Das 1:0 gegen Kaiserslautern sorgt für versöhnliches Hinrundenende. Dank Defensivstärke und Ginczek ins Tabellenmittelfeld.

Hamburg. Die Ansage kam von höchster Stelle. Stefan Orth hatte sich kurz vor dem Anpfiff in die Mannschaftskabine des FC St. Pauli begeben und den Spielern geraten, "heute etwas für das Torverhältnis" zu tun. Der Präsident schloss mit einem Augenzwinkern, wissend, dass die Hamburger gegen die einzige noch ungeschlagene Mannschaft im deutschen Profifußball die Rolle des krassen Außenseiters einnehmen würden. Insofern war Orth nach dem glücklichen, letztlich aber nicht unverdienten 1:0-Erfolg über Kaiserslautern trotz des verpassten Schützenfestes mehr als zufrieden: "Ich bin stolz auf die Jungs", lobte Orth, der die 90 Minuten in zwei Sätzen zusammenfasste: "Wir haben die Anfangsphase mit Glück überstanden, aber die zweite Halbzeit war die beste der Saison!"

Tatsächlich schien zunächst alles auf die zweite Heimniederlage hinauszulaufen. Schweigend sahen die im Rahmen der bundesweiten Fanproteste zwölf Minuten und zwölf Sekunden lang stillen 21 045 Zuschauer, wie Azaouagh das Außennetz traf (4.), Jan-Philipp Kalla per Querschläger den eigenen Pfosten anschoss (9.) und auch Borysiuks Torversuch nur vom Aluminium die Belohnung verwehrt wurde (10.). Als Idrissou per Kopf zum dritten Mal den Pfosten des St.-Pauli-Tors prüfte und die Chancenstatistik auf 5:0 schraubte, waren noch keine elf Minuten gespielt! Ein Debakel schien sich anzubahnen.

Stattdessen aber biss sich die Mannschaft von Michael Frontzeck in die Partie, attackierte früh, stellte dem Aufstiegskandidaten die Räume zu und erspielte sich nach dem Seitenwechsel ihrerseits Tormöglichkeiten. Dass der Pfosten dann in der 67. Minute beim Tor des in der Offensive erneut herausragenden Daniel Ginczek für St. Pauli Pate stand, passte zum Spiel. Völlig frei stehend, stolperte der 21-Jährige das Zuspiel von Christopher Buchtmann aus fünf Metern erst nach Doppelpass mit dem Gestänge im zweiten Versuch ins Netz und entschied damit die intensive Partie, deren Verlauf hervorragend als Schablone für die laufende Spielzeit 2012/2013 passt. Gerade so, als wollten die Spieler ihren Fans zum Hinrundenausklang eine 90-minütige Retrospektive der jüngsten vier Monate liefern.

"Wir haben die ersten Spiele komplett vergeigt, beim 0:3 in Regensburg war dann der Tiefpunkt erreicht. Und als wir vier Wochen später mit acht Punkten auf Platz 17 standen und zu Hause 0:2 gegen Dresden zurücklagen, da ist jedem von uns mal kurz schwarz vor Augen geworden", blickt Abwehrchef Markus Thorandt zurück. Sieben Punkte holten Thorandt und Co. aus den ersten neun Spielen, unter Frontzeck sind es nun 14 aus acht. Der neue Trainer hat den Punkteschnitt von 0,78 auf 1,75 mehr als verdoppelt.

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Neben der Effizienz Ginczeks basiert der Erfolg vor allem auf einer nachhaltig verbesserten Abwehrarbeit. "Wir haben es jetzt geschafft, stabil zu werden und den schlechten Start zu relativieren", bilanziert Thorandt. "Es gelingt uns, relativ hoch zu stehen und viele Bälle abzulaufen." Mit der neuen Sicherheit kamen die Ergebnisse. Frontzecks Erste-Hilfe-Maßnahmen griffen. "Jede erfolgreiche Mannschaft spielt aus einer stabilen Defensive heraus. Auch die Jahrhundertelf der Fohlen hatte ihre Betonfüße drin, die den Laden sauber gehalten haben. Hacki Wimmer hat heute seine vierte Hüfte für den Günter Netzer", so der langjährige Mönchengladbacher Frontzeck. "Die Defensive muss immer die Basis sein", findet auch Florian Kringe, "darüber hinaus wird sich dann unsere individuelle Klasse durchsetzen."

Was ist noch möglich? Das interne Ziel Frontzecks, der 20 Punkte zum Überwintern angepeilt hatte, ist zwei Spiele vor der Pause bereits erreicht. "Wenn du Kaiserslautern schlägst, bist du gegen Aue und Ingolstadt noch mehr in der Pflicht. Es sollte unser Anspruch sein, bis dann einen einstelligen Tabellenplatz zu erreichen", fordert Kringe. Weiter nach oben und nach vorne schaut niemand. Zumal die große Baustelle auf den offensiven Außenbahnen auch am Sonnabend unübersehbar war. Verständlich, dass St. Pauli auf den Faktor Zeit hofft. "Es standen fünf Spieler auf dem Platz, darunter die komplette Offensive, die nicht älter als 21 Jahre ist", erinnerte Präsident Orth - ohne Augenzwinkern. Geduld ist gefragt, denn Nachverpflichtungen im Winter sind laut Frontzeck nicht angedacht.