Angetrieben von einem spielfreudigen Fin Bartels gelingt St. Pauli beim ersten Sieg der Saison gegen Sandhausen die Wiedergutmachung.

Hamburg. Zunächst mussten sie die große Bühne einem anderen überlassen. Gemeinsam mit seinen Söhnen Raul und Nuno hatte sich Fabio Morena direkt nach dem Abpfiff auf die Stadionrunde begeben. Der 32-Jährige, der bis zum Sommer neun Jahre lang die Kapitänsbinde des FC St. Pauli getragen hatte, verabschiedete sich von seinem Publikum am Millerntor, nachdem er vor 14 Wochen nachträglich zum Aufsteiger SV Sandhausen gewechselt war. Der Mittelkreis geriet zur Warteschleife: St. Paulis Mannschaft verharrte fast andächtig auf dem Feld, nahm teil am Lebewohl für ihren alten Anführer und lauschte den Fans, die Morena das altbekannte Treuebekenntnis mit auf den Weg gaben und an diesem frühen Sonnabendnachmittag damit gleichzeitig das Erfolgsgeheimnis ihres eigenen Teams intonierten: "You'll never walk alone".

Nach dem desolaten Auftritt bei Energie Cottbus, gefolgt von einer intensiven selbstkritischen Analyse, konnten die erkannten Mängel erfolgreich abgestellt werden. Die Mannschaft präsentierte sich wieder als solche. "Ärmel hochkrempeln, Arsch aufreißen!", hatte Mittelfeldspieler Florian Bruns empfohlen, "gegen Sandhausen müssen wir es zeigen", wusste Torwart Philipp Tschauner, während Trainer André Schubert nach drei sieglosen Spielen die Brisanz der Lage herausgestellt hatte: "Der Druck ist hoch. Wir müssen gewinnen." Sie alle hatten Besserung gelobt nach dem 0:2 in der Lausitz und sorgten nun in der Praxis - der weitaus schwierigere Teil - mit der besten Saisonleistung für die Umsetzung. Das Versprechen wurde eins zu eins, oder besser, mit Blick auf das Ergebnis, zwei zu eins umgesetzt.

+++ 2:1 - FC St. Pauli mit erstem Sieg in der Saison +++

+++ Kalla ohne Schneckenhaus, Ebbers stellt die Hausmarke kalt +++

Ein mehr als verdienter Sieg, der bei einem Chancenverhältnis von 12:4 deutlich höher hätte ausfallen müssen. "Bereits die 26:7 Torabschlüsse sprechen eine deutliche Sprache", zitierte Schubert eine weitere einseitige Spielstatistik und lieferte deren Ursachen nach: "Wir haben als Team gearbeitet, geordnet gestanden, Vollgas gegeben, sind vorne drauf gegangen. Null Vorwurf an die Jungs. Sie haben Emotionen und Leidenschaft gezeigt und den Bock endlich umgestoßen."

Qualitäten, über deren Entfaltungsmöglichkeiten man bei einem frühen Rückstand hätte kontrovers diskutieren können. Da Löning mit seinem Kopfball das Tor aber knapp verfehlte (6.) und Fießer Tschauner anschoss (20.), blieb das Thema eine Randnotiz. Mit zunehmender Spielzeit steigerten die Hamburger die ohnehin schon hohe Schlagzahl. Immer wieder ließen sich Marius Ebbers und Mahir Saglik ins Mittelfeld fallen, wichen aus, eroberten Bälle und verteilten sie klug auf die Außenpositionen, wo Florian Bruns und der spielfreudige Fin Bartels mit hohem Laufpensum das Spiel belebten. Das Duo suchte wie auch Dennis Daube im Zentrum und der nimmermüde Jan-Philipp Kalla stets den Weg zum Tor. Saglik und der Außenverteidiger mussten sich nach der Partie wegen Krämpfen behandeln lassen. Aus dem willkürlich agierenden, passiven Haufen von Cottbus war ein williges und harmonierendes Kollektiv geworden, das lediglich beim finalen Pass zu viele Ungenauigkeiten offenbarte und es daher vor allem bei den zweiten Bällen immer öfter aus der Distanz probierte. Lediglich technische Mängel verhinderten lange das 1:0, der Einsatz stimmte, System und Strategie waren erkennbar. Der Lattentreffer von Markus Thorandt, der einen Eckball kurz vor der Pause mit dem Kopf Richtung Tor wuchtete, wäre die verdiente Führung gewesen.

"Wir haben dann in der Kabine zwei, drei Dinge angesprochen", berichtete Schubert, "wir wollten die Rückräume besser zustellen, aber im Spiel nach vorne den Fuß auf dem Gaspedal lassen. Drauf, drauf, drauf!" Die Spieler folgten ihm bis zum Anschlag und kreierten eine Drucksituation, die auch Sandhausens Trainer Gerd Dais die Augenbrauen anheben ließ: "Das war immens. St. Pauli hatte im zweiten Abschnitt ja Chancen im Minutentakt." 70 Minuten hielten die Württemberger stand, dann sorgte Bartels mit einem fulminanten Schuss von der Strafraumgrenze für die von 21 045 Zuschauern am ausverkauften Millerntor akustisch passend begleitete Entladung. "Das war der Brustlöser", wusste der 25-Jährige, der zu Wochenbeginn im Gespräch mit dem Abendblatt angekündigt hatte, gegen Sandhausen Zeichen setzen zu wollen. Auch Bartels hielt, was er versprach und legte nur fünf Minuten später für Ebbers zum 2:0 auf: "Man darf den Mut nie verlieren, sonst kann man gleich aufhören zu spielen."

Was seine Mannschaft auch nach dem späten Anschlusstreffer der Sandhäuser im Anschluss an einen Eckball nicht tat, dem Aufsteiger die erste Pflichtspielniederlage seit vier Monaten beibrachte und im vierten Versuch den ersehnten ersten Sieg schaffte. "Wir können jetzt zwei Wochen an unserem Spiel feilen", blickte Mannschaftskapitän Fabian Boll auf die anstehende Spielpause, die zur Feinarbeit und Leistungsdiagnostik genutzt werden soll. "Das war heute sicherlich ein wichtiger Schritt, aber eben nur der erste", merkte Morenas Amtsnachfolger an. Die große Bühne soll nur noch in begründeten Ausnahmefällen wie am Sonnabend anderen überlassen werden.