St. Pauli strebt heute gegen Union Berlin die Wende an. Obwohl Hoffnungsträger Frontzeck nicht im Stadion sein wird

Hamburg. Auch wenn Michael Frontzeck gestern weder mittendrin noch voll dabei war, schien der designierte Cheftrainer des FC St. Pauli bereits allgegenwärtig. Allein die Nachricht seiner Verpflichtung löste nach den blutleeren Auftritten der vergangenen Woche eine Aufbruchstimmung rund ums Millerntor aus. Einen Tag nach Frontzecks Vertragsunterzeichnung und einen Tag vor dem Zweitligaheimspiel gegen Union Berlin (18 Uhr/Sky und im Liveticker auf abendblatt.de) waren Spieler und Verantwortliche des Klubs daher sichtlich darum bemüht, den öffentlichen Fokus auf die bevorstehende Partie zu lenken.

Denn dort wird Frontzeck weder auf der Trainerbank noch auf der Tribüne Platz nehmen. Der 48-Jährige, der die Trainingsarbeit auf St. Pauli erst am Montag aufnimmt, wird das Spiel im Fernsehen verfolgen. Man habe in dieser Woche alle äußeren Einflüsse beiseite geschoben, erklärte Interimstrainer Thomas Meggle, der gemeinsam mit Timo Schultz und Mathias Hain zum vorerst letzten Mal die Regie an der Seitenlinie übernimmt: "Michael hat uns sein absolutes Vertrauen ausgesprochen und auch der Mannschaft Mut gemacht, sich aber komplett rausgehalten", sagte Meggle.

Eine erste telefonische Kontaktaufnahme gab es auch schon mit dem wiedergenesenen Kapitän Fabian Boll. Die Mannschaft solle sich nicht so viele Gedanken machen, so lautete die Kernaussage des Schubert-Nachfolgers an seine künftige rechte Hand. Boll, der in den vergangenen zwei Spielen wegen Rückenproblemen und einer Grippe nicht in der Startelf gestanden hatte, ließ gestern auch ohne den Neuzugang schon mal den verbalen Startschuss ertönen: "Ab morgen geht für uns die Saison neu los", kündigte der 33-Jährige an.

Für einen Neustart, nach der mageren Bilanz von nur sechs Punkten aus acht Spielen, machte das Trainertrio vor allem fehlende Kompaktheit in den vergangenen Spielen verantwortlich. Entsprechende Schwerpunkte wurden in der zurückliegenden Trainingswoche gesetzt. "Die Abstände zwischen den Mannschaftsteilen müssen geringer gehalten werden", erläuterte Meggle, "denn wenn man nicht kompakt steht, bekommt man riesige Probleme." Drei Gegentore wie in Regensburg hatte die Mannschaft zuletzt Anfang April beim 3:3 in Frankfurt kassiert. Für fehlenden Ertrag auf dem Punktekonto sorgte in den vergangenen Wochen aber auch die desaströse Chancenverwertung. Seit 212 Minuten erzielten die Hamburger keinen Treffer mehr, von 114 Torschüssen landeten in dieser Saison erst vier im gegnerischen Netz. Angst haben diese Zahlen bei den auswärts noch sieglosen Berlinern wahrlich nicht ausgelöst. "Ob uns die Situation in Hamburg in die Karten spielt, weiß ich nicht. Es herrscht dort große Unruhe. Wir treffen wahrscheinlich nicht auf einen Gegner, der voller Selbstbewusstsein ist", sagte Union-Trainer Uwe Neuhaus. Die am Millerntor stets freudig begrüßten Gäste müssen heute auf den gesperrten Fabian Schönheim und die verletzten Verteidiger Patrick Kohlmann und Michael Parensen verzichten.

In St. Paulis Null-Punkte-Woche schafften die Berliner nach ähnlich schwachem Saisonstart bereits die Wende und holten sieben Punkte aus drei Spielen. Besondere Aufmerksamkeit wollte Meggle dem Gegner dennoch nicht zukommen lassen. "Wir wollen unser Spiel durchbringen und haben uns vermehrt mit uns beschäftigt", sagte er. Boll forderte seine Teamkollegen auf, "den inneren Schweinehund zu überwinden" und an die Leistungsgrenze zu gehen. "In solchen Phasen zeigt sich der wahre Charakter einer Mannschaft", erklärte der Vorzeigekämpfer im Trainerduktus. Besser hätte es sein neuer Chef wohl auch nicht ausdrücken können. Doch die Ära Michael Frontzeck beginnt erst mit dem Abpfiff der Partie. Und nach dem Neustart.