Zweite Bundesliga

Die Gründe für St. Paulis Aufschwung im Abstiegskampf

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Carsten Harms
Omar Marmoush, Leart Paqarada, Guido Burgstaller und Rodrigo Zalazar (v. l.) im Jubel vereint.

Omar Marmoush, Leart Paqarada, Guido Burgstaller und Rodrigo Zalazar (v. l.) im Jubel vereint.

Foto: Stefan Puchner / dpa

Erfolgreiches Aufbäumen in Unterzahl, Winterzugänge und Burgstallers Comeback sind entscheidende Faktoren.

Hamburg.  Am Montagvormittag durften sich die Fußballprofis des FC St. Pauli nicht mit ihren liebsten Spielgeräten beschäftigen. Statt mit dem Ball zu arbeiten, Steilpässe und Torschüsse zu üben, die am Tag zuvor beim 4:3-Sieg in Heidenheim so gut funktioniert hatten, ging es mit voller Besetzung zum Dauerlauf auf den schneebedeckten Wegen des Niendorfer Geheges. „Es war rutschig und eisig“, berichtete später St. Paulis letzter Winterzugang, der Norweger Tore Reginiussen (kam aus Trondheim).

Das gemeinsame Laufen bot den Spielern immerhin die Gelegenheit, noch einmal entspannt über die Geschehnisse des Sonntags zu plaudern, die die vorläufige Krönung einer in dieser Form nicht unbedingt zu erwartenden Entwicklung des Teams waren. Dabei war der Start ins neue Jahr nach der zweiwöchigen Weihnachtspause mit dem 1:2 in Fürth noch misslungen. Seither aber holte das Team von Trainer Timo Schultz elf Punkte aus sechs Spielen und erzielte dabei beachtliche 13 Tore.

Dazu konnten die St. Paulianer im erfolgreichen Januar gleich drei Negativserien beenden. Der 3:2-Erfolg bei Hannover 96 war der erste Dreier nach zuvor 13 sieglosen Spielen in Folge und dazu der erste außerhalb Hamburgs seit März 2019. Jetzt konnte das Team auch den Heidenheim-Fluch beenden. Vor dem 4:3 am Sonntag hatte es in sechs Versuchen in der Voith-Arena ausschließlich Niederlagen gesetzt.

FC St. Pauli: Eine Halbzeitpause als Knackpunkt

Wenn die sportlich Verantwortlichen beim FC St. Pauli nach den Gründen für den aktuellen Aufwärtstrend gefragt werden, wird immer wieder die Halbzeitpause des Nachholspiels bei den Würzburger Kickers genannt. Drei Tage nach der Niederlage in Fürth war St. Pauli am 6. Januar beim Schlusslicht durch einen Strafstoß in Rückstand und zudem durch die Gelb-Rote Karte gegen Marvin Knoll in Unterzahl geraten.

Es war eine fa­tale Situation ausgerechnet in dem Nachholspiel, das man beim Betrachten der Tabelle gern schon als gewonnen dazugerechnet hatte. „Es ist ein Ruck durch die Mannschaft gegangen“, sagte später Trainer Timo Schultz über das interne Geschehen zur Halbzeit in der Kabine.

Am Ende gab es zwar „nur“ ein 1:1, doch der Wille war erkennbar, sich nicht den Umständen und dem Gegner zu ergeben, sondern sich zu wehren. Das Ergebnis war eine couragierte Leistung und der Ausgleich durch Rico Benatelli. Auch wenn das reine Ergebnis nur mäßig war, löste das Spiel aber offenbar die Trendwende aus. Das späte Siegtor in Hannover durch den 17 Jahre jungen Igor Matanovic hatte weitere Signalwirkung.

Rückschlag gegen Bochum wirft St. Pauli nicht um

„Die vergangenen Wochen waren absolut positiv. Das hat schon begonnen in der Phase, in der es nicht so gut lief. Da waren wir auch schon füreinander da und haben uns gepusht“, berichtete jetzt Daniel-Kofi Kyereh, dem beim Sieg in Heidenheim sein fünftes Saisontor glückte, indem er einen Freistoß flach unter der hochspringenden Abwehrmauer hindurchschoss. Allein diese freche Szene war ein Beleg für ein wiedergewonnenes Selbstvertrauen.

