Hannover. Die so stark gestarteten Hamburger enttäuschen bei Hannover 96. Ein früherer HSV-Profi hat entscheidenden Anteil.

Mit hängenden Köpfen verließen die Spieler des FC St. Pauli den Rasen der HDI Arena. Hatte sie die Aussicht auf die Tabellenführung etwa mental und körperlich gelähmt statt zusätzlich motiviert? Die 0:1 (0:1)-Niederlage beim bisherigen Tabellen-17. Hannover 96 war auf jeden Fall vor allem wegen der schwachen ersten Halbzeit für St. Pauli verdient. Das Team von Trainer Timo Schultz fiel vorerst auf den fünften Platz zurück und kann an diesem Sonntag auch noch von Nürnberg, Darmstadt und Schalke überholt werden und ins Tabellenmittelfeld zurückfallen.

Tabellenspitze der 2. Bundesliga
1. Heidenheim 34 / 67:36 / 67
2. Darmstadt 98 34 / 50:33 / 67
3. HSV 34 / 70:45 / 66
4. Düsseldorf 34 / 60:43 / 58
5. FC St. Pauli 34 / 55:39 / 58

„Viel Ballbesitz heißt nicht unbedingt, dass man auch die Spielkontrolle hat“, sagte Schultz nach dem Spiel angesichts der trügerischen Statistik, dass sein Team 62 Prozent der Spielzeit den Ball in den eigenen Reihen hatte. „Im Endeffekt ist uns nicht genug eingefallen, um Hannover wehzutun“, sagte der insgesamt unglücklich agierende Torjäger Guido Burgstaller.

St. Paulis Vasilj rettet gegen Hannovers Beier

Trainer Timo Schultz hatte exakt dieselbe Startelf wie beim 2:0 gegen Jahn Regensburg vor knapp zwei Wochen auf den Rasen der HDI Arena geschickt. Er vertraute dabei auf der Position des rechten Außenverteidigers wieder Jannes Wieckhoff (21) und gab ihm den Vorzug vor Adam Dzwigala. Luca Zander hatte nach auskurierter Sprunggelenksverletzung in der Woche zwar schon wieder mittrainiert, für einen Platz im Kader aber reichte es noch nicht.

Dass beide Teams viel Respekt voreinander hatten, war in der Anfangsphase nicht zu übersehen. Beide minimierten im Spielaufbau das Risiko, entsprechend ergaben ich auf beiden Seiten nur wenige gute Torchancen. Die zunächst beste Möglichkeit für Hannover hatte ihren Ursprung denn auch in einem Ballverlust von Afeez Aremu in der eigenen Hälfte. Den Kopfball von Maximilian Beier wehrte St. Paulis Torwart Nikola Vasilj mit der linken Hand gerade noch ab (9. Minute). Beim Nachsetzen fand Lukas Hinterseer keinen Abnehmer mehr im Strafraum.

St. Pauli verschläft die erste Halbzeit

Im Anschluss kochten die Emotionen hoch, als beim Konterversuch St. Paulis Torjäger Guido Burgstaller von Jannik Dehm rüde von den Beinen geholt wurde. Burgstaller sprang auf, ging wütend auf Dehm zu, sagte ihm aus nächster Nähe ein paar Worte. Stirn an Stirn standen sich beide gegenüber, Schiedsrichter Florian Lechner zeigte beiden Gelb

Mit zunehmender Spielzeit übernahmen die 96er mehr und mehr das Spielgeschehen, während das Team vom Millerntor bei seinen eigenen Angriffsversuchen viel zu wenig Durchsetzungsvermögen hatte und dazu im Passspiel zu ungenau agierte, um überhaupt einmal gefährlich zum Abschluss zu kommen. Der einzige Torschuss in der ersten halben Stunde war denn auch nur ein ungefährlicher Versuch von Finn Ole Becker, der für Hannovers Keeper Ron-Robert Zieler kein Problem darstellte.

Ex-HSV-Profi Hinterseer leitet St. Paulis Niederlage ein

Lange schien es, als könne St. Pauli wenigstens ohne Gegentor in die Pause gehen, um sich neu sortieren. Doch auch diese Hoffnung erfüllte sich nicht, weil die Niedersachsen dann doch einmal die Nachlässigkeiten des Gegners nutzte. Ausgangspunkt war diesmal ein Ballverlust von Marcel Hartel. Die Flanke von Niklas Hult leitete St. Paulis Innenverteidiger Jakov Medic per Kopf unglücklich weiter auf Hinterseer. Dessen Schuss konnte Vasilj zwar noch abwehren, aber nur vor die Füße des heranstürmenden Sebastian Kerk, der aus kurzer Distanz das 1:0 (39.) erzielte.

