St. Paulis Sören Gonther feiert nach 14 Monaten Verletzungspause beim 2:4 gegen Kiel in der U23 sein Comeback. Azzouzi zollt dem 26-Jährigen „großen Respekt“.

Hamburg. Die "Hells Bells", zu denen St. Paulis Profis am Millerntor einlaufen, fehlten. Und dennoch war für Sören Gonther auch ohne den AC/DC-Klassiker der große Gänsehaut-Moment gekommen. Um 18.29 Uhr betrat der Verteidiger am Dienstagabend nach 437 Tagen Pause den Rasen des Stadions, um für St. Paulis U23 in der Regionalliga gegen Holstein Kiel anzutreten. "Ich war den ganzen Tag schon nervös, habe mich zuhause vorbereitet, als sei ich im Mannschaftshotel", berichtete er. Unter den Augen von Trainer Michael Frontzeck, den Co-Trainern Thomas Meggle, Mathias Hain, Sportchef Rachid Azzouzi, Vizepräsident Jens Duve und 944 Zuschauern feierte Gonther bei der 2:4 (0:0)-Niederlage sein Debüt im Trikot St. Paulis. 14 Monate war er zuvor nach zwei Kreuzbandrissen und einem Muskelfaserriss ausgefallen. "Es war ein Traum, wieder dabei zu sein. Ich habe mir noch 25.000 Fans mehr dazugedacht", freute sich Gonther.

Für ihn war dieser 16. April 2013 wie ein Neustart in die Profikarriere. Nach anfänglich leichten Problemen im Zweikampf-Timing, gab der 26-Jährige gegen den Tabellenführer anschließend einen souveränen Abwehrchef. Es passte ins Bild, dass auch er es war, der nach 61 Minuten die erste Gelbe Karte sah.

Seit seinem Wechsel zu St. Pauli im vergangenen Sommer hatte er stets nur gehofft, "wieder ein normaler Fußballspieler sein" zu können. Am 3. Februar 2012 hatte sich der Abwehr-Allrounder bei seinem Ex-Club Paderborn im Spiel gegen Union Berlin das Kreuzband gerissen. Seine Laufbahn war gerade richtig in Schwung gekommen. Bereits mit 21 Jahren hatte er in Paderborn das Amt des Vizekapitäns übernommen. Clubs wie St. Pauli und Eintracht Frankfurt meldeten Interesse an. Doch die 68. Minute in Paderborn datiert seither den letzten Zweitliga-Einsatz des 26-Jährigen. Es folgte eine schier endlose Leidensgeschichte.

Trotz der schweren Verletzung kam es zum Transfer nach Hamburg, Gonther unterschrieb am 23. März für zwei Jahre. Zunächst verlief sein Heilungsprozess gar schneller als erwartet, doch als der gelernte Innenverteidiger im August wieder ins Training einstieg, riss das Kreuzband erneut. Erneut folgten unzählige Stunden Reha, Radfahren und Aquajogging. Den Mut verlor der Musterprofi dennoch nie. "Sören ist ein überaus ehrgeiziger Kerl. Er hat nie nachgelassen und verdient deshalb großen Respekt", attestiert Sportchef Rachid Azzouzi.

Zum Jahreswechsel hatte Gonther angekündigt, "eine Rakete mit der Aufschrift '2012' ganz weit weg schießen" zu wollen. Symbol des Neustarts. Doch schon in der Vorbereitung bremste ihn das Verletzungspech erneut aus. Das Knie hielt zwar, ein Muskelfaserriss war diesmal Folge der Belastungen. Aufgeben kam jedoch nie in Frage. "Meine Motivation ist der Wunsch, wieder Fußball spielen zu wollen", sagte Gonther: "Und das hier am Millerntor vor diesen tollen Fans. Das ist für mich jeden Tag Ansporn genug, mich richtig reinzuhängen." Den Moment, wenn Trainer Michael Frontzeck ihn demnächst zum ersten Mal mit der Profimannschaft aufs Feld schicken wird, hat er sich in Träumen schon vielfach ausgemalt. "Der Trainer wechselt mich ein, ich mache gleich im ersten Spiel ein Tor, ein entscheidendes. Ganz egal wie", erklärte Sören Gonther.

Gedanken über ein Karriereende hat sich der intelligente Profi (Abitur 2,0) zwar bereits öfter gemacht, nicht jedoch aufgrund seiner Verletzungsmisere. Gonther hat einen klaren Plan: Er will zurück ins Fußballgeschäft, die Karriere nach der Karriere aber mit einem Studium der Wirtschaftswissenschaften frühzeitig vorbereiten. Dass 2013 für ihn schon jetzt das prägendste Jahr seines Lebens ist, liegt jedoch hauptsächlich an der Geburt seiner Tochter Paula Mathilda, die am 28. Februar zur Welt kam. "So ein Kind verändert alles, auch den Blick auf die Dinge", sagt Gonther.

Der erste Schritt zurück ins Fußballerleben ist mit dem Einsatz gegen Kiel geglückt. Angesichts der personellen Notlage in der Defensive St. Paulis könnte sein Traum von der Rückkehr in die Zweite Liga schon bald folgen. Azzouzi freut sich für die kommende Spielzeit schon jetzt auf einen echten Neuzugang: "Wenn er auf dem Platz steht, übernimmt er auch Führungsaufgaben. Ich hoffe, dass die Leidenszeit nun vorbei ist."

Nach 68 Minuten war sein gelungenes Comeback beendet. Es dauerte exakt so lange, wie damals an jenem 3. Februar 2012. Diesmal soll es jedoch der Anfang einer Erfolgsgeschichte gewesen sein.