Vor Beginn der Saison analysiert Friedhelm Funkel die Ausgangslage. Trainer Torsten Lieberknecht startet mit Braunschweig heute in Düsseldorf.

Hamburg. An diesem Freitag hat das Warten ein Ende. Um 20.30 Uhr startet die Zweite Bundesliga mit dem Duell der Traditionsvereine Fortuna Düsseldorf und Eintracht Braunschweig in die neue Saison. Dabei werden sowohl die Rheinländer als auch der Bundesliga-Absteiger aus Niedersachsen zum Kreis der Teams gezählt, die um den Erstliga-Aufstieg mitspielen könnten. Doch Braunschweigs Trainer Torsten Lieberknecht schiebt die Favoritenrolle lieber anderen zu: „Ingolstadt, Leipzig, 1860 München und Kaiserslautern haben unglaublich viel mehr an finanzieller Kraft. Bei einigen dieser Clubs ist der Druck sehr massiv, weil sie den Aufstieg realisieren müssen.“

Tatsächlich scheinen in dieser Saison, in der es keine Übermannschaft wie zuletzt den 1. FC Köln zu geben scheint, rund die Hälfte der 18 Teams in der Lage zu sein, um den Aufstieg mitzuspielen. Die Zweite Liga, die DFL-Geschäftsführer Andreas Rettich „auf einem tollen Weg“ sieht, ist gleichzeitig das Sammelbecken etlicher Traditionsclubs mit Erstliga-Historie und einiger ambitionierter Emporkömmlinge wie RB Leipzig und FC Heidenheim.

Für das Abendblatt analysiert Trainer Friedhelm Funkel, 60, der zuletzt beim TSV 1860 München unter Vertrag stand, die Zweite Liga und gibt Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Wie steht es um die Bundesliga-Absteiger?

Mit den Traditionsclubs 1. FC Nürnberg und Eintracht Braunschweig kommen zwei Zweitligaschwergewichte ins Fußballunterhaus. Eine längere Verweildauer streben die Franken jedenfalls nicht an. Sportdirektor Wolfgang Wolf formuliert die Zielvorgabe so: „Der ‚Club‘ kann mit einem achten oder einem fünften Platz nicht zufrieden sein. Wir haben alles auf den Kopf gestellt und hinterfragt. Der Aufstieg soll unser Anspruch sein, wir wollen wieder hoch.“

18 Spieler haben die Nürnberger nach dem Abstieg verloren, darunter die Topstars Josip Drmic (Bayer Leverkusen) und Hiroshi Kiyotake (Hannover 96). Doch dies spülte rund 18 Millionen Euro in die Kassen, weshalb Wolf 13 neue Spieler verpflichten konnte. Mit Peniel Mlapa, der von Borussia Mönchengladbach ausgeliehen wurde, und dem Zweitliga-Torschützenkönig Jakub Sylvestr (Aue) wurde ein neuer Angriff installiert. Der 33-Jährige Jan Polak, der vor sieben Jahren mit dem FCN den DFB-Pokal gewann, kehrte als Stratege im defensiven Mittelfeld aus Wolfsburg zurück. „Nur Fußballspielen wird zu wenig sein. Gerade in dieser Liga werden viele Spiele über die Einstellung und das Gewinnen von Zweikämpfen entschieden“, sagt Polak.

Mit Ex-Profi Valerien Ismael, 38, nimmt zudem ein Trainerneuling Platz auf der Bank. Assistiert wird er vom vorigen HSV-Co-Trainer Roger Stilz. Auch wenn 14 von 17 Ligatrainern Nürnberg als Favorit einstufen, glaubt der erfahrene Trainer Friedhelm Funkel nicht zwingend an eine sofortige Rückkehr in die Bundesliga. Er sieht vor allem Geduld und Treue zu Ismael als wichtigen Faktor. „Ich halte ihn für einen tollen Trainer, aber in Nürnberg muss man ihm Zeit geben“, sagt Funkel. „Ich sehe keine Topfavoriten, auch die beiden Absteiger nicht. Sicherlich gehört der FCN aber zum erweiterten Kreis.“

Dazu zählt Funkel auch Braunschweig. „Mit Trainer Torsten Lieberknecht und einem ruhigen Umfeld haben sie die Grundvoraussetzung dazu“, meint auch Funkel. 20 Spieler aus dem letztjährigen Kader konnten gehalten werden. Mit Ermen Bicakic (Hoffenheim), Karim Bellarabi (Leverkusen), Daniel Davari (Grasshoppers Zürich), Dani Kumbela (Karabükspor) und Omar Elabdellaoui (Piräus) haben jedoch auch Leistungsträger den Verein verlassen. Eine eingespielte Formation, gerade im Mittelfeld, könnte dennoch das große Plus der Eintracht zum Saisonstart sein.

Wer sind die Topfavoriten?

