Abschied aus der Hansestadt: Nach zehn Jahren HSV gehen die Handballer Bertrand und Guillaume Gille nach Chambéry zurück.

Hamburg. Von heute an sind Bertrand und Guillaume Gille wieder in ihrem Element. Auf dem Programm steht das erste EM-Spiel mit der französischen Handballnationalmannschaft, mit der die beiden Brüder vom HSV Hamburg schon alle Titel gewonnen haben. Es soll der vorletzte Höhepunkt in ihrer großen internationalen Karriere sein, so zumindest hatten sie es beim HSV geplant. Spielmacher Guillaume Gille, 35, sollte nach den Olympischen Spielen in London in den Trainerstab des deutschen Meisters aufrücken, während der zwei Jahre jüngere Bertrand noch ein letztes Jahr als Kreisläufer für den HSV aktiv bleiben würde.

Doch der Plan ist hinfällig. Nach zehn Jahren in Hamburg kehren die letzten verbliebenen Gründungsmitglieder im Sommer zu ihren Wurzeln zurück. Nach Abendblatt-Informationen haben sich die Gilles mit ihrem früheren Klub Chambéry Savoie HB auf einen Wechsel geeinigt. Der französische Vizemeister hat Bertrand Gille einen Vertrag über drei und Guillaume einen über zwei Jahre angeboten. Sechs Jahre spielten beide gemeinsam für Chambéry und gewannen 2001 die französische Meisterschaft, ehe sie sich im Jahr darauf dem Projekt HSV anschlossen. Ihr jüngerer Bruder Benjamin Gille, 29, ist ebenfalls für Chambéry aktiv.

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Die Entscheidung der Gilles, nach Frankreich zurückzukehren, ist offenbar schon lange gefallen. Mit dem ambitionierten Hauptstadtklub Paris Handball standen sie bereits in aussichtsreichen Verhandlungen, ehe das Angebot des Heimatvereins kam. Der verspricht sich von der Rückkehr der verlorenen Söhne, die Lücke zum Eliteklub Montpellier HB schließen zu können, der die Liga seit einem Jahrzehnt fast nach Belieben dominiert. Ein erster Versuch war allerdings gescheitert: 2007 hatte Chambéry Topstar Daniel Narcisse vom VfL Gummersbach verpflichtet, musste ihn allerdings nach zwei Jahren aufgrund finanzieller Schwierigkeiten wieder an den THW Kiel abgeben.

Die Gilles sollen in Chambéry auch gegenüber potenziellen Sponsoren für Kontinuität bürgen. In den turbulenten Hamburger Anfangsjahren hielten sie dem HSV trotz ausstehender Gehaltszahlungen und lukrativer Wechselangebote stets die Treue. Schon aufgrund ihrer Verdienste dürfte der deutsche Meister nun nicht auf Vertragserfüllung pochen. Kapitän Guillaume Gille hatte sich ohnehin vorsorglich vertraglich zusichern lassen, den HSV im Sommer verlassen zu dürfen.

Damit werden dem HSV jene "Grundpfeiler" entzogen, als die der damalige Präsident Andreas Rudolph die beiden Franzosen im vergangenen Frühjahr anlässlich der Vertragsunterzeichnung schwärmerisch bezeichnet hat. Rudolph, der sich inzwischen auf die Position des mehr oder weniger stillen Gesellschafters zurückgezogen hat, soll bereits seit Längerem in die Wechselabsichten eingeweiht sein. "Ich hoffe, wir können uns über die vertraglichen Dinge nach der EM einigen", wird Bertrand Gille in der französischen Zeitung "Le Dauphiné Libéré" zitiert.

Immerhin gibt der Wechsel dem HSV eine unverhoffte Gelegenheit, den fälligen Umbruch vorzuziehen. Er könnte sogar die Suche nach einem neuen Trainer erleichtern. Wer auch immer nach der Entlassung von Trainer Per Carlén die Mannschaft übernehmen wird: Er könnte sie auf den zentralen Gille-Positionen im besten Fall nach seinen eigenen Vorstellungen besetzen.

Bis auf Weiteres wird das Training von Carléns bisherigem Assistenten Jens Häusler geleitet. Die verbliebenen Spieler treffen sich heute Vormittag im Fitnessklub Aspria zur ersten Übungseinheit des neuen Jahres.