Der Zweitligaklub weist eine positive Bilanz aus, muss sich jetzt aber neureicher Konkurrenz erwehren. Deutlich höhere Marketingeinnahmen.

Barsinghausen. Am Dienstag nutzte Rachid Azzouzi die Gelegenheit, um sich 60 Autominuten vom Trainingslager St. Paulis entfernt ein Testspiel des VfL Wolfsburg gegen Wittingen (16:0) anzuschauen. Dem neuen Sportdirektor dürfte angesichts der Fülle an Profis das Herz geblutet haben: Felix Magath zählt mehr als 40 Spieler zu seinem Kader, auf St. Paulis Trainingsplatz müssen schon die sechs Plastikfiguren hinzugezählt werden, um auf die Hälfte dieses Werts zu kommen.

Die Suche nach neuen Spielern gestaltet sich schwierig - aufgrund des Zeitpunkts, aber auch angesichts der Finanzkraft der Konkurrenz. "Natürlich wäre ich glücklicher, wenn ich Ablösen zahlen könnte und ein Gehaltsgefüge hätte wie Ingolstadt oder 1860 München. Da sitzt das Portemonnaie deutlich lockerer", sagt Azzouzi, der mitansah, wie Christian Eigler, Moritz Volz und Moritz Stoppelkamp in diesem Sommer des Geldes wegen nach Bayern wechselten, statt am Millerntor in die neue Spielzeit zu gehen.

Während Audi in Ingolstadt mit einem finanziellen Kraftakt den Großangriff auf die Bundesliga erahnen lässt, freut man sich in München über frische Millionen vom jordanischen Investor Hasan Ismaik. Dagegen haben sich die finanziellen Rahmenbedingungen beim FC St. Pauli nicht verändert. Die Hamburger schlossen das Geschäftsjahr 2011/12 am vergangenen Sonnabend mit einem Gewinn von 200.000 Euro ab. "Ein erfreulicher Trend, insbesondere wenn man die Bilanz um die Sondereffekte bereinigt", sagt Geschäftsführer Michael Meeske und meint jene Aufwendungen, die der Verein für Fehlverhalten einiger Fans tätigen musste.

Der Bierbecherwurf und die daraus resultierende Platzsperre beim Heimspiel gegen den FC Ingolstadt, das vor 10.000 Zuschauern in Lübeck ausgetragen werden musste, beeinflusste die Bilanz mit einem Minus von 420.000 Euro. Hinzu kamen Strafen für weitere Würfe oder Abbrennen von pyrotechnischen Erzeugnissen in Höhe von insgesamt 130.000 Euro.

550.000 Euro, die allein durch ungeplante Erfolge auf dem Marketingsektor kompensiert werden konnten. Die Einnahmen im Bereich Vermarktung waren um mehr als eine halbe Million höher als ursprünglich veranschlagt. Und auch bei der Verteilung der TV-Gelder schnitt St. Pauli aufgrund der sportlichen Erfolge besser ab als erwartet. Statt der kalkulierten 6,7 Millionen Euro freuten sich Meeske und Co. am Ende über 7,2 Millionen Euro: "Es zeigt, dass sich der Verein stetig positiv entwickelt, was aber auch notwendig ist, um den ständig wachsenden wirtschaftlichen Herausforderungen gewachsen zu sein."

In die kommende Saison geht St. Pauli nach Abendblatt-Informationen trotz prognostizierter Mindereinnahmen beim TV-Geld (6,2 Millionen Euro) erneut mit einem Gesamtetat von 25 Millionen Euro, etwa die Hälfte davon als Manövriermasse für den sportlichen Bereich. "Es ist, wie es ist. Ich bin da pragmatisch", sagt Azzouzi mit Blick auf die nicht unerhebliche finanzielle Differenz zu den Neureichen aus Bayern, um aber zugleich kämpferisch hinzuzufügen: "Mit einem beschränkten Etat das Beste herauszuholen, kann ja auch für eine gewisse Befriedigung sorgen."