St. Paulis Trainer Vrabec betreibt mit Sieg über Cottbus Eigenwerbung. Azzouzi will mit anderen Kandidaten sprechen

Hamburg. Den Trainingstag danach hatte Roland Vrabec gestrichen. Seine Mannschaft hatte beim 3:0-Sieg über Energie Cottbus das abgerufen, was der neue Cheftrainer des FC St. Pauli fordert, und wurde kurzerhand mit einem freien Dienstag belohnt. Voll des Lobes waren Spieler und Verantwortliche nach dem ersten Heimerfolg seit dem 14. September über das Debüt des 39-Jährigen. Nur fünf Tage nach der Entlassung von Michael Frontzeck herrschte demonstrative Harmonie rund ums Millerntor. „Jeder weiß, dass Roland von Fußball richtig Ahnung hat. Er hat eine sehr klare Ansprache und hat uns top eingestellt“, erzählte Innenverteidiger Sören Gonther. Präsident Stefan Orth gönnte sich noch einen Seitenhieb auf Frontzeck und sagte am TV-Mikrofon bei „Sky“: „Unsere Heimspiele waren mir bislang zu lethargisch. Deshalb waren wir auch nicht himmelhochjauchzend bereit, den Vertrag zu verlängern. Heute war das anders. Das war Vollgas in der Offensive.“

Vrabec hatte einen wechselhaften Auftritt seines Teams gesehen, an dessen Ende durch Tore von Fin Bartels (35. Minute), Sebastian Schachten (70.) und Markus Thorandt (73.) der höchste Saisonsieg heraussprang. Für den Sportwissenschaftler hatte dies vor allem psychologische Gründe. Mitte der ersten Halbzeit habe man zu wenig Ballsicherheit gehabt, nach der Pause fehlte der Zugriff, erkannte Vrabec Mängel im Spiel St. Paulis. „Aber anders als in den vergangenen Wochen haben wir immer an uns geglaubt“, lobte er. „Zu Beginn der zweiten Hälfte hatte ich das Gefühl, dass Zweifel aufkamen, deshalb bin ich froh, dass die Jungs den Glauben nicht verloren und sich belohnt haben.“

Überzeugung und Mut hatte der Trainer vor der Partie gefordert und davon gesprochen, es brauche diesen einen Moment, der seinen Spielern dazu verhelfen würde. „Vielleicht war das so ein Spiel, wo wir gemerkt haben, dass wir es können“, sagte Vrabec. „Vielleicht war das der Dosenöffner.“ Dort hatte der bisherige Co-Trainer den Hebel angesetzt. Sportlich wollte er nur Nuancen verändern, hatte er ohnehin zuvor bereits die tägliche Trainingsarbeit weitgehend geleitet. So ließ Vrabec seine Mannschaft, wie von Frontzeck schon in Kaiserslautern eingeführt, in einem leicht offensiveren Spielsystem mit Rautenformation im Mittelfeld und zwei Stürmern auflaufen. Während Christopher Buchtmann als zentraler defensiver Mittelfeldspieler die Angriffe einleitete, gab Spielmacher Florian Kringe davor den Ballverteiler. Die Spitzen Christopher Nöthe und Bartels harmonierten zeitweise hervorragend. „Wir haben Risikobälle gesucht, waren mutiger als in den Heimspielen zuvor“, erklärte Gonther Vrabecs Ausrichtung.

Der Trainer hatte die kollektive Spieltagsvorbereitung im Hotel abgeschafft, nur Gonther, Nöthe und Marc Rzatkowski hielten sich im Radisson Blu am Dammtor auf. „Wir haben zusammen Nudeln gegessen, einen Spaziergang gemacht – das brauche ich einfach. Zu Hause hätte ich sicher den ganzen Tag mit meiner Tochter spielen wollen“, scherzte Gonther, der sich freute, „endlich mit einem Sieg in die Länderspielpause“ gehen zu können.

Wenn St. Pauli in zwei Wochen auswärts beim VfR Aalen (24. November) antritt, wird Vrabec sein zweites von sechs Bewährungsspielen bestreiten. In der Winterpause soll entschieden werden, ob der diplomierte Fußballlehrer dauerhaft Chef der Kiezkicker wird.

Sportchef Rachid Azzouzi hatte bereits vor der Partie gegen Cottbus angekündigt, man werde in jedem Falle in den kommenden Wochen auch Gespräche mit anderen Kandidaten führen. Dies sei mit Vrabec abgesprochen. Vielleicht suche man aber auch einen Trainer, der genau wie er sei. Zu jenen potenziellen Anwärtern auf den begehrten Trainerposten St. Paulis wird Clubidol Holger Stanislawski indes nicht gehören. Während Azzouzi noch am Sonntag im NDR „Sportclub“ erklärte, man habe sich darauf verständigt, Namen nicht zu kommentieren, schloss Orth im „Sky“-Interview Stanislawski „als nächsten Trainer auf jeden Fall“ aus.

Vrabec gab sich nach seinem gelungenen Einstand bescheiden: „Wenn die Spiele weiterhin so positiv laufen, ist die Chance sicherlich größer“, erklärte er, auf seine Zukunft angesprochen. Sollte man sich für einen erfahreneren Chef entscheiden, freunde er sich aber auch mit der Rolle als Co-Trainer wieder an.