Für „Beißer“ Suárez ist die WM in Brasilien vorzeitig beendet. Die Fifa verhängte eine drakonische Strafe gegen den Uruguayer. Argentinien-Idol Maradona kritisierte die Entscheidung scharf.

Rio de Janeiro. Der frühere Weltstar Diego Maradona hat die WM-Rekordsperre für Uruguays Starstürmer Luis Suárez mit deutlichen Worten kritisiert. „Was glauben sie, wer sie sind?“, fragte der Argentinier rhetorisch in Richtung des Weltverbands Fifa im venezolanischen Fernsehen. „Warum schickt ihr ihn nicht gleich nach Guantanamo?“

Suárez war für seine Beißattacke gegen den Italiener Giorgio Chiellini für neun Pflicht-Länderspiele gesperrt und für vier Monate von allen Fußball-Aktivitäten verbannt worden. „Warum? Wen hat er getötet?“, fragte Maradona, es sei „eine unfaire Strafe, ein unglaubliches Mafia-Ding“. Der Argentinier war 1994 bei der WM in den USA des Dopings überführt und ebenfalls gesperrt worden.

Uruguays Verband AUF kündigte bereits an, Einspruch einzulegen. Dieser war bis zum Nachmittag (Ortszeit) noch nicht bei der Fifa eingegangen, er hätte ohnehin keine aufschiebende Wirkung der Entscheidung - die WM ist für den Torjäger des FC Liverpool vorbei. Die Sperre greift erstmals im WM-Achtelfinale der Uruguayer am Sonnabend gegen Kolumbien. Die Sanktion für vier Monate bedeutet, dass Suárez an Fußball-Aktivitäten jeder Art nicht teilnehmen darf. Sogar der Aufenthalt im Team-Quartier wurde dem Angreifer verboten.

Ohne Suárez ist die uruguayische Nationalmannschaft am Donnerstagabend (Ortszeit) zum WM-Achtelfinale in Rio de Janeiro angereist. Nach seinem Bann für neun Pflicht-Länderspiele flog Suárez in die Heimat nach Montevideo, wo er uruguayischen Medienberichten zufolge unter hohen Sicherheitsvorkehrungen erwartet wurde.

„Ein solches Verhalten kann auf dem Fußballplatz nicht toleriert werden, und besonders nicht bei einer Weltmeisterschaft, wo Millionen Menschen auf die Stars auf dem Feld blicken“, sagte Claudio Sulser, der Chef des Fifa-Disziplinar-Komitees. Das Urteil habe alle Faktoren des Falles berücksichtigt - „Beißer“ Suárez ist ein Wiederholungstäter.

Damit steht Angreifer Suárez seinem Team selbst im Falle eines Finaleinzugs am 13. Juli in Rio de Janeiro nicht zur Verfügung. Selbst ein Stadionbesuch ist ihm untersagt. „Empörung. Ohnmacht“, schrieb Uruguays Kapitän Diego Lugano auf Facebook und kritisierte die Fifa weiter: „Die das Sagen haben, befehlen, die Starken sind die Starken ... und über uns richten sie nicht mit dem gleichen Gesetz.“

Transfer zu Real Madrid wäre möglich

Suárez wurde zudem zu einer Geldstrafe von 100.000 Schweizer Franken (82.000 Euro) verurteilt. Die Sperre von neun Partien gilt nur für WM-Endrunden- bzw. Qualifikationsspiele. In normalen Länderspielen kann er nach Ablauf der vier-Monats-Frist von Uruguays Verband eingesetzt werden.

Ein möglicher Transfer von seinem Klub FC Liverpool zu Champions-League-Sieger Real Madrid - wie es in den Medien diskutiert wird - ist allerdings möglich. Dies sagte Fifa-Sprecherin Delia Fischer. Der Uru-Star kann allerdings vom FC Liverpool oder einem möglichen neuen Klub während der viermonatigen Sperre nicht eingesetzt werden. Ob der Verein Einspruch gegen die Sperre einlegt, will er erst nach genauer Prüfung des Berichts des Disziplinarkommission entscheiden.

Mit einem persönlichen Schreiben an den Weltverband hatte Suárez zuvor versucht, die Entscheider gnädig zu stimmen. Der uruguayische Verband soll der Fifa einen 17-seitigen Bericht und mehrere Videos von Unsportlichkeiten anderer WM-Spieler vorgelegt haben, die den Fall Suárez relativieren sollten.

Während Suárez zu seiner drakonischen Strafe zunächst schwieg, verschafften sich seine Teamkollegen Luft über die sozialen Netzwerke. Er empfinde „Empörung und Ohnmacht“, twitterte zum Beispiel Abwerhspieler Diego Lugano: „Wir wollen alle eine gerechte Welt, aber diese Welt existiert einfach nicht.“

Am 24. Juni im WM-Vorrundenspiel gegen Italien hatte Suárez seinen italienischen Gegenspieler Giorgio Chiellini in der 79. Minute in die Schulter gebissen. Auf dem Platz war Suárez noch ungeschoren davongekommen, obwohl Gegenspieler Chiellini Schiedsrichter Rodriguez immer wieder seine Schulter mit der angeblichen Bisswunde zeigte. Suárez konnte aber aufgrund der TV-Bilder verurteilt werden.

Der Torschützenkönig der englischen Premier League, der bei der WM mit seinem Doppelpack gegen seine Wahlheimat England (2:1) auch schon für sportliche Schlagzeilen sorgte, ist Wiederholungstäter. Schon 2010 bei Ajax Amsterdam und 2013 beim FC Liverpool biss er einen Gegenspieler, bekam seinen Spitznamen „Kannibale“ verpasst und wurde jeweils lange gesperrt.

Adidas stellt Werbeaktivitäten mit Suárez ein

Die Fifa-Strafe dürfte Suárez nicht nur sportlich, sondern auch finanziell wehtun. Adidas kündigte als erster Sponsor an, die Werbeaktivitäten mit dem Torschützenkönig der Premier League einzustellen.

„Wir planen keine weiteren Marketingaktivitäten mit Suarez während der Fifa Fußball-Weltmeisterschaft 2014“, sagte adidas-Sprecher Oliver Brüggen: „Adidas unterstützt die von der Fifa getroffene Entscheidung und duldet das jüngste Verhalten von Luis Suárez nicht. Einige seiner Sponsoren wie ein Online-Glücksspiel-Unternehmen hatten bereits vor der Verkündung der Sanktion die Geschäftsbeziehung auf den Prüfstand gestellt.

In Uruguay tobt derweil ein Sturm der Entrüstung. Liliám Kechichián, Ministerin für Tourismus und Sport, bezeichnete das Urteil als „exzessive Strafe“. Politiker aller Parteirichtungen nutzten ihren Twitter-Account. „Eine Lynchjustiz im 21. Jahrhundert“, schrieb Horacio Yanes. „Es fehlt nur der elektrische Stuhl. Eine Sache ist eine Strafe, die andere eine Hinrichtung“, meinte Sergio Abreu.

Die englische Profispieler-Vereinigung PFA hätte sich auch eine psychologische Behandlung als Teil der drakonischen Strafe gewünscht. Die Fifa hätte darauf achten sollen, „dass dieses Verhalten ausgerottet wird und auf einige seriöse Beratungen und Behandlungen für Luis Suárez bestehen müssen. Denn er ist unbestritten einer der besten Spieler in der Welt“, sagte PFA-Vorsitzender Gordon Taylor bei Sky Sports.