Hamburg. Anfang der Saison war Himmelmann noch Stammtorwart beim FC St. Pauli. Nun wurde er vom Mannschaftstraining ausgeschlossen.

Grau, kalt und nass war es am Montagvormittag auf dem Trainingsgelände des FC St. Pauli an der Kollau-
straße. Ekelige Verhältnisse, in die man nicht einmal den sprichwörtlichen Hund hinausschicken möchte. Wohl aber offenbar einen aussortierten Torwart. Robin Himmelmann arbeitete also allein mit Torwarttrainer Mathias Hain an seinen „Skills“ (Fähigkeiten). Stunden, bevor die Kollegen am Nachmittag ihrem Job nachgingen. Auch die drei weiteren Schlussleute Dejan Stojanovic, Svend Brodersen und Dennis Smarsch.

Die Degradierung der langjährigen Nummer eins hat damit beim FC St. Pauli einen weiteren Tiefpunkt erfahren. „Es ging jetzt darum, eine Konstellation zu finden, mit der wir bestmöglich für die kommenden schweren Aufgaben gewappnet sind", begründete Sportchef Andreas Bornemann die Personalentscheidung. Tatsächlich ist dieser Ausschluss vom Mannschaftstraining nicht nur ein Wink mit dem Zaunpfahl, sondern mit einem kompletten Gatter: Such dir einen neuen Club. Und zwar schnell.

Die Art und Weise wirkt kalt und gnadenlos in einer Art, die wenig St.-Pauli-like scheint. Die aber durchaus schon öfter beim Abschied verdienter Spieler vorgekommen ist. Seit dem Sommer 2012 steht der 31 Jahre alte Himmelmann bei St. Pauli unter Vertrag. Er ist damit der dienstälteste Spieler im Kader. Und spätestens seit seiner Vertragsverlängerung im Sommer 2019 auch einer der Besserverdienenden. „Er hat sich seinen Stellenwert mit guten Leistungen erarbeitet“, sagte der damalige Sportchef Uwe Stöver. Diese Einschätzung hat sich nun geändert.

St. Pauli will Himmelmann loswerden

Ende Juni läuft Himmelmanns Vertrag ohnehin aus, aber wenn er vorher geht, entlastet das den Gehaltsetat des Vereins. Anders ist die Degradierung von der Nummer eins zur nicht gebrauchten Nummer vier kaum zu erklären. „Ich bin topfit, kerngesund und hatte bislang nicht die Ambition, diesen Verein zu verlassen“, teilte Himmelmann nach der Verpflichtung von Stojanovic vor einer Woche auf Instagram mit.

Insgesamt 184 Pflichtspiele hat der Torwart seit seinem Profidebüt am 19. Mai 2013 bestritten. Neben seinen sportlichen Leistungen hat er sich auch außerhalb des Platzes profiliert. Himmelmann hat eine hohe Identifikation mit dem Verein und seinen immer wieder hervorgehobenen Werten, unterstützt diverse soziale Stiftungen und hat sich auch politisch klar positioniert. Seit September gehört er der „Task Force Zukunft“ an, mit der die DFL mögliche neue Wege für den Profifußball diskutieren und aufzeigen will.

„Wir hatten uns im Trainerteam dazu entschieden, auf der Position des Torhüters etwas zu verändern", sagte Trainer Timo Schultz: „Dass Robin nicht mehr unsere Nummer 1 ist, hat ausschließlich sportliche Gründe". Das kann man sogar nachvollziehen. Mit 1.87 Metern Körpergröße ist Himmelmann wahrlich kein Hüne, seine Defizite sind durchaus bekannt. „Der Fußball entwickelt sich, Freistöße und Eckbälle werden immer wichtiger“, sagt Bornemann, „wie sich der Torwart im Strafraum bewegt, ist immer mehr ein entscheidender Faktor – und das ist nicht eine seiner Stärken.“

Himmelmann mit schlechter Torwart-Bilanz

Im Torwart-Ranking des Statistik-Dienstes InStat belegte Himmelmann nach den ersten zehn Spieltagen der Zweiten Liga in dieser Saison nur Platz 19 von insgesamt 22 erfassten Keepern. Dazu kommt, dass er ein eher ruhiger Typ ist, keiner der laut und extrovertiert seine Kollegen hinstellt, sortiert oder auch mitreißt – so wie es der neuverpflichtete Dejan Stojanovic gleich bei seinem Debüt gegen Holstein Kiel (1:1) gezeigt hatte.

Genau solche einen Spieler aber will Timo Schultz, der die fehlende Kommunikation der Spieler im Match oft kritisiert hatte. „Wir wussten, dass Dejan ein sehr lauter Torwart ist. Das zeigt er auch im Training“, sagte Schultz. „Mit Dejan, Guido Burgstaller und James Lawrence, wenn er wieder fit ist, sieht das schon ganz anders aus. Es ist sehr wichtig, dass eine Stimmung auf dem Platz ist.“

Himmelmann-Degradierung deutete sich an

Das alles ist zu akzeptieren. Erstaunlich ist nur, dass es für diese Erkenntnis eine komplett vermurkste Herbstserie brauchte. Dass sich Burgstaller schwer verletzen würde, war nicht absehbar, klar. Dass aber die drei Innenverteidiger Philipp Ziereis, Christopher Avevor und Lawrence eine lange Verletzungsgeschichte haben und damit potenziell anfällig sind, war bekannt. Ebenso die fehlende „Führungsfähigkeit“ von Spielern wie Daniel Buballa oder Marvin Knoll. Die Nachbesserungen am Kader jetzt in der Winterpause wirken da wie Notreparaturen von Defekten, die man eigentlich schon im Sommer hätte erkennen können.

„Wir waren jetzt bei Robin ja nicht auf der Suche nach einem Schuldigen“, betont Bornemann, „aber es ist doch legitim, auf einer zentralen Position Veränderungen herbeizuführen.“ Dass etwas im Busch ist, hatte Schultz schon nach der 1:2-Niederlage in Braunschweig angedeutet. „Ich werde auch Positionen auf den Prüfstand stellen, die bisher unantastbar waren“, sagte er: „Vielleicht ist jetzt der Zeitpunkt gekommen, die alten Erbhöfe zu streichen.“ Es war Himmelmanns letztes Spiel für den FC St. Pauli. Wahrscheinlich für immer.