Nadine Angerer kann als erste Torhüterin zum dritten Mal in Folge Weltmeisterin werden. Dabei hat die Frankfurterin oft tausend andere Sachen im Kopf.

Frankfurt/Main. Nadine Angerer verkörpert eine ganz eigene Lebensphilosophie. Wenn die Torfrau der deutschen Nationalmannschaft zwischen den Pfosten steht, ist sie ganz fokussiert auf den Fußball und weitgehend gefangen im Strafraum. Doch keine andere deutsche Nationalspielerin und WM-Teilnehmerin ist so viel herumgekommen und so interessiert am Rest der Welt. „Es ist tatsächlich eine Idee von mir, irgendwo in Afrika einmal ein Backpacker-Hotel aufzumachen. Da hätte ich Bock drauf“, sagt sie im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa und lächelt. „Ich strotze oft vor Ideen.“

In ihrer Frankfurter Stadtwohnung mit Dachterrasse hängt eine große Landkarte, und Angerer schaut öfter mal träumend drauf. „Südamerika fehlt mir noch. Argentinien, Uruguay – das wäre ein Ziel. Das hebe ich mir auf.“ Bis 2012 läuft ihr Vertrag beim 1. FFC Frankfurt noch. „Nach meiner Karriere plane ich größere Reisen. Sechs Wochen „round the world“ geht einfach nicht während der Fußball-Saison“, erklärt die 32-Jährige. Mosambik und Südafrika haben ihr bisher am besten gefallen. Auf den Kapverden war sie mal vier Wochen.

„Ich lasse mich gerne treiben, da kriegt man das größte Input“, sagt Angerer. „Die meisten Sachen passieren, ohne dass ich sie plane.“ Alle rufen sie nur „Natze“. Manche bezeichnen sie als „das St. Pauli der Nationalmannschaft“, das Fachmagazin „kicker“ beschreibt sie als „angenehm verpeilt“.

Angerer fotografiert gerne Häuser. Zudem hat der Berlin-Fan ein Faible für Dinge, die zumindest Patina haben oder gar eine Geschichte zu erzählen: Secondhandklamotten, Einrichtungsgegenstände aus den 70er Jahren, Fundstücke aus dem Sperrmüll, „weil diese Möbel Charakter haben“. So wie Angerer selbst. Mit ihrer oft trendigen Kopfbedeckung sticht sie abseits des Rasens aus dem Kreis ihrer wohlfrisierten und geschminkten jungen Mitspielerinnen heraus. „Immer wenn ich eine neue kaufe, kommt eine alte weg. Ich habe vielleicht so zehn, zwölf. Seit etwa zehn Jahren trage ich welche, ich denke, sie stehen mir einfach.“

Seit 1996 gehört die Frau mit der Mütze zur Nationalmannschaft. So viele Titel wie die in Lohr am Main geborene Unterfränkin hat keine andere Torhüterin der Welt gesammelt – insgesamt 15, darunter zwei WM- und vier EM-Triumphe. Bei der WM 2007 in China blieb sie 540 Minuten ohne Gegentor – das hat auch noch kein Mann geschafft. Von Bundesliga-Profis guckt sie sich viel ab. „Mit Raphael Schäfer bin ich befreundet. Ich trainiere ja einmal die Woche mit unserem Torwarttrainer von der Nationalmannschaft in Nürnberg“, sagt Angerer. „Manuel Neuer habe ich auch kennengelernt, das ist ein Supertyp. Und mit Michael Rensing habe ich früher ja trainiert.“

Trotz der Aufregung, der vielen Interviews und PR-Termine kann sich die Fußballerin ein Leben ohne Ball gut vorstellen. Viele ihrer Freunde, erzählt sie, hätten „gar nix“ mit Fußball zu tun. „Wenn ich unterwegs bin, wissen die gar nicht wo ich bin. Aber so etwas erdet ungemein.“ Eine ihrer besten Freundinnen ist Pfarrerin. Angerer grinst: „Wenn ich von Theo Zwanziger erzähle, dann sagt die: Theo wer?“

Für ihren Frankfurter Manager Siegfried Dietrich wäre die gelernte Physiotherapeutin auch mal eine gute Clubmanagerin. Die Nationalspielerin hinterfrage vieles, sei an allem interessiert. Doch Angerer schüttelt den Kopf. „Wenn ich bei einem Verein spiele, will ich zwar auch wissen, wie er funktioniert. Aber ich glaube, ich wäre keine gute Managerin, was finanzielle Dinge angeht.“ Außerdem lockt da noch Afrika. (dpa)