Die Nachwuchshoffnung gehört zu einer neuen Gattung von Spielerinnen, die ein frisches Bild des Frauenfußballs zeichnen.

Köln. Gerade sieben Minuten sind gespielt. Alexandra Popp erzielt ihren zehnten Treffer im sechsten Spiel. Erst ein langer Ball von Schmidt, dann Kopfballverlängerung Popp. Das Laufduell mit Nigerias Joy Jegede gewinnt sie locker und setzt per Lupfer die Kugel in die lange Ecke. „Den habe ich mit meinem viel schwächeren rechten Fuß gemacht“, erzählt die in Witten geborene Stürmerin stolz. 1:0 für Deutschland im U20 WM-Finale der Frauen.

Popp setzte mit ihrem Tor ihren sensationellen Lauf fort: In jedem der sechs WM-Spiele traf die 19-Jährige vom FCR Duisburg mindestens einmal. Nach dem Führungstreffer fordert die WM-Torschützenkönigin ihre Teamkolleginnen zum einstudierten Tanz auf. Nach dem Abpfiff des Matches stemmt sie den silbernen Pokal in die Luft. Weltmeister – 2:0 Sieg gegen Nigeria. Der bisher größte Erfolg für die 19-jährige, die schon so einige Titel gewonnen hat. Uefa-Cup Gewinner. Zweimaliger DFB-Pokal-Sieger. U20-Weltmeister. Und der Durst nach Titeln scheint bei ihr lange nicht gestillt.

Denn ein ganz großes Ziel liegt direkt vor ihr. Bei der Frauen WM in Deutschland im Kader der A-Nationalmannschaft zu stehen. „Was gibt es Schöneres als im eigenen Land eine Weltmeisterschaft zu spielen“, versucht Alexandra Popp den Stellenwert des Turniers zu erklären und strahlt dabei über das ganze Gesicht. Die Blondine würde zu gerne nächstes Jahr mit Birgit Prinz bei ihrer Abschluss-WM das Sturmduo bilden. Doch bis dahin ist noch ein schwieriger Weg.

Alexandra Popp ist ohne Frage eine spannende Protagonistin der derzeitigen Spielzeit, gehört sie doch zu einer neuen Gattung von Spielerinnen, die ein frisches Bild des Frauenfußballs zeichnen. Popp könnte eventuell zu der Generation von Spielerinnen gehören, die ihr Geld in einigen Jahren nur mit dem Fußball verdienen. Trotz guter Voraussichten später einmal Profifußballerin zu werden, überlässt Alexandra nichts dem Zufall. Derzeit absolviert die 19-Jährige ein Jahrespraktikum als Physiotherapeutin, um sich ein zweites Standbein aufzubauen. „Aber vielleicht brauche ich das später gar nicht mehr“, schmunzelt die Fachabiturientin.

Popp debütierte vergangenes Jahr in der Nationalmannschaft. Im Testspielsieg gegen Nigeria erzielte sie sogar ihren ersten Treffer in der A-Nationalmannschaft. Doch die robuste Stürmerin ist anders als die alteingesessenen. Sie wirkt noch verspielt. Jugendlich. Ja fast schon kindlich. Und das nicht nur auf dem Platz. „Die jüngere Generation trällert und tanzt zur Musik in der Umkleidekabine gerne mal mit. Die Älteren sitzen auf ihrem Platz, schauen auf den Boden und konzentrieren sich so. Ich persönlich mache es mittlerweile teils, teils: Anfangs spacke ich noch mit rum, gegen Ende setze ich mich und gehe in mich.“

Erstaunlich, wie locker Alexandra das erzählt, wenn man bedenkt, dass es die rasante Karriere beinahe gar nicht gegeben hätte. Bis zu ihrem 14. Lebensjahr spielte Popp nur mit Jungs Fußball. „Frauen haben mich überhaupt nicht interessiert, ich habe nicht so viel von Frauenfußball gehalten”, bekennt die Gevelsbergerin heute schon fast reumütig.

Notwendige Härte im Zweikampfverhalten holte sich die hoch aufgeschossene Stürmerin im Training früher mit den Jugendlichen des FC Schalke 04. „Die Jungs waren natürlich stark, doch ich habe mir im ersten Training meinen Respekt verschafft und dann war es schon in Ordnung.“ Dabei kreuzte die aggressive Blondine ihre Klingen mit späteren Profis wie Joel Matip. Genau dort feilte die 1,74 Meter große "Poppi", wie sie am liebsten genannt wird, an ihre Stärken. Schnell, physisch robust und mit beiden Füßen einen starken Schuss.

Später änderte sich die Einstellung. Ihre Familie überzeugte Alexandra vom Frauenfußball. Zunächst als erfolgreiche Stürmerin des Verbandsligisten 1. FFC Recklinghausen fand sie sich mit Start im Bundesliga-Team des FCR Duisburg wieder - auf der Abwehrposition. „Die Außenverteidigerin hatte sich verletzt, da hieß es: Geh mal nach hinten – und dann ist keiner an mir vorbeigekommen”, erinnert sie sich. Popp wird seit diesem Zeitpunkt im Verein auf der linken Abwehrposition eingesetzt, während sie im Nationaldress auf Tore-Jagd geht. Dieses Kuriosum könnte allerdings zum Problem für die Linksfüßlerin werden. Nachdem die Duisburgerin in den Kader A-Nationalkader berufen wurde, testete Bundestrainerin Neid „Poppi“ auf beiden Positionen.

„Frau Neid hat mir mitgeteilt, dass ich hinten links taktische Defizite habe.“ Der Platz in der Verteidigung ist wahrscheinlich nicht für sie bestimmt. Und vorne wartet in der Nationalelf mit Birgit Prinz, Inka Grings und Anja Mittag eine starke Konkurrenz, die im Ligaalltag ihre Tore am Fließband schießen. Popp muss sich währenddessen beim FCR Duisburg auf das „Toreverhindern“ konzentrieren. Trotz der ungünstigen Situation bleibt das junge Talent ruhig und wartet auf eine Chance. „Ich habe auch mit meiner Trainerin darüber gesprochen, wie sie meine Zukunft sieht. Sie hat mir versichert, dass sie mich irgendwann mal nach vorne stellen will.“ Eins scheint klar zu sein. Popp möchte gerne wieder Tore schießen. Ausgelassen ihre Treffer bejubeln. Und ihre Mitspielerinnen zum Tanzen animieren. Und das am besten im Sommer bei der Heim-WM.

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