Erst an diesem Mittwoch wollen Präsidium und Aufsichtsrat des FC St. Pauli über Verbleib oder Ablösung von Chefcoach Roland Vrabec befinden.

Hamburg. „Am Mittwoch um zehn Uhr ist das nächste Training – mit mir oder ohne mich“, sagte Roland Vrabec, lächelte dabei süßsauer und entschwand durch die Tür des Medienraumes in die Katakomben des Fürther Stadion am Laubenweg. Wenig später saß der Cheftrainer des FC St. Pauli im Mannschaftsbus und fuhr gemeinsam mit den Spielern, deren erneut schwache Leistung beim 0:3 bei der SpVgg Greuther Fürth aller Voraussicht nach zur Trennung von Vrabec führen wird, die gut 600 Kilometer durch die Nacht zurück nach Hamburg, wo man rund acht Stunden später eintraf.

Hier hatte nach der sportlichen Blamage von Fürth in den Führungsgremien des Kiezclubs bereits hektische Betriebsamkeit eingesetzt. Die Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder verabredeten sich zu Gesprächen, an denen auch Sportdirektor Rachid Azzouzi und Trainer Roland Vrabec beteiligt waren. „Wir analysieren zunächst einmal die Situation“, hieß es aus Führungskreisen. Nach offizieller Sprachregelung gab es jedoch keine außerordentliche Präsidiumssitzung.

Der Aufsichtsrat muss in die Entscheidung in Sachen Cheftrainer aus zwei Gründen eingebunden werden, obwohl es sich hier eigentlich um das vom Präsidium zu verantwortende operative Geschäft handelt. Einerseits könnte das gesamte Finanzvolumen einer Trainerentlassung inklusive Abfindung sowie einer Neubesetzung des Cheftrainerpostens, möglicherweise inklusive eines zusätzlichen Co-Trainers, eine Größenordnung annehmen, die vom Kontrollgremium genehmigt werden muss. Andererseits würde sich ein neuer Trainervertrag auf jeden Fall über das feststehende Amtszeitende des aktuellen Präsidiums erstrecken. Bekanntlich hat der Aufsichtsrat beschlossen, den amtierenden Präsidenten Stefan Orth nicht mehr zur Wahl am 16. November vorzuschlagen, sondern Musikunternehmer Oke Göttlich.

„Die Unzufriedenheit ist groß, das weiß jeder. Die Situation ist nicht einfach, sondern ganz, ganz schwierig. Wir müssen jetzt in Ruhe analysieren und herausfinden, wo wir die Hebel ansetzen können“, sagte Sportdirektor Rachid Azzouzi nach dem 0:3 von Fürth. „Wenn man so Fußball spielt, wie wir das getan haben, hinterfragen wir uns alle. Die Entwicklung geht nicht in die richtige Richtung. Wir müssen aufpassen, nicht ins Hintertreffen zu geraten.“

Damit deutete Azzouzi die lauernde Gefahr an, mit der aktuellen Mannschaft eine Saison im Abstiegskampf bestreiten zu müssen. Dieses Szenario muss angesichts des mutlosen, zaghaften und verunsicherten Auftretens vieler Spieler Angst auslösen. So gut Akteure wie etwa Marc Rzatkowski, Sebastian Maier oder auch Christopher Buchtmann technisch auch ausgebildet sein mögen, für einen Existenzkampf in der Zweiten Liga scheinen sie in ihrer derzeitigen Verfassung ungeeignet.

Gleichermaßen müssen sich Vorstand, Aufsichtsrat und Vorstand die Frage stellen, ob Trainer Vrabec und die Mannschaft es überhaupt noch schaffen können, in gemeinsamer Arbeit und mit gemeinsamer Überzeugung zu besseren Leistungen zu kommen. Zweifel sind in der Hinsicht angebracht. Inzwischen hat sich herumgesprochen, dass es einige Spieler gibt, die Vrabecs emotionale, teils impulsive Art als abstoßend empfinden. Andererseits gelten nicht nur drei bis vier sondern eher sechs bis sieben Spieler als „Problemfälle“ oder „Patienten“, die in ihrer aktuellen, auch mentalen Verfassung zum Teil dem Druck und den Verpflichtungen des Profigeschäfts nicht wirklich gewachsen sind.

Trainer Vrabec traut sich unterdessen weiter zu, den Karren wieder flott zu machen. „Ich verzweifele nicht. Vielmehr ist es mein Job, jetzt weiter zu kämpfen und die Mannschaft besser zu machen. Ich gebe nicht auf und sage: ,ich kann nicht mehr, jetzt soll es mal ein anderer machen’“, sagt Vrabec. „Ich habe immer noch das Gefühl, dass Mannschaft und Trainerteam gut zusammenarbeiten. Am Ende wird sich die Arbeit auch auszahlen.“

Diesen Optimismus teilen längst nicht mehr alle Verantwortlichen beim Kiezclub. Deshalb musste nach Informationen des Abendblatts auch Vrabec am Dienstag den Mitgliedern des Präsidiums Rede und Antwort stehen. „Wenn sie sich gegen mich entscheiden, dann sollen sie es tun“, sagte Vrabec, der seinen Job schon von Beginn an recht nüchtern und realistisch betrachtet hatte. Auch nachdem er vier Siege in seinen ersten fünf Spielen ergattert hatte, war er nicht in Euphorie geraten. „Ich bin da ja nicht jubelnd durch die Stadt gelaufen“, sagte er jetzt.

Nun steht saisonübergreifend eine Bilanz von einem, übereinstimmend als glücklich eingestuften Sieg (2:1 gegen Sandhausen) und 8:17 Toren in den vergangenen neun Punktspielen zu Buche. Dies ist die Bilanz eines Absteigers.

Es ist womöglich die Ironie des Schicksals, dass das Erreichen der zweiten Hauptrunde des DFB-Pokals und die sichere Aussicht auf eine vergleichsweise hohe Einnahme mit dem Spiel gegen Borussia Dortmund den finanziellen Spielraum für einen Trainerwechsel erweitert hat. Auch wenn mit Enis Alushi in der vergangenen Woche noch ein weiterer Spieler verpflichtet wurde und kein anderes Mitglied des Zweitligakaders mehr abgegeben werden konnte, dürfte immer noch genug Geld vorhanden sein, um auch eine externe Lösung in der möglichen Neubesetzung des Trainerpostens zu realisieren.

Dabei wird der frühere Fürther Aufstiegstrainer und zuletzt in Düsseldorf tätige und entlassene Mike Büskens, 46, als Vrabec-Nachfolger gehandelt. Gegen ihn könnte allerdings sprechen, dass er aus Fürther Erfolgszeiten mit St. Paulis Sportchef Azzouzi befreundet ist, der aber seinerseits bei St. Pauli auch nicht mehr unumstritten ist.

Daher gilt St. Paulis U23-Trainer Thomas Meggle, 39, derzeit als Favorit. Mit kurzen Unterbrechungen ist er seit 1999 beim Kiezclub tätig. Kürzlich schlug der frühere Mittelfeldspieler ein Angebot von Zweitliga-Absteiger Dynamo Dresden aus, am vergangenen Wochenende verlängerte er seinen Vertrag bei St. Pauli bis 2017.