Bleibt er oder bleibt er nicht? Diese Frage wird Spaniens Fußball-Fans in den nächsten Tagen weiter stark beschäftigen. Während Trainer Vicente del Bosque schweigt, will der Verband, dass er seine Arbeit fortsetzt.

Curitiba. Seit dem fatalen Vorrunden-Scheitern herrscht beim entthronten Weltmeister Funkstille, die Zukunft von Trainer Vicente del Bosque bleibt eine Hängepartie. Die Funktionärsriege um Verbandspräsident Àngel Maria Villar hat in Brasilien zu den drängenden Problemen und den ungewissen Perspektiven noch keine Position bezogen. Nur aus dem mehrere tausend Kilometer entfernten Madrid signalisierte RFEF-Generalsekretär Jorge Pérez klare Unterstützung für den Coach: „Uns würde es gefallen, dass er bleibt. Sein Vertrag läuft bis zur EM in Frankreich.“

Selbst der auch in schwierigsten Situationen meist gesprächsbereite del Bosque hatte seit der Rückkehr nach Curitiba keine Lust, sich wieder den Medien zu stellen. Die beiden Kapitäne Iker Casillas und Xavi drückten sich ebenfalls davor. Als einzige Gesprächspartner standen am Freitag Koke und Santi Cazorla zur Verfügung, die im Mannschaftsgefüge eine untergeordnete Rolle spielen.

Der Funktionärs-Tross vor Ort lässt del Bosque bislang komplett allein. Villar & Co äußerten sich nicht zum folgenschweren 0:2 gegen Chile wie schon zuvor zur 1:5-Klatsche gegen die Niederlande. Sie ließen sich nicht einmal neben dem bemitleidenswerten Erfolgstrainer blicken, um wenigstens optisch Unterstützung zu signalisieren.

Es hatte fast schon symbolischen Charakter für das raue Klima, dass das erste leichte Training im CT do Caju bei unangenehm feuchter Kälte und frischem Wind stattfand. Mit nur 9 Grad war es der kälteste Tag, seit die Spanier am Pfingstmontag in Brasiliens Regen-Hauptstadt eingetroffen sind.

70 Prozent einer Umfrage fordern Trainerwechsel


Allein der Generalsekretär stellte sich in Radio-Interviews in Madrid klar hinter den Trainer. „Vom Ersten bis zum Letzten in der Föderation halten wir wie Pech und Schwefel mit del Bosque zusammen“, sagte Pérez. „Wir haben doch den Besten, warum sollen wir dann wechseln.“ Die spanischen Fußballfans scheinen das anders zu sehen. Laut einer nicht repräsentativen Online-Umfrage des Sportblatts „Marca“ sprachen sich fast 70 Prozent der etwa 150.000 Befragten für eine Ablösung des Trainers aus.

Der neue König Felipe VI. gehört indes nicht dazu: Der 46 Jahre alte Monarch stellte auf seinem Arbeitstisch im Madrider Zarzuela-Palast eine verkleinerte Nachbildung der Trophäe vom historischen WM-Triumph 2010 in Südafrika auf. Dies ist auf Fotos zu sehen, die den König am Freitag bei einem Treffen mit Ministerpräsident Mariano Rajoy zeigen.

Aber Verbands-Herrscher Villar nahm bisher weder zum desaströsen Abschneiden der „selección“ noch zu del Bosques Andeutung, eventuell aufzuhören, Stellung. „Es ist Zeit, über die Zukunft nachzudenken. Das gilt auch für mich“, hatte der Coach direkt nach der Partie in Rio de Janeiro gesagt. Erst im vergangenen November hatte er den seit 2008 laufenden Vertrag bis 2016 verlängert.

Angesichts der Sprachlosigkeit der Verbandsoberen war es fast schon peinlich, dass Trainer konkurrierender Teams ihren alleingelassenen Kollegen unterstützten. Vor allem Ottmar Hitzfeld litt als „großer Bewunderer“ del Bosques und des spanischen Fußballs mit. „Ich war sehr traurig, dass er mit Spanien ausgeschieden ist. Das ist nicht schön für die Weltmeisterschaft“, sagte der Schweizer Nati-Coach.

Will del Bosque den Neuaufbau begleiten?


Bundestrainer Joachim Löw war „natürlich auch überrascht, dass die Spanier jetzt nach zwei Spielen ausgeschieden sind. Ich halte Spanien noch für eine sehr gute Mannschaft mit klasse Spielern.“ Italiens Cesare Prandelli sagte, er habe „großen Respekt“ vor Spanien. „Sie werden in einiger Zeit wieder gewohnt stark zurückkommen.“

Ob mit oder ohne del Bosque, wird sich erst nach der Copa do Mundo klären. Der Weltmeister von Südafrika und Europameister von 2012 will die Lage in Ruhe analysieren. Zudem entspricht es dem Stil der sympathischen Persönlichkeit, schon aus Respekt vor dem Turnier und dem ebenfalls vorzeitig ausgeschiedenen Abschlussgegner Australien eine Entscheidung erst danach mitzuteilen.

Es liegt primär an del Bosque, ob er den dringend notwendigen Umbau bis zur EM 2016 vornehmen will oder diesen einem Nachfolger überlässt. Villar hat in 26 Jahren Amtszeit noch keinen Trainer entlassen. Vom Verband wird er nicht zum Abschied gedrängt. Im Gegenteil: „Ich möchte, dass er weitermacht“, bekräftigte Pérez. Noch habe die RFEF mit del Bosque nicht gesprochen. Es sei besser, etwas Zeit verstreichen zu lassen und die Angelegenheit in Ruhe in Madrid zu regeln.