In der dramatischen Schlussphase sah erst Ginczek Rot, Jahn Regensburg traf zum 2:2 - doch dann jubelte der FC St. Pauli über den 3:2-Sieg.

Hamburg. Wenn sich 30 Männer alle gegenseitig umarmen wollen, braucht das seine Zeit, und so verbrachten Spieler, Trainer und Betreuer des FC St. Pauli etliche Minuten nach dem Abpfiff am Mittelkreis. Die Emotionen mussten raus nach dem für die Hamburger glücklichen Ende eines Fußballspiels, das die 27.074 Zuschauer so schnell nicht vergessen werden.

Normalerweise beginnt ein Spielbericht mit der ersten Hälfte, doch das, was sich vor den 87 Minuten abspielte, konnte bei weitem nicht mit den kuriosen Ereignissen in der Schlussphase mithalten. Mit 2:1 hatten die St. Paulianer geführt, nichts deutete darauf hin, dass sich das Team von Michael Frontzeck noch die drei Punkte nehmen lassen würde. Doch dann leistete sich Daniel Ginczek ein hartes Foul gegen den ehemaligen St. Paulianer Christian Rahn, sprang ihm von hinten in die Beine. Schiedsrichter Marcel Unger hatte keine andere Chance, als dem Torjäger Rot zu zeigen. "Er grätscht rein, wollte den Ball blocken", urteilte Frontzeck gnädig, während Fabian Boll meinte: "Da kann man sich schlauer anstellen. Als junger Spieler wird man aus solchen Situationen lernen."

Nach dem Platzverweis überstürzten sich die Ereignisse. Der Tabellenletzte aus Regensburg suchte seine letzte Chance und kam nur zwei Minuten später zum Ausgleich durch Wilson Kamavuaka (89.). Entsetzen auf den Rängen! War es das mit den erhofften drei Punkten, dem Befreiungsschlag im Abstiegskampf? Nein! Nur eine Minute später schlug St. Pauli zurück, als Fabian Boll mit einer Grätsche ablegte und der eingewechselte Florian Bruns den Ball über die Linie drückte (90.).

So wirkte das 3:2 am Ende wie das Ergebnis eines dramatischen, ereignisreichen Spiels. Ein Klasse-Spiel hatten die glücksseligen Fans aber nicht gesehen, im Gegenteil. St. Pauli tat sich schwer gegen spielstarke Regensburger. Dabei deutete zu Beginn alles auf den erwarteten Spielverlauf hin. Nach nur 13 Sekunden hatte Dennis Daube die 1:0-Führung auf dem Fuß, zielte aber aus kurzer Distanz ungenau. Angesichts der Personalprobleme - Lennart Thy konnte in Aalen nicht überzeugen, Fin Bartels und Christopher Buchtmann sind verletzt - durfte Daube im zentralen Mittelfeld auflaufen und setzte gleich ein Zeichen.

Doch schnell wurde deutlich, dass es für St. Pauli kein Selbstgänger werden würde, das 1:0 durch Akaki Gogia kam eher überraschend. Zudem hatte der Außenspieler Glück, dass sein Schlenzer noch abgefälscht wurde (18). Die Freude über die Führung hielt denn auch nur kurz an. Dass es den St. Paulianer nicht gelang, das Spiel zu beruhigen und defensiv stabil zu stehen, rächte sich: Weil sich der indisponierte Jan-Philipp Kalla und Christopher Avevor bei einer langen Flanke verschätzten, konnte sich Sergio Koke um Markus Thorandt drehen und zum 1:1 treffen (23.) Für Philipp Tschauner war es zugleich das Ende einer Miniserie: der erste Gegentreffer nach 300 Minuten.

In der Folge lief der Ball kaum einmal über mehrere Stationen, St. Pauli agierte viel zu hektisch, während die Gäste immer selbstbewusster wurden und vor der Pause zwei große Chancen zur Führung vergaben. Erst verfehlte Julian Wissmeier knapp (35.), dann traf Sebastian Nachreiner mit seinem Schuss aus 18 Metern nur die Querlatte (42.). Die Hamburger kamen nur noch ein einziges Mal durch Daube gefährlich vor das gegnerische Tor (43.).

Weil sich an der Harmlosigkeit seines Teams auch zu Beginn der zweiten Hälfte nichts änderte und Regensburg erneut zwei Großchancen durch Kamavuaka vergab (57.) brachte Frontzeck nach knapp einer Stunde Marius Ebbers für Daube sowie Fabian Boll für Kalla. Während Boll ins Mittelfeld rückte, übernahm Patrick Funk die Position auf der rechten Abwehrseite.

Es schien das richtige Signal gewesen zu sein. St. Pauli wirkte nun entschlossener - und machte das zweite Tor. Nach einem Kringe-Schuss landete der Ball bei Daniel Ginczek, der von der Strafraumgrenze abzog und den Ball unter die Latte jagte (67.): Schon sein fünfter Treffer in den vergangenen drei Spielern. Die Lobeshymnen für Ginczek, die Nicht-Abstiegsversicherung St. Paulis, waren schon vorbereitet - bis zu jener 87. Minute. Er wird St. Pauli in den wohl mindestens drei Partien Pause sehr fehlen. Aber bei nun 32 Punkten sollte Frontzecks Team nicht mehr wirklich in Abstiegsnot geraten. "Fußballerisch war es sicher nicht toll", gab Boll zu, "aber wichtig ist, dass wir die die Hebel ansetzen, wo es im Abstiegskampf nötig ist: Platz umpflügen, grätschen, wo sich was bewegt."