Bremen. In Bremen kommen die Hamburger nicht über einen Punkt hinaus, behaupten aber ihre Tabellenführung. Handtore sorgen für Aufregung.

Die Stimmung im ausverkauften Weserstadion war großartig, das Spiel intensiv und teilweise hektisch, und am Ende gab es im Nordderby zwischen Werder Bremen und dem FC St. Pauli ein gerechtes, aber für beide Teams doch irgendwie unbefriedigendes 1:1 (0:0). „Ich bin kein Freund von Unentschieden“, sagte denn auch St. Paulis Trainer Timo Schultz.

Nach fünf Siegen in der Liga in Folge und dem Weiterkommen im Pokal musste St. Pauli erstmals seit dem 11. September (0:1 in Hannover) erleben, nicht als Sieger den Platz verlassen zu haben. Die Tabellenführung in der Zweiten Liga hat das Team vom Millerntor dennoch verteidigt und den Vorsprung gegenüber den Verfolgern FC Schalke 04 und 1. FC Nürnberg sogar vergrößert.

Tabellenspitze 2. Bundesliga
1. Darmstadt 98 30 / 48:24 / 64
2. Heidenheim 30 / 61:31 / 60
3. HSV 30 / 60:41 / 56
4. SC Paderborn 30 / 61:37 / 50
5. FC St. Pauli 30 / 47:35 / 50
6. Fortuna Düsseldorf 30 / 51:40 / 50
7. Kaiserslautern 30 / 43:38 / 44

„Wir haben heute noch mal alles reingehauen und uns mit dem Ausgleichstreffer belohnt. Am Ende muss man auch mal mit dem Punkt zufrieden sein, auch wenn wir gern drei gehabt hätten“, sagte St. Paulis rechter Außenverteidiger Luca Zander als früherer Bremer.

Trainer Timo Schultz hatte wie angekündigt seine Startelf gegenüber dem 3:2 nach Verlängerung im DFB-Pokal bei Dynamo Dresden leicht verändert. Abstelle von Jackson Irvine bekleidete jetzt Finn Ole Becker die halbrechte Position in der Mittelfeldraute. Zuletzt hatte der 21 Jahre alte Becker am 11. September beim 0:1 in Hannover in der Startelf gestanden. Danach fiel er wegen Adduktorenproblemen einige Wochen aus und kam erst beim 4:2 in Heidenheim in der Schlussminute wieder zum Einsatz. Am Ende belohnte sich Becker mit dem punktbringenden Tor zum 1:1-Ausgleich.

St. Paulis Kapitän sitzt in Bremen auf der Bank

Etwas überraschender war, dass Kapitän und Innenverteidiger Philipp Ziereis auf die Bank musste und in seinen beiden Jobs vom walisischen Nationalspieler James Lawrence ersetzt wurde. Später tauschten sie wieder die Rollen.

Im Tor stand wie geplant wieder Nikola Vasilj, nachdem der von Schultz zum Pokal-Torwart ernannte Dennis Smarsch in Dresden seinen Beitrag zum Erreichen des Achtelfinales geleistet hatte.

Das Weserstadion war mit 42.100 Zuschauenden erstmals seit Februar 2020 wieder ausverkauft, die 2G-Regelung im Zuschauerbereich machte es möglich. Auch der Gästeblock war mit St.-Pauli-Anhängern prall gefüllt. Insgesamt 3800 Karten waren von Werder den Fans des Kiezclubs zur Verfügung gestellt worden.

FC St. Pauli in der Einzelkritik:

Becker beweist seine Klasse – Lawrence zweimal unglücklich

Die Zuschauer sahen von Beginn an eine engagierte Werder-Mannschaft, die nach nur einem Sieg aus den jüngsten fünf Spielen seine Fans mit einem Erfolg gegen den Spitzenreiter versöhnen wollte. St. Pauli wurde defensiv mächtig gefordert und schaffte es kaum einmal, längere Zeit den Ball in den eigenen Reihen zu halten. Eigene Angriffe bekam die bisher torgefährlichste Mannschaft der Liga zunächst gar nicht zustande, weil viele Zuspiele zu ungenau waren. Beckers Torschuss aus 20 Metern, der das Tor deutlich verfehlte, blieb lange der einzige Versuch.

So konnte St. Pauli froh sein, dass Werders Kapitän Niclas Füllkrug (9., 31. und 38. Minute) gleich dreimal das Tor knapp verfehlte und Romano Schmids gefährlicher 18-Meter-Schuss noch knapp abgefälscht wurde und so über das Tor flog.

Wirklich torgefährlich wurde St. Pauli hingegen nur nach einem Freistoß. Den von Leart Paqarada getretenen Ball köpfte Lawrence völlig frei knapp über das Tor (30.). Unmittelbar vor der Pause hatte St. Pauli auch beim Schuss von Werder-Torjäger Marvin Ducksch Glück. Sein Ball zischte knapp über die Torlatte. „Wir konnten froh sein, mit dem 0:0 in die Pause zu gehen“, sagte Timo Schultz später.

