St. Paulis Trainer Roland Vrabec kritisiert vor der Partie gegen Greuther Fürth die „Weltuntergangsstimmung“ im Umfeld des Vereins, gibt aber Rückschritte seiner Mannschaft zu.

Hamburg. Roland Vrabec hatte Redebedarf. Bevor die Journalisten ihre Fragen an den Trainer des FC St. Pauli stellen durften, wollte dieser am Donnerstagmittag „erst einmal etwas loswerden“ und tat dies in einem 4:22 Minuten langen Monolog. Er habe das Gefühl, nach den Spielen gegen Ingolstadt (0:0) und Paderborn (0:3) herrsche Weltuntergangsstimmung rund um den Kiezclub. „Insgesamt betrachtet spielen wir aber immer noch eine gute Saison, sind immer noch in Schlagdistanz. Das hätte jeder vorher unterschrieben“, mahnte der 40-Jährige angesichts von Tabellenplatz fünf mit vier Punkten Rückstand auf den Relegationsplatz in bestimmtem Ton an.

Gleichwohl musste Vrabec vor der Partie gegen Greuther Fürth am Freitagabend (18.30 Uhr) eingestehen, dass seine Mannschaft eine Phase durchlebt, in der sie „stagniert und auch Rückschritte zeigt“. Dies gehöre dennoch zur Entwicklung eines jungen Teams, weshalb der Coach an die Zuschauer am Millerntor appellierte. „Ich habe das Gefühl, dass hier nur die Frage gestellt wird, wie hoch wir verlieren. Wir haben dieses Spiel aber noch nicht verloren und brauchen Unterstützung“, sagte Vrabec. „Ich kann versprechen, dass die Mannschaft gegen Fürth in Vorleistung gehen wird, und dann brauchen wir die Fans noch mehr als sonst.“

Damit zielte er auf den Unmut der Anhänger beim Spiel gegen Ingolstadt vor sechs Tagen ab. Lautstarke Pfiffe wie selten zuvor hatte es nach dem harmlosen Auftritt besonders von der Haupttribüne gegeben. Denn das Millerntor ist in dieser Spielzeit längst keine Festung mehr. Seit dem Wiederaufstieg 2007 war St. Paulis Punkteschnitt in Zweitliga-Heimspielen nie so schlecht: Nur 1,38 Punkte holte das Team im Schnitt. Selbst in der vergangenen Spielzeit, als man bis zuletzt gegen den Abstieg kämpfte, gelangen 1,7 Zähler pro Partie. Nach der Trennung von Michael Frontzeck im November sollte Vrabec vor allem am Millerntor wieder für erfrischenden Offensivfußball sorgen. Glanzauftritte legte St. Pauli zuletzt jedoch nur in der Fremde hin.

Konnte Vrabec durch fünf Auswärtssiege zwar für den Sprung an die Aufstiegsränge heran sorgen, so ist seine Heimbilanz gar schwächer als die des Vorgängers. 1,16 Vrabec-Punkten stehen 1,57 Frontzeck-Punkte gegenüber. „Es ist nicht angebracht, jetzt auf die Mannschaft draufzuhauen“, sagt der Trainer. „Ich bin so ehrgeizig, dass ich platzen könnte vor Wut, wenn ich Spiele wie gegen Ingolstadt oder Paderborn sehe“, dennoch könne man von den jungen Akteuren im Kader nicht Woche für Woche Topleistungen erwarten. Um das gesamte Publikum nun wieder mitzunehmen, setzt Vrabec gegen Aufstiegsanwärter Fürth auf die alten St.-Pauli-Tugenden. Statt technisch hochwertigem Fußball fordert er zunächst vor allem Kampfgeist. „Wir müssen jeden Zentimeter umwühlen und jeden Zweikampf annehmen“, erklärt Vrabec.

Dazu wird im dritten Spiel binnen sieben Tagen erneut eine deutlich veränderte Elf auf dem Rasen stehen. Kriterium für einen Startelfeinsatz ist für Vrabec vor allem die Psyche: „Wer ist mental so stark, dass er die zwei Spiele zuvor ausblenden kann, wer geht positiv und voller Tatendrang heran?“

Nach Vrabec’ Appell gehörte die letzte Frage Schülerinnen, die im Rahmen des Girls’ and Boys’ Day bei der Pressekonferenz vorbeischauten. Wie der Tipp des Trainers laute, wollten sie wissen. „2:1 für St. Pauli“, antwortete ein wieder gut gelaunter Vrabec.