Der Schock nach dem schweren Unfall im WM-Trainingslager sitzt beim DFB-Team tief. Der verletzte Streckenposten hat die Hauptschuld den Passanten gegeben. Höwedes half bei Erstversorgung.

St. Martin. Die Augenzeugen Julian Draxler und Benedikt Höwedes haben das schlimme Erlebnis sofort mit DFB-Psychologe Hans-Dieter Hermann aufgearbeitet. Ansonsten befand sich die deutsche Nationalmannschaft am Tag eins nach dem schlimmen Unfall im WM-Trainingslager in Südtirol weitgehend in Schockstarre. Die Stimmung im durch Verletzungen, die „Pinkel-Affäre“ von Kevin Großkreutz und den Führerschein-Entzug von Bundestrainer Joachim Löw ohnehin nie unbeschwerten Camp ist nach dem traurigen Tiefpunkt endgültig gedrückt. Die Fragen nach dem Warum und den Konsequenzen aus dem Drama sind allgegenwärtig.

Der 63-jährige Deutsche, der bei dem Sponsoren-Dreh schwer verletzt wurde, befindet sich zumindest nicht mehr in Lebensgefahr, der Übergang zur Tagesordnung war dennoch nicht möglich. Die umstrittene Vorgehensweise des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) nach dem Unfall-Drama, ist nach Angaben von Nationalmannschafts-Sprecher Jens Grittner der rechtlichen Situation geschuldet: „Wir sind nicht abgetaucht, nicht sprachlos, auch nicht tatenlos. Wir respektieren nur die Arbeit der Behörden und der Ärzte.“

Damit der genaue Unfallhergang aufgeklärt werden kann, hat der DFB alle ihm zur Verfügung stehenden Informationen an die zuständigen Behörden weitergegeben. Damit sieht er sich „nicht mehr als Herr des Verfahrens“. Polizeihauptkomissar Johann Ramoser, der eigentlich zur Pressekonferenz erschienen war, um gar nichts zu sagen, stellte immerhin klar, dass die Strecke sicher war: „Das kann ich garantieren“. Das zweite Unfallopfer, ein nach Behörden-Angaben „mittelschwer“ verletzter Streckenposten aus Südtirol gab inzwischen den Passanten die Hauptschuld an dem Unglück. Auch ein Polizeisprecher gab an, dass die Strecke „sehr gut gesichert und komplett abgesperrt" sei. Warum die Passanten dennoch über die Absperrung gingen, ist noch unklar.

Das Unglück hinterließ vor allem bei Benedikt Höwedes und Julian Draxler Spuren. Die beiden Schalker waren „die Spieler, die den Unfall miterleben mussten“, bestätigte Bierhoff: „Als sie zurück ins Hotel gekommen sind, sind sie nicht direkt aufs Zimmer, sondern hatten das Bedürfnis zu sprechen.“ Hermann habe sich daraufhin mit den beiden Fußballern sowie Formel-1-Pilot Nico Rosberg und DTM-Fahrer Pascal Wehrlein, der am Steuer des Unfallwagens saß, zusammengesetzt.

Höwedes half bei der Erstversorgung nach dem Unfall

Die Gespräche hätten ihm sehr geholfen, berichtete Höwedes, der bei der Erstversorgung am Unfallort geholfen hatte. Er glaube aber, „dass die Bilder noch eine Zeit lang in meinem Kopf bleiben werden.“ Körperlich gehe es ihm dagegen gut: „Wir waren angeschnallt.“

Höwedes und Draxler trainierten bereits wieder mit der Mannschaft. Alles sollte so sein wie immer. Bierhoff, der mit Rosberg und Wehrlein die Opfer besuchte, versicherte sogar, „dass die schlimmen Ereignisse keinerlei Konsequenzen für den weiteren Verlauf der Vorbereitung“ hätten. Dies klang jedoch eher beschwörend.

Derweil stehen beim DFB Sponsoren-Aktivitäten wie der Dreh am Dienstag auf dem Prüfstand. Man wolle diese künftig „noch genauer bewerten“, stellte Bierhoff klar. Ob es Konsequenzen aus dem Unglück gibt, ist bisher aber noch nicht klar. „Die Lust auf eine solche Aktion ist momentan nicht vorhanden“, gab der Teammanager zu: „Für zukünftige Aktivitäten kommt so ein Unfall natürlich in die Bewertung. Man überlegt, wie es weitergeht.“

Der 46-Jährige betonte aber auch, dass sich „meine Meinung, Aktivitäten auch außerhalb des Platzes anzubieten, nicht geändert hat. Es wäre verkehrt, sich einzuigeln und nur auf eine Sache zu konzentrieren. Wir werden auch weiterhin Teamaktivitäten anbieten, bei denen es ein kleines Restrisiko gibt“.

Schwer sei es, dieses abzuschätzen. „Wir haben eine Radtour durchgeführt, da kann man sich auch fragen, ob man die machen kann“, erklärte der Europameister von 1996: „2010 ist Thomas Müller bei einer Radtour gestürzt. Man hat im Leben immer ein Restrisiko. Das müssen aber wir so klein wie möglich halten.“

Mercedes schließt eigenen Fehler nicht aus

Bierhoff betonte, dass der DFB bereits seit zehn Jahren Sponsoren-Aktivitäten mit dem Sponsor Mercedes Benz durchführe. Dessen Sprecherin Claudia Merzbach erklärte, man müsse bei möglichen Konsequenzen des Unfalls „Sorgfalt vor Schnelligkeit“ walten lassen: „Man muss schauen, was die Ermittlungen ergeben.“

Dass es keinerlei Fehler bei der Durchführung gegeben habe, „würde ich niemals sagen“, betonte Merzbach: „Wir diskutieren das. Und wir sind am meisten daran interessiert, herauszufinden, wo eventuell ein Fehler war.“ Am Dienstag habe es sich aber um kein Rennen gehandelt, „es ging nur darum, die beiden Fahrzeuge vorzustellen“.

Im Trainingslager in Südtirol sind keine weiteren Aktivitäten geplant. Bei der WM in Brasilien ist eine Aktion mit dem Weltumsegler Mike Horn vorgesehen. Laut Bierhoff werde man dabei „größte Sorgfalt walten lassen, damit es kein Risiko gibt“.

Zuerst einmal gilt es, bei aller Betroffenheit, den Fokus wieder zurück auf die WM zu legen. „Solche Schicksalsschläge können immer wieder passieren“, sagte Sami Khedira: „Jeder einzelne von uns hofft, dass die Verletzten so schnell wie möglich wieder gesund wird. Wir müssen aber trotzdem versuchen, uns auf unseren Job zu konzentrieren.“