Mit der Einwechslung des 2,01-Meter-Stürmers Simon Makienok für den diesmal unglücklich agierenden Maximilian Dittgen setzte Schultz zur zweiten Halbzeit das Signal, sich hier nicht mit einem 0:0 zufrieden geben zu wollen. Tatsächlich kamen die Kiezkicker jetzt auch besser ins Spiel.

Umso kurioser war es, dass mitten in diese Phase Werders Torjäger Marvin Ducksch das 1:0 für sein Team gelang. Nach einem Pass seines Sturmpartners Niclas Füllkrug kam er vor dem aus dem Tor stürmenden Nikola Vasilj an den Ball, legte diesen am St.-Pauli-Keeper vorbei und erzielte das umjubelte 1:0 (62.). Der Treffer hielt auch der Überprüfung durch den Video-Assistenten stand.

Becker gleicht für St. Pauli aus

Die Bremer aber konnten sich nur rund sechs Minuten über das Führungstor freuen, weil St. Pauli seinen Drang nach vorn verstärkte. Und als der Ball nach einigen Pressschlägen auf halbrechts bei Finn Ole Becker landete, schoss St. Paulis Eigengewächs flach ins kurze Eck und überraschte damit Werders Torwart Jiri Pavlenka zum 1:1. „Leider bekommen wir das 0:1 aus einer Umschaltsituation. Das ist eine Qualität der Bremer, das kann man vielleicht nicht immer über 90 Minuten verteidigen. Die Reaktion meiner Mannschaft war top“, sagte Schultz.

Fortan gab sich kein Team mit dem 1:1 zufrieden. Und so gab es noch eine turbulente, teils hektische Schlussphase, in der St. Pauli zweimal dicht vor der Führung stand. Erst rettete Marco Friedl nach einer Eingabe von Kyereh in höchster Not vor Makienok (79.), dann misslang dem völlig freien Kyereh ein Volleyschuss im Strafraum (81.).

Unübersichtlich wurde es, als plötzlich Bremens Mitchell Weiser eine blutende Nase hatte. Er hatte Guido Burgstallers Ellenbogen ins Gesicht bekommen. Dieser war aber seinerseits geschubst worden und hatte keine aktive Bewegung gemacht, sodass sowohl Schiedsrichter Zwayer als auch Videoassistent Brand keine Strafe aussprachen.

St. Pauli jubelt zu früh über zweites Handtor

In der Nachspielzeit jubelten die St.-Pauli-Spieler und über ihnen die eigenen Anhänger aber doch über das Siegtor. Das glaubten sie aber ebenfalls nur kurz. Erneut schritt Videoassistent Brand im Kölner Keller ein und erkannte, dass auch bei dem angeschossenen Makienok die Hand mit im Spiel war. So blieb es beim 1:1, das ein gerechtes Ergebnis war, auch wenn St. Pauli in der zweiten Halbzeit dichter vor einem erneuten Sieg stand. Die Tabellenführung bleibt dem Team jedenfalls erhalten, egal wie Verfolger Regensburg am Sonntag in Ingolstadt spielt.

„Wir können am Ende einer englischen Woche, mit den 120 Minuten in Dresden am Mittwoch, mit dem Punkt gut leben, auch wenn wir am Ende einen Tick näher am Sieg waren. Für solche Stadien und so eine Stimmung, für St. Pauli gegen Bremen gibt es Fußball. Das hat Spaß gemacht“, fasste Philipp Ziereis schließlich seine Gefühle zusammen.

Wie seine Mitspieler kann er sich über zwei freie Tage freuen, erst am Dienstagnachmittag beginnt die Vorbereitung auf das Heimspiel gegen den SV Sandhausen am kommenden Sonntag.

Werder Bremen gegen FC St. Pauli – die Statistik

SV Werder Bremen

Pavlenka – Veljkovic, Friedl, Jung – Agu (77. Weiser), Gruev, Schmid (84. Schönfelder) – Mbom, Rapp (84. Groß) – Füllkrug (90.+4 Dinkci), Ducksch. – Trainer: Anfang

FC St. Pauli

Vasilj – Zander, Medic, Lawrence (77. Ziereis), Paqarada – Aremu (77. Benatelli) – Becker, Hartel (67. Irvine) – Kyereh – Burgstaller (88. Matanovic), Dittgen (46. Makienok). – Trainer: Schultz

Tore

1:0 Ducksch (62.)1:1 Becker (67.)

Schiedsrichter

Felix Zwayer (Berlin)

Zuschauer

42.100 (ausverkauft)

Gelbe Karten

Friedl (4), Ducksch (4), Rapp (4), Schönfelder – Medic (3), Burgstaller (3)

Erweiterte Statistik (Quelle: deltatre)

Torschüsse: 13:15Ecken: 7:2Ballbesitz: 43:57 %Zweikämpfe: 119:113

1/7