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Auch das 2:3 gegen das Topteam des VfL Bochum konnte den grundsätzlichen Trend nicht beenden. „Wir sind mit dem Rückschlag gut umgegangen und positiv geblieben“, sagte Kyereh weiter.

Tore Reginiussen vor Debüt im Abstiegsgipfel

Ein weiterer wichtiger Grund für den Aufwärtstrend ist die neue Personalsituation. Zum einen haben die bisher eingesetzten vier Winterzugänge einen ordentlichen bis guten Eindruck hinterlassen. Der fünfte neue Spieler, Innenverteidiger Tore Reginiussen (34), fühlt sich bereit, am kommenden Freitag gegen Sandhausen sein Debüt für St. Pauli zu geben, wie er am Montag sagte. Der Norweger soll mit seiner internationalen Erfahrung dem Team noch mehr Stabilität verleihen.

Wie dies funktionieren kann, beweist seit seinem Startelfcomeback gegen Kiel (1:1) Stürmer Guido Burgstaller (31) eindrucksvoll – und zwar nicht nur wegen seiner vier Treffer, die er seither schon erzielt hat. „Guido ist ein absolut wichtiger Baustein in unserer Mannschaft. Mit ihm vorn ist es für uns alle leichter mitzuziehen. Wir haben es jetzt geschafft, eine stabile Achse zu haben“, sagte Kyereh.

Zu dieser Achse soll möglichst durchgehend bis zum Saisonende auch James Lawerence in der Innenverteidigung gehören, der in Heidenheim erstmals wieder nach seiner Wadenverletzung zur Startelf gehörte. „Es tut uns gut, wie James da hinten steht und von hinten herausspielt“ lobte Trainer Schultz den walisischen Nationalspieler nach dem Heidenheim-Spiel.

St. Pauli siegt in Heidenheim – die Bilder:

St. Pauli kann auch Nürnberg unten reinziehen

Schon die kommenden Spiele werden zeigen, wie die St.-Pauli-Spieler mental mit dem Aufschwung umgehen, ob sie weiter bereit sind, an die Grenzen zu gehen oder sich wieder eine gewisse Bequemlichkeit einschleicht. Einen Anlass, sich zurückzulehnen, gibt es jedenfalls nicht, wie allein der Blick auf die Tabelle und die jüngsten Ergebnisse der hinter St. Pauli platzierten Konkurrenten zeigen. Auch Eintracht Braunschweig und der SV Sandhausen konnten zuletzt unerwartete Siege einfahren, sogar die lange abgeschlagenen Würzburger Kickers schöpfen nach ihrem 2:1 gegen Fortuna Düsseldorf wieder Hoffnung.

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Durch die Aufholjagd des Quartetts am Tabellenende hat sich der Kreis der gefährdeten Teams vergrößert. Vor allem der 1. FC Nürnberg hat nach sechs sieglosen Spielen in Serie, davon zuletzt vier Niederlagen, nur noch einen Punkt mehr als St. Pauli. Es scheint bestens zu passen, dass die Hamburger in knapp zwei Wochen bei den Franken antreten.

Schultz traut St. Pauli "gute Rolle" zu

Zuvor steht am Freitagabend das ebenso wichtige Heimspiel gegen den SV Sandhausen auf dem Plan, der gerade Nürnberg 2:0 besiegte. „Wenn wir so weitermachen wie jetzt, werden wir eine gute Rolle in der Rückserie spielen und am Ende genug Punkte haben. Welche Mannschaften dann hinter uns stehen, ist egal“, sagte Schultz zur Situation. Das klang ganz schön selbstbewusst.

Zunächst musste sich der unter einem Nierenstein leidende Trainer am Montag aber zum Arzt begeben, um das weitere Vorgehen zu besprechen. Positiv für Schultz: Dabei ergab sich, dass ein operativer Eingriff zunächst nicht nötig ist.

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