 1, Forslund, Schnuchel n.e., Søndergaard n.e.

HSV Handball: Sandström (13/1 P., 1.-37., 47.-60.); Bitter (1 P., 37.-47.); Lackovic 7, Lindberg 5/2, Vori 4, Hens 4, Kraus 3, Schröder 3, Duvnjak 2, M. Lijewski 1, G. Gille 1,Jansen, Flohr, B. Gille, Stabick n.e., Schliedermann n.e.

Siebenmeter: 4/5 – 2/2 (Sandström pariert gegen Christiansen)

Zeitstrafen: 4 – 1 (Oechsler 2x, Jensen, Karlsson – Lackovic)

Schiedsrichter: Václav Horáček / Jiří Novotný (CZE)

Spielfilm: 0:1 (1.), 1:1 (2.), 3:3 (5.), 3:6 (7.), 5:6 (9.), 5:8 (12.), 6:8 (13.), 6:10 (15.), 7:10 (15.), 8:11 (20.), 9:11 (22.), 13:15 (28.), 16:15 (30.) – 17:15 (31.), 18:15 (33.), 18:17 (34.), 20:17 (37.), 20:18 (38.), 22:18 (40.), 22:19 (41.), 24:20 (44.), 24:22 (46.), 25:22 (46.), 26:23 (47.), 27:23 (48.), 27:25 (50.), 29:27 (52.), 30:27 (54.), 32:29 (58.), 32:30 (60.)