Hannovers Sebastian Kerk feiert sein goldenes Tor gegen den FC St. Pauli.
Hannovers Sebastian Kerk feiert sein goldenes Tor gegen den FC St. Pauli. © Getty Images | Frederic Scheidemann

Letztlich hatte St. Pauli noch Glück, nur mit 0:1 in die Pause gehen zu können. Nach einer erneuten Unsicherheit im eigenen Strafraum kam Hult frei zum Schuss, den Vasilj stark abwehrte.

In der Pause versuchte Trainer Schultz, mit der Einwechslung von Rico Benatelli anstelle des enttäuschenden Stürmers Simon Makienok einen neuen Impuls zu setzen. Daniel-Kofi Kyereh rückte von der Zehner-Position vor in die vorderste Angriffsreihe neben Burgstaller, Hartel ging dafür auf die Zehn.

Medic scheitert an der Latte

Tatsächlich war St. Pauli fortan spielbestimmender, doch richtig gute Chancen aus dem Spiel konnte das Team zunächst kaum kreieren. Immerhin hatte Innenverteidiger Jakov Medic zweimal die Möglichkeit, nach einer Ecke per Kopf (61. und 84.) den Ausgleich zu erzielen. Beim ersten Versuch flog der Ball noch deutlich über das Tor, beim zweiten prallte er an die Latte. Dazwischen hatte er gerade eingewechselte Christopher Buchtmann (63.) mit einem Flachschuss von der Strafraumgrenze Hannovers Torwart Ron-Robert Zieler zu einer Glanzparade gezwungen.

Am Ende hatte St. Pauli bei Kontern der 96er aber auch noch Glück, nicht höher in Rückstand zu geraten. „Die Niederlage haben wir uns selbst zuzuschreiben“, sagte der oft mutig nach vorn spielende Jannes Wieckhoff nach dem Spiel.

„Wir haben bis zum gegnerischen Sechszehner zwar viel richtig gemacht, hatten aber zu viele Ballverluste, und im Umschalten ist Hannover ja auch nicht so schlecht“, sagte Timo Schultz. „Wir können uns über die Niederlage nicht beschweren. Wir haben unsere Überzahlsituationen nicht gut ausgespielt. Und wenn wir uns mal durchgespielt haben, haben wir unseren Mann im Strafraum nicht gefunden, weil Hannover immer noch einen Fuß dazwischenhatte. Hätten wir zielstrebiger gespielt, hätten wir einen Punkt mitnehmen können.“

St. Paulis schwarze Auswärtsserie geht weiter

Seine Mannschaft ist nun allerdings saisonübergreifend auswärts seit sechs Punktspielen ohne Sieg und hat dabei nur ein Tor erzielt. Um in der Tabelle oben dranzubleiben, muss also die bisher makellose Heimbilanz am kommenden Sonntag fortgesetzt werden. Gegner FC Ingolstadt, der gleichzeitig 0:3 gegen Werder Bremen verlor, kommt da scheinbar ganz recht.

Und wie sah Timo Schultz jetzt die verpasste Chance auf Platz eins? „Ich hatte es überhaupt nicht auf dem Zettel, dass das heute möglich war“, sagte er.

Hannover 96 – FC St. Pauli: die Statistik

Hannover 96

Zieler – Dehm, Franke, Börner, Hult (85. Krajnc) – Ondoua – Ernst, Frantz (8. Kerk) – Beier (72. Stolze), Maina (84. Ochs) – Hinterseer. - Trainer: Zimmermann

FC St. Pauli

Vasilj – Wieckhoff, Medic, Lawrence, Paqarada (78. Dittgen) – Aremu (63. Irvine) – Becker (63. Buchtmann), Hartel – Kyereh – Makienok (46. Benatelli), Burgstaller. – Trainer: Schultz

Tor

1:0 Kerk (39.)

Schiedsrichter

Florian Lechner (Hornstorf)

Zuschauer

16.100

Gelbe Karten

Dehm (2), Ondoua, Ernst (2) – Burgstaller (2), Aremu, Kyereh

Erweiterte Statistik

Torschüsse: 14:9Ecken: 6:5Ballbesitz: 40:60 % Zweikämpfe: 100:89

1/7