Lange Zeit war Carlos Zambrano verletzt. Vor der Reise in die Heimat sprach er mit dem Abendblatt über Sorgen, Wünsche und Weihnachten in Peru.

Hamburg. Carlos Zambrano musste nicht überlegen, wo er seinen Weihnachtsurlaub verbringen würde. In Peru, bei der Familie, seinen Kindern, im Warmen. Bevor der seit dem 5. März verletzte Innenverteidiger (Sehnenabriss in der Hüfte) sich in den Flieger setzte, reflektierte er mit dem Abendblatt sein schwerstes Profijahr, sprach über Existenzängste, seine Zukunft beim FC St. Pauli und darüber, wie ihn die Verletzung verändert hat.

Hamburger Abendblatt: Herr Zambrano, wie feiert man Weihnachten in Peru?

Zambrano: Es ist ein Fest, das auf der Straße gefeiert wird. Zunächst gibt es ein Essen im engen Familienkreis, dann kommen die Gäste und man feiert zusammen mit den Nachbarn. Ich kann es kaum erwarten.

Die Familie spielt eine tragende Rolle in Ihrem Leben?

Zambrano: Auf jeden Fall. Meine Eltern, meine Kinder, mit denen ich häufig über Skype spreche, auch mein Bruder Marco haben mir in der schweren Zeit Rückhalt gegeben und mich motiviert. In den letzten drei Monaten waren meine Eltern hier und haben mich bei jedem meiner Schritte begleitet. Es war wirklich kein schönes Jahr für mich.

Hatten Sie Angst um Ihre Karriere?

Zambrano: Bevor die Sehne bei dem Freundschaftsspiel in Peru endgültig abriss, dachte ich, das wird schon wieder. Ich hatte die Verletzung unterschätzt und gute Angebote. Aber dann bin ich von ganz oben nach ganz unten gefallen. Ich kam aus Peru zurück nach Hamburg und hatte keine Wohnung mehr, weil ich mir mit Hoffenheim ja schon einig gewesen war, bevor ich durch den Medizincheck gefallen bin. In Hamburg musste ich dann zwei Wochen auf dem Sofa einer Freundin schlafen. Ich wusste nicht, wie es weitergehen sollte und war verzweifelt. Eine Zeit lang wollte ich nichts mehr von Fußball wissen. Ich hatte nicht nur Angst, dass ich kein Fußball mehr spielen kann, sondern auch Existenzängste und die Angst, dass ich meine Familie nicht mehr unterstützen kann.

Hat Sie diese Zeit verändert?

Zambrano: Ich habe in den gesamten zehn Monaten gemerkt, wer meine wahren Freunde sind, wer immer hinter mir steht. Ich denke, ich bin durch die Verletzung gereift. