Krise beim deutschen Meister. Nach der 30:36-Pleite in Flensburg wird Schwalb auf die Trainerbank zurückkehren

Flensburg/Hamburg. Es muss sich etwas ändern beim HSV Hamburg. Das wissen alle, die am Sonnabendnachmittag die 30:36-(15:18)-Niederlage bei der SG Flensburg-Handewitt verfolgen konnten. Auch HSV-Präsident Martin Schwalb hat sich am Tag nach der Pleite im Nordderby seine Gedanken gemacht und Konsequenzen gezogen: In dieser Woche wird der 48-Jährige das Training des Hamburger Star-Ensembles aktiv begleiten und intensive Gespräche mit den Spielern führen, um "mentale Aufbauhilfe" zu leisten. Wahrscheinlich ist auch, dass Schwalb beim Hinspiel des Champions-League-Achtelfinals bei den Füchsen Berlin am kommenden Sonntag (16 Uhr, Eurosport) neben Interimscoach Jens Häusler, 44, erstmals wieder auf der Trainerbank Platz nehmen wird. "Ich will nichts ausschließen, aber es geht nicht um meine Person, sondern darum, dass wir jetzt das Beste für den Verein tun", sagte Schwalb dem Abendblatt.

Allen Beteiligten beim HSV ist klar, dass sie schleunigst aktiv werden müssen, wenn sie die Saison nach der Niederlage in Flensburg halbwegs positiv gestalten wollen, wenn nicht auch noch das Minimalziel, die Qualifikation für die nächste Champions League, Platz eins bis drei, verpasst werden soll. "Beim Sieg gegen den Bergischen HC (32:27) hat am vergangenen Mittwoch noch vieles gestimmt im Team", sagte Häusler, "aber es ist erschreckend, dass wir gegen Flensburg komplett den Faden verloren haben. Daran sieht man: Wir stehen momentan auf tönernen Füßen." Was er damit meinte, konnten die 6500 Zuschauer in der ausverkauften Campushalle nur allzu gut beobachten. Die Hamburger agierten über weite Strecken statisch, spielten körper- und ideenlos. Zweimal erkämpften sie sich die Führung, zum 9:7 (15. Minute) und zum 21:20 (37.). Doch zu keinem Zeitpunkt gelang es der Mannschaft um Kapitän Guillaume Gille, Teile des Flensburger Angriffs im Zaum zu halten oder kontinuierlich am Wurf zu hindern. Während Flensburg die einfachen Treffer erzielte, Gegenstöße sowie die zweite Welle nutzte und von der starken Leistung des schwedischen Keepers Matthias Andersson profitierte (22 Paraden), musste sich der HSV jede Torchance hart erarbeiten. Nach 40 Minuten ging nichts mehr beim Meister. Häusler konnte wechseln, wie er wollte - niemand brachte entscheidende Impulse oder Ordnung in die zunehmend verunsichert wirkende Abwehr.

Auffällig waren die Abstimmungsprobleme in der Deckung. Drohte etwa Flensburgs Lasse Svan Hansen mit einem Wurfversuch von rechtsaußen, stürmten gleich zwei Hamburger auf den Dänen zu, sodass der Halbrechte Holger Glandorf frei stand und nach Hansens Anspiel nahezu unbedrängt - und meist erfolgreich - zum Torwurf kam. "Da waren Systemfehler dabei, die mir so noch nicht untergekommen sind", gestand Häusler, der aber betonte, dass es keine Lösung sei, die Mannschaft nun mit Straftraining zu belegen: "Indem man nachtritt, wird man niemanden erreichen, der sowieso schon mit dem Gesicht im Matsch liegt."

Die Stimmung in der Mannschaft jedenfalls ist gedämpft. Uneinigkeit herrscht beim HSV nicht nur auf dem Parkett, sondern auch in der Bewertung des Spielgeschehens. Während Präsident Schwalb auf die Personalsituation verwies und betonte, dass die Partie mit den derzeit verletzten Oscar Carlén (Kreuzbandriss), Renato Vugrinec (Innenbandriss) und Pascal Hens (Bauchmuskelzerrung) auch anders hätte laufen können, lehnte Guillaume Gille diese Argumentation ab. "Die Personalsituation ist egal", sagte der Franzose, "wir hatten diesmal einfach kein Rezept gegen die Flensburger."

Auch in der Frage der Belastbarkeit waren sich die Akteure uneins. Während Trainer Häusler argumentierte, die Spieler seien so müde, dass er keine großen Möglichkeiten gehabt habe zu wechseln, widersprach Rechtsaußen Hans Lindberg: "Ich war nicht müde. Nein, wir alle waren bereit für das Spiel und haben auch 40 Minuten lang gut mitgehalten." Kritischere Worte fand Linksaußen Torsten Jansen: "Vor allem die Leistung in den letzten 20 Minuten war erschreckend. Wir waren verunsichert, haben uns in der Abwehr nicht auf den Nebenmann verlassen. Wir müssen nun dringend reagieren. Selbstkritik ist angebracht. Jeder muss sich an die eigene Nase packen."

Das fehlende Selbstvertrauen wie das Vertrauen in die Mitspieler ist eines der größten Probleme, das der HSV als neuer Tabellenvierter derzeit hat. "Wir müssen uns jetzt irgendwie positive Erlebnisse aus dem Training holen und auch das Vertrauen in den Nebenmann zurückgewinnen", sagt Häusler. Schwalb warnt unterdessen vor zu hohen Erwartungen, auch an seine eigene Person: "Wir werden keine Wunderdinge vollbringen. Diese Woche wird ganz hart, das muss uns allen klar sein."

Tore: Flensburg: Eggert 7 (6 Siebenmeter), Glandorf 7, Svan Hansen 7, Djordjic 5, Knudsen 5, Mogensen 5. HSV: Duvnjak 7, Lackovic 5, Lindberg 5 (3), Flohr 3, Jansen 3, Lijewski 3, B. Gille 1, G. Gille 1, Schröder 1, Vori 1. Zeitstrafen: 2; 4. SR: Fleisch/Rieber (Fildern/Nürtingen). Zuschauer: 6500.