Fußball

St. Pauli gegen Heidenheim: Ein Kampf gegen die Horrorbilanz

| Lesedauer: 6 Minuten
Carsten Harms
Finn Ole Becker (l.) wurde im April nach seinem Platzverweis von seinem damaligen Mitspieler Richard Neudecker getröstet. Daneben steht Niklas Dorsch (r.) vom 1. FC Heidenheim.

Finn Ole Becker (l.) wurde im April nach seinem Platzverweis von seinem damaligen Mitspieler Richard Neudecker getröstet. Daneben steht Niklas Dorsch (r.) vom 1. FC Heidenheim.

Foto: WITTERS

Der FC St. Pauli erlebte bisher in Heidenheim fünf Niederlagen, einen Armbruch und einen schnellen Platzverweis.

Hamburg.  Es wird schon der sechste Versuch sein, den der FC St. Pauli an diesem Sonntag (13.30 Uhr, Sky und Liveticker abendblatt.de) unternimmt, um erstmals in seiner Vereinsgeschichte wenigstens einen Punkt beim 1. FC Heidenheim zu ergattern. „Das ist doch alles nur Statistik“, kommentiert Trainer Jos Luhukay die bisherige Horrorbilanz seines Clubs. „Es ist ein neues Spiel mit neuen Möglichkeiten. Es liegt ein gutes Stück an uns selbst und an unserem Verhalten, um selbst Tore zu schießen und Gegentore zu verhindern. Wir wollen dem Gegner auf Augenhöhe begegnen.“

Dieses Vorhaben ist im übertragenen Sinne nicht utopisch, schließlich gehen beide Teams punktgleich (jeweils 13) und als Tabellennachbarn in den elften Spieltag. Rein physisch betrachtet sieht es mit der gleichen Augenhöhe dagegen schon deutlich schwieriger aus. Gleich vier Spieler der erwarteten Heidenheimer Startelf warten mit einer Körperlänge zwischen 1,89 und 1,94 Meter auf. Aufseiten St. Paulis kann da von den Akteuren der nahe liegendsten Startformation nur der 20 Jahre alte Florian Carstens mit seinen 1,91 Metern mithalten, weil Abwehrchef James Lawrence (1,88) noch mit einer Kniereizung ausfällt.

Stürmer Boris Tashchy (1,92 Meter) und Mittelfeldspieler Johannes Flum (1,90) besitzen zwar ähnliche Staturen, dürften aber zunächst nur auf der Ersatzbank Platz nehmen. Zudem bleibt Luhukay bei seinem Plan, dass Innenverteidiger Philipp Ziereis (1,89) und Stürmer Henk Veerman (2,01) im Rahmen ihrer Wiedereingliederung nach monatelanger Verletzungspause an diesem Sonnabend (13.30 Uhr) noch einmal in St. Paulis U-23-Team Spielpraxis sammeln sollen. Diesmal sollen sie im Match bei Weiche Flensburg 08 erstmals wieder 90 Minuten auf dem Platz sein.

Christian Conteh könnte eine Option sein

Es sei in fast jedem Zweitligaspiel so, dass sein Team dem jeweiligen Gegner in puncto Körpergröße unterlegen sei, stellte Luhukay am Freitag treffend fest. „Wir müssen möglichst Freistöße rund um den Strafraum vermeiden und nicht so viele Ecken herschenken“, führte er aus. Schließlich hat Heidenheim in Person von Kapitän Marc Schnatterer einen herausragenden Schützen und Vorlagengeber bei diesen Standards. „Wir brauchen zudem Robustheit im Zweikampfverhalten im eigenen Strafraum“, sagte Luhukay weiter.

Bei eigenen Angriffen sind Tempo und Wendigkeit meist gute Mittel, um großgewachsnen Gegnern Probleme zu bereiten. Da war es eine gute Nachricht, dass der immens schnelle Christian Conteh am Freitag wieder mittrainieren konnte. „Wie es heute aussah, könnte er für Sonntag eine Option sein, aber nicht für die Startelf“, verriet Luhukay. Innenverteidiger Leo Östigard kehrte unterdessen am Freitag wieder zum Team zurück, nachdem er wegen eines Trauerfalls ein paar Tage in seiner norwegischen Heimat hatte verbringen dürfen.

