Vor dem Spiel gegen den FC St. Pauli spricht Bochums neuer Trainer Peter Neururer im Abendblatt über Geld, Stress und seinen Herzinfarkt.

Hamburg . Wer ihn auf dem Handy anruft, hört statt eines langweiligen "Tuut, tuut" sofort die Rock-Hymne "Born To Be Wild". Der Steppenwolf-Klassiker als Warteschleifenmusik, das passt zu Peter Neururer. Ein wildes Trainer-Leben hat der 57-Jährige in der Tat hinter sich. Bei Clubs wie Schalke 04, Hannover 96, Hertha BSC, 1. FC Köln oder Rot-Weiß Essen verdingte er sich mit mal großem, mal bescheidenem Erfolg als Retter. Im Juni 2012 erlitt er einen schweren Herzinfarkt. Jetzt hat er wieder beim VfL Bochum angeheuert, dem Verein, mit dem er 2004 sensationell den Uefa-Cup erreichte. Natürlich wieder als Retter, der VfL steckt im Abstiegskampf. Sein erstes Spiel gewann Neururer 2:0 in Cottbus, am heutigen Freitag (18 Uhr) muss sein Team gegen den FC St. Pauli ran.

Hamburger Abendblatt: Herr Neururer, mit Verlaub, Sie müssen ein bisschen verrückt sein.

Peter Neururer: Wieso?

Im vergangenen Juni lagen Sie nach einem schweren Hinterwand-Herzinfarkt vier Tage im künstlichen Koma. Und jetzt wollen Sie auf der Zielgeraden einer Saison einen Abstiegskandidaten retten. Der Stress ist doch extrem gefährlich für Sie.

Neururer: Stress hatte ich in den Jahren zuvor, als ich keinen Job hatte. Das machte mich fertig und war bestimmt auch eine Ursache für den Infarkt. So zwei, drei Monate nichts tun ist ja in Ordnung. Harley fahren, Golf spielen, mal nach Marbella fliegen. Aber dann werde ich ungenießbar. Zu meiner Frau, zu meinen Kindern, sogar zu unserer Putzfrau, wenn ich ihr erklären will, wie sie den Staubsauger halten soll.

Was sagen Ihre Ärzte?

Neururer: Die sind völlig einverstanden. Ich habe medizinische Werte wie ein jüngerer Mensch, der nie ein Herzproblem hatte.

Dennoch gibt es kaum eine größere Stress-Situation wie eine Retter-Mission im Profifußball.

Neururer: Aber das ist positiver Stress. Ich stehe jeden Morgen um 7 Uhr mit einem Lächeln auf und fahre zum Clubgelände, erledige vor dem Training dies und das. Am liebsten würde ich immer bis ein Uhr nachts bleiben. Das ist mein Leben. Meine Freunde sagen mir: Endlich bist du wieder der Alte.

Brauchten Sie nach dreieinhalb Jahren ohne Job vielleicht auch Geld?

Neururer: Wenn ich nach so vielen Trainerjahren noch darauf angewiesen wäre, dann hätte ich irgendetwas falsch gemacht. Oder meine Frau, die sich bei uns um die Finanzen kümmert. Ganz ehrlich, ich weiß nicht einmal, wie viel Geld ich beim VfL verdiene.

Sie haben doch einen Vertrag.

Neururer: Wir haben nicht eine Sekunde über Finanzielles gesprochen. Den ersten Kontakt gab es auf einem Golfplatz. Kurze Zeit später habe ich mich mit der Vereinsführung getroffen und sofort zugesagt.

Haben Sie etwa auf dem Platz das Jobangebot bekommen, wo Sie den Herzinfarkt erlitten haben und reanimiert werden mussten?

Neururer: Genau da. Ich bin auch direkt nach meiner Reha wieder dorthin gefahren. Sechsmal habe ich das Loch 17, wo es passierte, wieder gespielt. Ganz allein. Das war wichtig für mich.

Hätten Sie auch einen anderen Club in einer ähnlich schwierigen Situation übernommen?

Neururer: Nein, das habe ich nur für den VfL gemacht. Normalerweise darf man einen solchen Job nicht annehmen. Denn ganze sechs Spieltage vor Schluss kannst du eigentlich nur noch die Stimmung im Team positiv beeinflussen und für eine mögliche Trendwende sorgen. Die Zeit ist einfach zu kurz. Und das Risiko, das ich eingehe, ist enorm. Denn wenn es doch schiefgehen sollte, werde ich neben dem VfL der große Verlierer sein. Dann kriege ich auf die Birne. Jedoch wird sich diese Frage am Ende der Saison nicht stellen. Wir bleiben drin.

Würden Sie in der Dritten Liga bleiben?

Neururer: Ja, für keinen anderen Club der Welt, aber für den VfL. Ich habe Bochum unendlich viel zu verdanken. Ich konnte hier völlig frei arbeiten, habe Freunde fürs Leben gefunden.

Viele Fans des FC St. Pauli mögen Sie auch sehr. Am Millerntor wurden Sie stets freundlich begrüßt.

Neururer: Stimmt, das war schon so, als ich mit Köln gegen St. Pauli antreten musste. Und das ist 17 Jahre her. Ich liebe diesen Club ja auch. Gerne hätte ich dort mal als Trainer gearbeitet. Leider kam es nie zu Gesprächen.

Mit einem Sieg könnten Sie St. Pauli wieder in den Abstiegskampf stürzen.

Neururer: Ach was, der Michael (Frontzeck, die Red.), der ein ganz feiner Mensch ist, hat doch schon genügend Punkte. Rechnerisch fehlen vielleicht noch zwei oder drei. Aber die holt er auch noch in den nächsten Spielen.

Hat Sie der Infarkt eigentlich verändert?

Neururer: Ich bin gelassener geworden, weil ich jetzt am eigenen Leib erfahren habe, dass von einer auf die andere Sekunde alles vorbei sein kann. Und natürlich habe ich mit der Qualmerei sofort aufgehört. Es wäre ja bescheuert, wenn ich das gegen den strikten Rat der Ärzte noch machen würde.

Wie schwer war das Aufhören?

Neururer: Ich habe Schmacht, wenn neben mir jemand raucht. Ich habe ja gerne gequalmt. Aber ich bin total konsequent. Da gibt es null Rückfallgefahr.

Werden Sie sich wirklich die Haare in Blau, also der Bochumer Vereinsfarbe färben, wenn Sie die Klasse halten?

Neururer: Klar, und das Logo kommt auch noch rein, dann ist ja zum Glück Sommerpause. Irgendeine Aktion musste ich anbieten. Meinen Schnäuzer wollte ich aber nicht wieder opfern, denn dann verlässt mich meine Frau. Und das ist es nicht wert.