Der am Sonnabend beginnende Fastenmonat stellt die muslimischen Profis wegen des Klimas in Brasilien vor große Herausforderungen. Özil wird nicht mitmachen. Bei Gegner Algerien ist fast das ganze Team betroffen.

Sao Paulo. Mesut Özil stellt sich die Glaubensfrage in Brasilien nicht. „Ich kann nicht mitmachen“ beim am Sonnabend beginnenden Ramadan, sagte der deutsche Nationalspieler mit türkischen Wurzeln, er müsse während des muslimischen Fastenmonats schließlich „arbeiten“. Beim deutschen Achtelfinalgegner Algerien könnte der Speiseplan am Montag in Porto Alegre hingegen sehr wohl sehr enthaltsam sein. Denn vom Ramadan ist fast das gesamte algerische Team betroffen.

„Ich entscheide nach meiner körperlichen Verfassung, aber ich glaube, ich werde es machen“, sagte Kapitän Madjid Bougherra. Das Fasten sei eher „eine mentale Sache“, das Klima „geht schon, es ist gut“. In der K.o.-Runde gegen die DFB-Elf (22 Uhr MESZ) erwartet die Nordafrikaner in der Tat keine Hitzeschlacht, im Süden Brasiliens herrschen seit Tagen gemäßigte Temperaturen - ein Risiko bleibt dennoch.

Für die Akteure aus Nordafrika spielt die Religion eine große Rolle. Vor jedem WM-Spiel sieht man Profis beten, und nach dem ersten Achtelfinal-Einzug überhaupt bei einer WM sagte Top-Stürmer Sofiane Feghouli: „Dieser Erfolg ist für alle Algerier auf der ganzen Welt, für alle Araber und alle Muslime.“

Angesichts des Flüssigkeitsverlustes von „individuell unterschiedlich bis zu sechs Litern“ müsse mit einer „großen physiologischen Leistungseinbuße“ gerechnet werden, sagte Markus de Marées, Leiter des Bereichs Leistungsphysiologie und Höhenmedizin an der Deutschen Sporthochschule in Köln: „Wenn die Spieler während des Tages kein Wasser und keine Nahrung zu sich nehmen, so ist dies nur im Rahmen von geringer körperlicher Belastung und in gemäßigten klimatischen Bedingungen ohne gravierende gesundheitliche und Leistungseinbußen durchzuführen.“

Zusammen mit Özil spielen in der Auswahl des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) in Sami Khedira und Shkodran Mustafi noch zwei weitere muslimische Profis. Auch fertige und angehende Stars wie die Franzosen Karim Benzema und Paul Pogba, sowie Belgiens Marouane Fellaini und Mousa Dembélé befolgen die Heilige Schrift des Islam und müssen sich am Zuckerhut für oder gegen das strenge Fasten von Sonnenauf- bis Untergang entscheiden.

„Das ist ein heikles Thema, ich kann dazu nichts sagen, weil ich jedermanns Religion respektiere, aber ich mache mir da keine Sorgen, jeder wird sich da anpassen“, sagte Frankreichs Coach Didier Deschamps. Laut gängiger Interpretation der im Koran verankerten religiösen Pflicht dürfen „Reisende“ das Fasten aber aufschieben - die Trainer werden das vor allem in den hitzigen Orten Brasiliens gerne hören.

„Es ist mehr als sehr unwahrscheinlich, eine 90-minütige Belastung innerhalb einer zwölfstündigen Fastenperiode bei 30 Grad Celsius und einer Luftfeuchtigkeit von über 80 Prozent ohne Leistungseinbuße - wenn überhaupt - ohne gesundheitliche Schäden zu absolvieren“, sagte de Marées.

Der Weltverband Fifa sieht das anders und verweist auf zwei Experten-Studien in Tunesien und Algerien. „Die Ärzte, mit denen wir gesprochen haben, fürchten kein gesundheitliches Risiko“, sagte Chefmediziner Jiri Dvorak: „Das Ergebnis war, dass es keine signifikante Leistungsminderung gibt, wenn man den Ramadan befolgt.“

Andere muslimische Spieler hatten bereits vor dem Turnier auf die erlaubten Ausnahmen verwiesen. „Fasten? Habt ihr das Wetter gesehen? Ich würde ja sterben“, sagte Yaya Touré, der mit der Elfenbeinküste bereits ausgeschieden ist, der Zeitung The National.