Neben den Absteigern Nürnberg und Braunschweig versammelt sich ein illustres Feld an ambitionierten Clubs im Kreise der Bundesligaanwärter. Den größten Druck verspürt man dabei auf dem Betzenberg in Kaiserslautern. Die Erwartungshaltung des kritischen Publikums ist groß, doch der Verein hält sich mit Kampfansagen zurück. Nachdem man als Topfavorit im vergangenen Jahr scheiterte, haben Clubchef Stefan Kuntz und der neue Sportdirektor Markus Schupp einen kleinen Umbruch eingeleitet. Statt großer Namen soll der Teamgeist künftig großgeschrieben werden. Die Toptorjäger Mohamaddou Idrissou (Maccabi Haifa) und Simon Zoller (Köln) haben den FCK verlassen. „Sie haben Spieler abgegeben, die nicht für den Teamgedanken standen, das ist gut“, erklärt Funkel. „Sie müssen fast aufsteigen, aber der Betzenberg kann Festung oder auch Belastung sein.“

Für Funkel zählt auch Aufsteiger RB Leipzig schon im ersten Jahr zu den Topkandidaten. „Ich sehe sie auf jeden Fall unter den ersten sechs Mannschaften“, sagt er. „Sie haben ein exzellentes Umfeld, ein tolles Stadion und können personell durch ihre Finanzsituation auch noch einmal nachlegen.“ Von den aktuellen Zweitligatrainern trauen nur Ingolstadts Ralph Hasenhüttl und der Auer Falko Götz den Leipzigern den Durchmarsch zu. Diese wollen auch noch auf dem Transfermarkt aktiv werden. Ex-Nationalspieler Marvin Compper (Florenz) ist ein heißer Kandidat.

Nach einer enttäuschenden Spielzeit wird auch im Umfeld von Fortuna Düsseldorf wieder von der Erstklassigkeit geträumt. Trainer Oliver Reck, der zum Ende der Saison siebenmal ungeschlagen blieb, hat das Team gemeinsam mit St. Paulis ehemaligem Sportchef Helmut Schulte stark zusammengestellt. Der erfahrene Sergio Pinto (Hannover) ist ebenso gekommen wie der Bremer Lukas Schmitz.

In allen Mannschaftsteilen sind die Rheinländer hervorragend besetzt, Stürmer Erwin Hoffer traf in den Testspielen am laufenden Band. Die Fortuna blieb in der Vorbereitung ungeschlagen. „Das kann auch gefährlich sein“, warnt Funkel, der aber von starken Düsseldorfern ausgeht. „Sie haben einen richtig guten Weg eingeschlagen, sich gut verstärkt. Düsseldorf wird vorne dabei sein.“

Denkbar knapp verpasste Greuther Fürth gegen den HSV im Mai den Aufstieg, weshalb die Franken naturgemäß eine Favoritenstellung einnehmen. Doch viel Qualität ist am Ronhof verloren gegangen, Spieler wie Zoltan Stieber (HSV) oder Mergim Mavraj (Köln) haben den Klassensprung fernab von Fürth geschafft. Mit Kacper Przybylko und Marco Stiepermann sind jedoch ambitionierte Stürmer hinzugekommen. Florian Mohr, der bei St. Pauli aussortiert worden war, konnte sich bislang keinen Stammplatz in der Innenverteidigung erkämpfen.

Wer kann für die große Überraschung sorgen?

Während Union Berlins neuer Trainer Norbert Düwel dem FC Ingolstadt eine Überraschung zutraut, sieht der Ex-Aalener und heutige Ingolstädter Hasenhüttl den VfR in der Lage, in die Spitzengruppe zu rücken. Funkel geht indes von einem seiner früheren Clubs aus: „Ich glaube, der VfL Bochum könnte alle überraschen. Sie haben sehr klug eingekauft und mit Peter Neururer einen Trainerfuchs.“ In der Tat sind mit den Torjägern Stanislav Sestak, der schon von 2007 bis 2010 in Bochum spielte, und dem Berliner Simon Terodde hochklassige Angreifer verpflichtet worden. Der erfahrene Jan Simunek (Kaiserslautern) soll als neuer Abwehrchef fungieren.

Wer sind die Stars der Liga?

Aufsteiger RB Leipzig trumpft mit dem Namen Khedira auf. Der vom VfB Stuttgart geholte Rani Khedira, 20, ist aber nur der Bruder des deutschen Weltmeisters Sami Khedira. Dem setzt der FC Ingolstadt mit Lukas Hinterseer einen ebenso prominenten Namen entgegen. Der österreichische Nationalspieler ist der Neffe des Ex-Skirennläufers und heutigen Schlagerstars Hansi Hinterseer. Spektakulär sind die Mittelfeldspieler Eduardo Bedia und Ilie Sanchez, die 1860 München von der zweiten Mannschaft des FC Barcelona geholt hat.

Friedhelm Funkel schaut derweil auf Fortuna Düsseldorf. „Ich bin sehr gespannt auf Stürmer Erwin Hoffer. Er ist ein sehr guter Spieler, der in den vergangenen Jahren viel gewechselt ist und seinen Platz nicht so recht gefunden hat. Unter Trainer Oliver Reck scheint er jetzt aber seine Torgefährlichkeit wiederentdeckt zu haben.“ Zudem empfiehlt Funkel einen Nachwuchsspieler: „Ich habe in der vergangenen Saison Julian Weigl bei 1860 München aus der Jugend hochgezogen. Der Junge ist 18 Jahre alt und ein ganz großes Talent. Er ist in seiner Entwicklung schon sehr, sehr weit und wird, da bin ich mir sicher, auch in der Bundesliga mal für Furore sorgen.“ Auch einem St. Paulianer traut er einiges zu: „Marc Rzatkowski habe ich in Bochum einmal trainiert und halte ihn für einen Spieler mit sehr viel Offensivpotenzial. Aber er muss torgefährlicher werden, fünf bis acht Treffer pro Saison sollten bei seinen Qualitäten Standard sein.“

Was ist vom FC St. Pauli zu erwarten?

„Wenn die Hamburger gut in die Saison kommen, traue ich ihnen Platz fünf zu. So richtig bin ich aber nicht davon überzeugt, dass sie ganz oben mitspielen werden. Aber mit dem Abstieg hat St. Pauli natürlich nichts zu tun. Sie werden einstellig landen, zwischen dem fünften und achten Platz“, sagt Funkel.