St. Pauli kassiert trotz kämpferisch starker Leistung ein 0:1 bei Aufstiegsfavorit Hertha. Tschauner rettete mehrfach in höchster Not.

Berlin. Dass seine erste Zweitliga-Niederlage als Trainer des FC St. Pauli verdient war, gestand Trainer Michael Frontzeck sofort ein. "Wir haben mit viel Leidenschaft verteidigt. Aber Berlin war die bessere Mannschaft, wir haben zu schlecht nach vorne gespielt", analysierte der Coach unmittelbar nach der 0:1 (0:0)-Niederlage bei Aufstiegsfavorit Hertha BSC Berlin. 85 Minuten hatten die Gäste das Glück und einen starken Torhüter Philipp Tschauner auf ihrer Seite, dann sorgte Stürmer Ben Sahar doch noch für den Knock-out.

Kurz vor Spielbeginn hatten einige Wunderkerzen im Gästeblock gefunkelt - wohl als Zeichen des kleinen Hoffnungsschimmers, auch beim haushohen Aufstiegsfavoriten unbesiegt zu bleiben und die Serie auf sechs Spiele ohne Niederlage ausbauen zu können. Eine kleine Wunderheilung jedenfalls schienen Innenverteidiger Florian Mohr und Top-Torjäger Daniel Ginczek genossen zu haben. Das Duo, um dessen Einsatz zuvor tagelang gezittert werden musste, hatte sich gerade noch rechtzeitig einsatzbereit gemeldet und stand in der Startelf. Mohr ersetzte den gesperrten Abwehrchef Markus Thorandt, zudem brachte Trainer Michael Frontzeck Akaki Gogia anstelle von Christopher Buchtmann, Fin Bartels erhielt somit eine weitere Chance im Offensivzentrum. Die Außenseiterrolle, in die sich die Hamburger vor dem Anpfiff klaglos begeben hatten, behielt aber auch trotz der positiven Nachrichten aus dem Lazarett ihre Berechtigung. Die mehr als 6000 St.-Pauli-Fans im Olympiastadion, darunter auch Präsident Stefan Orth, Vize Jens Duve und Geschäftsführer Michael Meeske, erkannten einen starken Gegner mit herausragenden Zweitligaspielern wie Sami Allagui, Sandro Wagner, dem israelischen Nationalspieler Ben Sahar, Felix Bastians und Roman Hubnik - allein auf der Reservebank.

Ihren Aufstiegsanspruch konnten die Berliner vor 39 127 Zuschauern zunächst indes nicht rechtfertigen. St. Pauli präsentierte sich als geschlossene Einheit, operierte im Kollektiv mit einer Extra-Portion Leidenschaft. Immer wieder halfen sich die Braun-Weißen im Kampf um den Ball, forcierten durch ständiges Doppeln gegnerische Ballverluste und hatten bereits in der sechsten Minute die erste Torchance der Partie, als Bartels eine Gogia-Flanke für einen wuchtigen Kopfball nutzte, allerdings an Torhüter Kraft scheiterte.

Dass es aus dem Spiel heraus bis zum Seitenwechsel die einzige Möglichkeit zur Führung bleiben sollte, lag allein an kleinen Ungenauigkeiten im finalen Passspiel, und dass es generell torlos blieb, an jenem Tschauner, der gegen nach einer halben Stunde immer dominanter werdende Herthaner seine beste Saisonleistung abrief. Der Schlussmann lenkte Ndjengs Schuss an den Pfosten (25.), zeigte gegen Ramos' platzierte Kopfbälle aus kurzer Distanz zwei herausragende Reflexe (42./43.) und parierte per Fußabwehr erneut gegen Ndjeng zur Ecke (48.). "Das sind die bittersten Spiele für einen Torhüter. Lange Zeit hält man die Mannschaft im Spiel und am Ende steht man doch mit leeren Händen da", sollte Tschauner später dennoch sagen müssen.

Spätestens mit dem Seitenwechsel hatte sich nämlich die individuelle Klasse der Mannschaft von Jos Luhukay auch auf das Kräfteverhältnis ausgewirkt. Herthas Druck wuchs minütlich, St. Paulis Konter wurden immer seltener. Dass die Serie von acht sieglosen Abendspielen in dieser Saison ihr neuntes Kapitel erhalten und es nach mehr als 22 Jahren keinen zweiten Sieg bei der Hertha geben würde, schien unausweichlich. Die Frage war einzig, ob Frontzeck seinen Nimbus der Unbesiegbarkeit wahren würde. Tschauner jedenfalls blieb auf seinem Posten, entschärfte weiter bravourös und konnte sich auf Gogia verlassen, der für den geschlagenen Torwart in der 61. Minute per Kopfabwehr auf der Linie klärte.

Machtlos waren der Schlussmann und vor allem Kapitän Jan-Philipp Kalla dann jedoch in der 85. Minute, als die eingewechselten Wagner und Sahar gegen Kalla zum Kopfball hochstiegen und Sahar für den letztlich verdienten Siegtreffer sorgte. "Am Ende war der Druck einfach zu hoch", gab dann auch Verteidiger Mohr offen zu.