Becker bewies Spielübersicht und Passgenauigkeit

Bei den Erinnerungen an die bisherigen fünf Spiele St. Paulis in Heidenheim sind allerdings nicht nur die fünf Niederlagen, sondern noch mindestens zwei zusätzliche Negativerlebnisse haften geblieben. Es ist gerade etwas mehr als ein halbes Jahr her, dass der damals noch 18 Jahre alte Finn Ole Becker von Jos Luhukay zur zweiten Halbzeit eingewechselt wurde. Es stand zu diesem Zeitpunkt schon 0:3 gegen St. Pauli. 27 Minuten später musste Becker mit Gelb-Rot den Platz wieder verlassen. „Wenn ich ehrlich bin, war Finn in der zweiten Halbzeit unser einziger Lichtblick. Dass er die zweite Gelbe Karte bekam, war ein bisschen Unerfahrenheit“, sagte Luhukay am Freitag zu dieser Episode in Beckers erstem Auswärtsspiel der Zweiten Liga.

Mutig hatte Becker immer wieder den Ball gefordert und damit mehr angefangen als seine zum Teil deutlich älteren Mitspieler. Er hatte Spielübersicht und Passgenauigkeit bewiesen und sich getraut, auf das Tor zu schießen. Nach einem frühen taktischen Foul legte er sich bei einer Offensivaktion den Ball etwas zu weit vor und traf Heidenheims Patrick Mainka und nicht den Ball. Schiedsrichter Benjamin Cortus zückte zum zweiten Mal Gelb gegen Becker, der den Tränen nahe war.

Ein Jungprofi, der auch Fehler macht

„Mittlerweile hat er schon mehr Erfahrung und lernt von Spiel zu Spiel weiter dazu. Er ist aber noch der Jungprofi, der auch Fehler machen darf“, sagte Luhukay am Freitag. „Finn ist auf einem Weg, der noch lange nicht beendet ist.“ Dieser Weg Beckers bekam durch den Platzverweis und die Sperre von einem Spiel nur einen minimalen Knick. Schon knapp zwei Wochen später stellte Luhukay das Mittelfeldtalent im Spiel in Dresden wieder auf – und zwar in der Startelf.

Es war offenbar die beste Maßnahme, um ihn nach dem Frusterlebnis von Heidenheim wieder aufzubauen. „Ich glaube auch nicht, dass ihn der Platzverweis sehr lange noch beschäftigt hat. Das Spiel war ja gelaufen, seine Gelb-Rote Karte hatte kein Einfluss mehr auf das Ergebnis“, sagte jetzt Luhukay.

Schmerzhaft ausgerutscht in Heidenheim war zuvor auch Ewald Lienen als Trainer des FC St. Pauli nicht nur sportlich. 1:2, 0:2 und nochmals 0:2 lauteten die Ergebnisse für ihn. Beim ersten dieser drei Spiele, am 26. April 2015, rutschte er beim Versuch, einen Ball schnell zurückzuspielen, auf dem nassen Kunstrasen in seiner Coaching-Zone aus, stürzte auf seinen rechten Arm und zog sich einen Bruch der Speiche zu. „Die Schmerzen waren kaum auszuhalten“, gab er später zu. Tapfer brachte er das Spiel an der Trainerbank zu Ende und nahm auch an der für ihn in doppelter Hinsicht wenig vergnüglichen Pressekonferenz teil.

Noch hofft Jos Luhukay, dass dieser Pflichttermin nach dem Spiel am Sonntag für ihn erträglicher wird.

1. FC Heidenheim: Müller – Busch, Mainka, Hüsing, Theuerkauf – Dorsch – Schnatterer, Kerschbaumer – Griesbeck – Leipertz, Kleindienst. FC St. Pauli: Himmelmann – Ohlsson, Carstens, Östigard, Buballa – Becker, Knoll – Miyaichi, Möller Daehli, Sobota – Diamantakos. Schiedsrichter: Thomsen (Kleve).

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