Abendblatt-Serie, Teil 3: Wie der 56-jährige Andreas Rudolph die HSV-Handballer in sechseinhalb Jahren zur Meisterschaft führte.

Hamburg. Irgendwann geht selbst die längste Übungseinheit zu Ende, und das scheint heute Morgen der Fall. Die Handballer des HSV kehren von ihrem Trainingslager auf Mallorca nach Hamburg zurück. Am vergangenen Donnerstag waren sie nach dem Sieg gegen Gummersbach als frisch gekrönter deutscher Meister froh gelaunt und frech verkleidet auf die Baleareninsel geflogen. "Wir hatten viel Spaß", sagte Vereinspräsident Andreas Rudolph, der die Mannschaft zum wiederholten Male auf seine Finca eingeladen hatte.

Als Rudolph auf Vermittlung seines Bruders Matthias das erste Mal mit dem Handball Sport-Verein Hamburg in Kontakt trat, das war im Herbst 2004, gab es keinen Grund zum Lachen. Der Klub stand vor der Insolvenz. "Ich glaubte zu wissen, worauf ich mich einlasse", sagt Rudolph im Rückblick, "aber über den wahren wirtschaftlichen Zustand des Vereins sind wir damals immer wieder belogen und betrogen worden." Das ihm Ende Dezember 2004 angediente Präsidentenamt abzulehnen, kam ihm dennoch nicht in den Sinn. "Was ich einmal angefangen habe, führe ich konsequent zu Ende." Das hat er getan. Und dafür soll er im Herbst, wenn er offiziell alle Ämter im Verein niedergelegt hat, zum Ehrenpräsidenten der Handballer ernannt werden.

Der Masterplan, den Rudolph im Januar 2005 mit dem neuen Präsidium aufstellte, ist inzwischen in großen Teilen erfüllt. Die Hamburger Handballer sind deutscher Meister und können, Ziel zwei, Ende des Monats in Köln die Champions League gewinnen. Ziel drei, dass 80 Prozent der Heimspiele ausverkauft sind, bleibt eine Herausforderung. Mit 10 677 Zuschauern im Schnitt stellt der HSV in dieser Saison jedoch einen neuen Zuschauerrekord in der Handball-Bundesliga auf. Bis heute dürfte Rudolph, 56, geschätzte 25 bis 30 Millionen Euro in das ambitionierte Projekt investiert haben. "Ich hatte nie die Absicht, Gewinn zu machen. Im Handball steckt mein Herzblut."

Andreas Rudolph, der sich selbst als "Zahlenmensch" bezeichnet, hat Mineralogie studiert. In Gummersbach geboren, spielte er Handball von Kindesbeinen an, meist im Rückraum, mit dem OSC Rheinhausen sogar in der Bundesliga. Zum Multimillionär machte ihn vor 20 Jahren seine Idee, eine häusliche Gesundheitsversorgung für chronisch Kranke zu organisieren. Er kaufte und verkaufte Firmen, bündelte 2008 seine Unternehmungen unter dem Dach der GHD, der GesundHeits GmbH Deutschland, und überließ im selben Jahr der Kapitalgesellschaft Barclays Private Equity für einen dreistelligen Millionenbetrag die Anteilsmehrheit an der GHD. Die macht mit 1000 Mitarbeiten 300 Millionen Euro Jahresumsatz.

Rudolph ist bei allem strategischen Kalkül ein emotionaler Mensch. Bei den Handballspielen des HSV steht er hinter der Bande, klatscht Beifall, schreit Anweisungen aufs Feld, lobt und tadelt lautstark. In der Kabine gibt er gelegentlich den Ton an, dann, wenn das Spiel nicht nach seinen Vorstellungen läuft oder gelaufen ist. "In seiner ersten Erregung hat er uns alle schon mal rausgeschmissen oder mit dem Rauswurf gedroht", erzählt einer, der seit vielen Jahren dabei ist. Fast immer aber hat Rudolph die Verträge von Spielern und Trainern verlängert, meist zu besseren Konditionen. Harmonie, hat er einmal zum Abendblatt gesagt, sei für ihn wichtiger als Erfolg. Der stelle sich schon irgendwann ein. So führe er seine Firmen. Wenn er beim HSV in den zurückliegenden sechseinhalb Jahren doch mal jemanden entlassen musste, hat Rudolph andere vorgeschickt. Dabei scheut er keineswegs den Konflikt. Mit Trainer Martin Schwalb habe er sich "des Öfteren gefetzt. Nachher haben wir jedoch stets eine Linie gefunden, die wir beide vertreten konnten". Rudolph hatte Schwalb im Oktober 2005 zum HSV geholt, "weil ich überzeugt war, dass wir mit ihm Meister werden". Dass er zwischenzeitlich stark an ihm gezweifelt habe, bestreitet Rudolph heute.

Im Sommer wird Schwalb sein Nachfolger, erst als Geschäftsführer der Spielbetriebs-Gesellschaft, später auch als Vereinspräsident. Er wolle häufiger mit seiner Yacht durchs Mittelmeer schippern, die Spiele der Mannschaft nicht mehr aus der Sicht eines Verantwortlichen sehen, sondern aus der Fanperspektive genießen, sagt Rudolph. Beim HSV wird er weiter im Hintergrund wirken. Das zumindest hoffen alle. "Es bleibt alles beim Alten", sagt Präsidiumsmitglied Dieter O. Joost, "und das ist gut für den Verein."

Teil 4: Lesen Sie morgen: Organisationschef und Fanbetreuer Torsten Lucht, der letzte Schwartauer