Abendblatt-Kolumnist Felix Magath über die deutsche Leistung gegen Serbien, Gelb-Rote Karten, die Wahl des Elfmeterschützen und das Niveau der WM.

Wir sollten jetzt nicht in Hektik verfallen. Denn trotz der 0:1-Niederlage sage ich: Deutschland hat gegen Serbien ein gutes Spiel gezeigt. Das Spiel nach vorn war gut, das Spielverhalten war gut, die Spielauffassung war gut - dieser zweite WM-Auftritt war absolut in Ordnung. Dass es trotzdem nicht mal zu einem Unentschieden gelangt hat, hatte auch etwas mit fehlendem Glück zu tun, denn die Chancen waren vorhanden.

Ein Lob geht aber auch an die Serben, die natürlich viel stärker sind als zuvor Australien. Es schien mir ein taktischer Schachzug von Trainer Antic zu sein, immer wieder über die rechte Seite angreifen zu lassen. Er wusste, dass dort mit Bayerns Holger Badstuber kein gelernter Linksverteidiger steht, und auf diese Karte hat er ganz bewusst gesetzt. Und letztlich fiel das entscheidende Tor dann auch auf der linken deutschen Abwehrseite. Aber selbst nach dem vermeidbaren 0:1 hätte es keine Niederlage geben müssen. Allein Lukas Podolski hatte eine ganze Reihe von sehr guten Torchancen, die übrigens alle überzeugend herausgespielt worden waren.

Natürlich wird die Entscheidung, Miroslav Klose vom Platz zu stellen, jetzt wieder heftig diskutiert werden. Ich sage schon seit Jahren, dass ich nichts von solchen Hinausstellungen nach kleineren Fouls halte. Dadurch wird der Ausgang eines Spiels zu sehr beeinflusst. Seit Jahren fühle ich mich als einsamer Rufer, ich behaupte aber weiterhin: So geht es einfach nicht!

Beide Aktionen von Klose waren keine Gelb-würdigen Foulspiele, aber er ging eben zweimal von hinten Richtung Ball. Und die Regel besagt, dass er das nicht darf. In der Bundesliga wird dafür auch Gelb gezeigt - es gehört zum Alltag. Wird nun in Südafrika ein solcher Platzverweis ausgesprochen, bringt uns das auf die Palme. Das ist schon kurios.

Trotz allem war Deutschland auch mit zehn Mann die bessere Mannschaft. Wir hatten zwar in der ersten halben Stunde leichte Schwierigkeiten, zu unserem Spiel zu finden, aber dann lief es auch. Auch ohne Klose. Waren die Auswechslungen von Thomas Müller und Mesut Özil richtig? Ich denke, dass Joachim Löw dabei schon an die Partie gegen Ghana gedacht hat. Er braucht diese beiden Spieler in dem so wichtigen Spiel hundertprozentig fit. Das deutsche Spiel lief bis zu diesem Zeitpunkt gut - und nach den Wechseln wurde es nicht besser.

Bei Elfmetern überlasse ich es als Trainer meiner Mannschaft, wer die Verantwortung übernimmt. Das sollte meiner Meinung nach immer derjenige machen, der sich auch gut fühlt. Lukas Podolski hatte zuvor schon etliche große Möglichkeiten ausgelassen, deswegen fand ich es weniger glücklich, dass er sich dann den Ball nahm. Ich empfehle meinen Spielern, nicht zum Punkt zu gehen, wenn sie zuvor einige nicht so gelungene Szenen hatten. Ein Spieler muss auch einmal verzichten können, selbst wenn er vorher als Schütze bestimmt worden ist. Diese Kunst zu beherrschen ist für mich eminent wichtig. Zumal Bastian Schweinsteiger im Vorbereitungsspiel gegen Bosnien-Herzegowina gleich zwei Elfmeter verwandelt hatte.

Viele Beobachter mögen die deutsche Offensive als rechtslastig empfunden haben. Das sehe ich keineswegs so. Rechts wird oft gedribbelt und auch auf ganz engem Raum kombiniert, aber dann wird das Spiel auch plötzlich auf die linke Seite verlagert - und dort ergeben sich dann freie Räume. Oft stand Podolski dort frei und kam so zu seinen Tormöglichkeiten.

Personelle Konsequenzen schließe ich für die nächste Partie aus. Wenn wir so spielen wie gegen diese Serben, werden wir Ghana bezwingen. Davon bin ich überzeugt. Mannschaftsgeist und Disziplin sind nach wie vor unsere besten Waffen, ein Spieler, der sein Team stark macht, das ist unsere erfolgreich gepflegte Philosophie, ist besser als ein starker Spieler. Wenn wir uns daran erinnern, dann werden wir in diesem Turnier noch eine gute Rolle spielen.

Noch ein Wort zum Niveau dieser WM, das ja oft bemängelt wird. Ich bin keineswegs enttäuscht. Dieses Turnier hat eine sehr große Bedeutung gewonnen, und zwar bei allen Nationen. Allein in Deutschland sehe ich rund um die Uhr im Fernsehen nur Fußball, Fähnchen, Tröten, Tore. Die Trainer brauchen Erfolge, und so wird dann auch gespielt. Es stimmt, eine WM ist kein Fußballfest mehr, es wird viel taktiert und eher vorsichtig gespielt. Aber genau deswegen hebt sich unsere Mannschaft ja auch so wohltuend von den anderen Teams ab, denn sie spielt freier, zügiger und risikoreicher nach vorne. Die anderen wollen vornehmlich nur eines: nicht verlieren. Und so sehen dann auch viele Spiele aus. Das wird leider so bleiben.