Pfiffe am Millerntor bringen St. Paulis Trainer nach einem erschreckend schwachen 0:0 gegen Ingolstadt in Rage. Vrabec: „Es tut mir für die Spieler leid, das haben sie nicht verdient.“

Hamburg. Es war eine Szene, die das vorangegangene Geschehen in nur wenigen Sekunden treffend beschrieb: Torhüter Philipp Tschauner legte sich den Ball seelenruhig zum Abstoß zurecht, nahm Tempo aus dem Spiel und führte nach erheblicher Verzögerung schlussendlich uninspiriert aus. Es lief die Nachspielzeit in einer Partie, in der sich der FC St. Pauli offensichtlich vorzeitig mit einem 0:0-Heimremis gegen den FC Ingolstadt zufriedengegeben hatte. Zahlreiche Fans am Millerntor bewog dies jedoch erstmals seit Jahren zu lautstarken Pfiffen.

Die ausgebliebenen Liebesbekundungen von Teilen des Anhangs brachten Trainer Roland Vrabec am Sonntagvormittag auch mit dem Abstand von einer Nacht noch in Rage. „Ich kann den Unmut der eigenen Fans nicht verstehen, besonders vor dem Hintergrund der letzten Saison und unserer Entwicklung in diesem Jahr“, schimpfte der sichtlich angefressene Coach. „Ich kann nur appellieren, die Mannschaft weiter zu unterstützen, denn sie hat sehr viel gegeben und wird auch noch viel geben. Es tut mir für die Spieler leid, das haben sie nicht verdient, denn sie spielen eine sehr positive Saison.“

Dass Tschauner im Heimspiel mit einem schnellen Abschlag nicht noch einmal ein Signal gesetzt, einen letzten Angriff eingeleitet hatte, verteidigte der 40-Jährige vehement. „Ich muss aufpassen, wie ich mich jetzt ausdrücke“, schickte Vrabec vorweg, um dann doch kräftig auszuteilen: „Wenn du nicht ganz blind bist, ein bisschen Ahnung von diesem Spiel hast, dann musst du erkennen, dass man in einem solchen Spiel einen Punkt mitnehmen und damit zufrieden sein muss. Für alles andere fehlt mir jegliches Verständnis.“

Auch Tschauner hatte unmittelbar nach der Partie mit Teilen des Publikums gebrochen. „Die, die pfeifen, sind keine Fans. Unsere richtigen Fans haben uns 90 Minuten lang unterstützt, doch die anderen sollten sich mal überlegen, welche Situation wir uns erarbeitet haben“, sagte der Torhüter angesichts der weiter aussichtsreichen Tabellenlage mit nur einem Punkt Rückstand auf Relegationsplatz drei. Da die Konkurrenten aus Paderborn und Fürth, auf die St. Pauli nun trifft, zuvor nur Remis gespielt hatten, war aber wieder einmal eine große Chance zum Sprung nach oben ausgelassen worden.

Die Art und Weise, wie die Hamburger über 90 Minuten die Partie gegen Ingolstadt gestaltet hatten, ließ zudem den Schluss zu, dass St. Pauli für höhere Aufgaben schlichtweg nicht bereit ist. Nicht eine einzige gefährliche Torchance hatte sich das Team gegen einen zwar gut organisierten, aber nicht herausragenden Gegner erspielen können. 17:7 Torabschlüsse wies die Statistik zugunsten der Gäste aus Bayern aus. Zu keinem Zeitpunkt der Partie war es gelungen, Druck auf Ingolstadts Abwehrreihe auszuüben. Was St. Pauli den 28.301 Zuschauern bot, war schlichtweg erschreckend harm- und ideenlos.

In der 82. Minute konnten Beobachter erstmals eine gelungene Ballstafette über fünf Stationen notieren. Da aber hatten die Gastgeber eigentlich längst kapituliert. „Wir wurden immer kleiner, haben uns immer weniger zugetraut und einfach ein richtig schlechtes Spiel gemacht“, gab Vrabec zu. Was er dann jedoch hinzufügte, war bemerkenswert. Man habe nach 70 Minuten bereits gewusst, dass an diesem Tag nichts gelingen würde, und sich deshalb bemüht, die defensive Ordnung zu halten: „Mit dem Wissen, dass nach vorne nichts geht. Vor zwei Monaten hätten wir irgendwelchen Aktionismus gezeigt, Flugbälle nach vorne geschlagen und vielleicht einen Konter gefangen.“ Dass deshalb ein Punkt dabei herausgesprungen war, bezeichneten Trainer und Spieler als Lernprozess. In Wahrheit hatten die Gäste zahlreiche Gelegenheiten leichtfertig ausgelassen.

Ingolstadts Trainer Ralph Hasenhüttl hatte heimischen Journalisten erklärt, man sei von der fehlenden Aggressivität des Gegners überrascht gewesen. „Wenn wir zu Hause so gespielt hätten, wären wir aus dem Stadion gepfiffen worden“, sagte er und erntete am Tag danach Kritik von Vrabec. Hasenhüttl solle sich auf seine Mannschaft konzentrieren. Im Spiel zuvor gegen Frankfurt habe Ingolstadt schließlich auch nicht besser gespielt. „Da hätte ich auch was sagen können, habe ich aber nicht“, antwortete Vrabec.

Innerhalb von nur 74 Stunden zwischen dem Abpfiff am Sonnabend und dem Anpfiff in Paderborn am Dienstag (17.30 Uhr) muss Vrabec seiner Elf das Auswärtsgesicht verpassen. „Ich bin nicht der Typ, der vor irgendetwas wegläuft, aber es ist tatsächlich nicht schlecht, wenn wir jetzt auswärts spielen“, sagte der Trainer. Die Chance zur Versöhnung am Millerntor bekommt St. Pauli weitere 70 Stunden später gegen den Tabellenzweiten Fürth.