Im Ingolstädter Trikot kommt Ralph Gunesch am Wochenende nach Hamburg. Zwei Jahre ist er nun schon in Bayern, doch ein St. Paulianer ist er nach vielen Jahren am Millerntor immer geblieben.

Ingolstadt/Hamburg. Natürlich freut er sich sehr auf den Sonnabend. St. Pauli, Millerntor. Das ist ein Stück Herzensheimat. Immer noch und in alle Zukunft. Sagt Ralph Gunesch, auch wenn er jetzt seit knapp über zwei Jahren beim FC Ingolstadt spielt, rund 700 Kilometer entfernt. „Das Spiel gegen St. Pauli ist das erste, auf das ich schaue, wenn der Spielplan herauskommt“, sagt der Verteidiger, „ich müsste lügen, um zu sagen, es sei ein normales Bundesligaspiel.“

Siebeneinhalb Jahre insgesamt hat er für den FC St. Pauli gespielt. Er hat den Aufstieg von der dritten Liga in die Bundesliga mitgemacht, er war 2005/06 bei der legendären B-Serie im Pokal dabei, die bis ins Halbfinale führte. Das alles prägt. „Als ich am Millerntor vergangenes Jahr erstmals für Ingolstadt aufgelaufen bin, war das ein komisches Gefühl“, erzählt er, „es war alles so vertraut, der Empfang durch die Fans war superfreundlich, aber ich hatte ein anderes Trikot an.“

Seit Januar 2012 spielt er in Ingolstadt, ein „Nacht-und-Nebel-Wechsel“. „Ich hatte einen Tag Zeit, mich zu entscheiden, das Angebot kam unmittelbar vor Ende der Transferperiode. Das war schon sehr schwer“, erinnert sich Gunesch. Aber das Geschäft ist eben Profifußball und „kein Wunschkonzert“.

Sein Vertrag bei St. Pauli lief im Sommer aus, der damalige Trainer André Schubert hatte im Wintertrainingslager bereits signalisiert, dass er nicht mehr so sehr auf Gunesch setzen werde. „Und Ingolstadt suchte einen erfahrenen Verteidiger im Abstiegskampf.“

Und so ist eben Gunesch und mit ihm ein Stück St. Pauli runter nach Bayern gekommen. Denn Ralph Gunesch hat ja nicht einfach seine Ideen und Einstellungen mit dem braunen Trikot abgelegt. „Du kannst einen Spieler aus St. Pauli herausnehmen, aber nicht St. Pauli aus dem Spieler“, sagt er. Das heißt eben auch Verantwortung übernehmen als ein Vorbild, das heißt Stellung beziehen zu sozialen Themen. Gunesch macht genau das auch in Ingolstadt. Wie bei den Aktionen nach rassistischen Schmährufen gegen den Mitspieler Danny da Costa im Herbst. Gunesch hatte die Idee zum Motto „Rechts außen? Nur im 4-3-3!“.

Ein T-Shirt wurde erstellt, auch jeder Gastverein bekommt eins vor dem Spiel überreicht. „Rassismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen“, sagt Gunesch. Ingolstadt ist ein junger Verein, er wird auch wesentlich durch den ansässigen Automobilhersteller Audi finanziert, mit der gewachsenen Kultur auf St. Pauli lässt sich das nicht vergleichen, aber es gibt wohl zarte Ansätze: „Unsere Kurve ist bunt, wir haben Platz für jeden“, stand am vorletzten Spieltag auf einem Plakat in der Fankurve. „Das hat mich gefreut.“

Sein Vertrag läuft am Saisonende aus, noch weiß Gunesch nicht, was wird. Solange der Club noch in Abstiegsgefahr schwebt, wird es auch keine Entscheidung geben. Er würde aber gern bleiben: „Wenn du eine 3 vorne beim Alter stehen hast, dann hast du auch nicht mehr so viel Auswahl.“

Die unmittelbare Zukunft also ist noch unklar, die entferntere dagegen schon: „Wenn die Karriere mal zu Ende ist, dann wird mein Lebensmittelpunkt wieder Hamburg sein.“ St. Pauli ist aus Ralph Gunesch eben nicht mehr herauszukriegen.