Der frühere Nationalspieler Frank von Behren über die Chancen des HSV und die Kontrahenten

Eine Hoffnung muss ich den Hamburger Fans leider rauben. Wer geglaubt hat, Ciudad Real könnte den HSV unterschätzen, weil die Spanier ihn dreimal hintereinander ausgeschaltet haben, irrt. Das Gegenteil ist der Fall, davon konnte ich mich bei einem Besuch bei Trainer Talant Dujshebaev kürzlich selbst überzeugen. Seit dem Aus in der spanischen Meisterschaft bereitet er die Mannschaft akribisch auf dieses Halbfinale vor.

Natürlich ist Ciudad Real nicht mehr die Übermannschaft der letzten Jahre. Neuzugang Kiril Lazarov nimmt auf der rechten Rückraumposition noch nicht die tragende Rolle ein, die seine Vorgänger Olafur Stefansson (jetzt Rhein-Neckar Löwen) und Petar Metlicic (RK Celje/Slowenien) innehatten. Ihn zu integrieren wird noch Zeit brauchen, zumal er lange verletzt war. Wenn auch noch Angriffsorganisator Chema Rodríguez ausfallen sollte, wäre das eine große Schwächung. Zur Entwarnung besteht allerdings kein Anlass. Abwehr und Torhüter bleiben eine Macht. Und die Mannschaft arbeitet sehr energieeffizient, weil sie in Abwehr und Angriff auf das Einwechseln von Spezialisten setzt, ohne dass das Gegenstoßspiel unter dem ständigen Personalaustausch leiden würde.

Auch der HSV Hamburg kann auf dem Fundament eines tiefen Kaders bauen. Trainer Martin Schwalb hat mit seinen Wechseln in dieser Saison ein Händchen bewiesen. Die Schlüsselspieler könnten Marcin Lijewski und Blazenko Lackovic auf den Halbpositionen sein, sie standen mit Flensburg ja bereits in einem Champions-League-Finale. Ein Plus könnte sein, dass der HSV nach der gewonnenen Meisterschaft entspannt und motiviert an diese Aufgabe herangehen kann. Der Druck, einen großen Titel gewinnen zu müssen, ist weg. Das sollte für den HSV sprechen, sofern die Mannschaft nicht nach der Erfahrung der letzten Jahre vor lauter Respekt in die Knie geht.

Doch ganz gleich, wer sich durchsetzt: Er wird, so glaube ich, den FC Barcelona am Ende nicht stoppen können. Die Rhein-Neckar Löwen im ersten Halbfinale schon gar nicht, sie machten zuletzt einen kraft- und mutlosen Eindruck auf mich und sind nicht mehr die Mannschaft der Gruppenphase, in der sie als einzige Mannschaft gegen Barca ungeschlagen blieben. Ich rechne mit einem ungefährdeten Sieg Barcelonas. Sie haben einen Superkader, sind auf den Punkt topfit, haben die spanische Meisterschaft souverän gewonnen - und fühlen sich noch immer um den Sieg im vergangenen Jahr gebracht.

Damals konnte der THW Kiel den Heimvorteil nutzen. Ob die Endrunde dauerhaft in Köln etabliert werden sollte, ist, bei allem Glanz dieser Veranstaltung, zu hinterfragen. Eine große Halle ist wahrscheinlich nur in Deutschland an zwei Tagen zu füllen. Aber ich kann auch all die verstehen, die Wettbewerbsverzerrung fürchten. Über ein Endspiel an einem neutralen Ort wie beim Fußball darf man zumindest nachdenken. Und wo wir gerade beim Modus sind: Zehn Gruppenspieltage sind entschieden zu viel. Der aufgeblähte Terminplan erschwert die Vermarktung und stellt für die Spieler eine unnötige Belastung dar. Und die sollten schließlich im Mittelpunkt stehen.

Frank von Behren, 34, war Kapitän der Nationalmannschaft und berichtet als Experte für Eurosport vom Final Four. Der Spartensender überträgt aus Köln alle Spiele live: Sonnabend, 15.15 Uhr: FC Barcelona - Rhein-Neckar Löwen; 18 Uhr: HSV Hamburg - BM Ciudad Real. Sonntag, 15.15 Uhr: Spiel um Platz drei; 18 Uhr: Finale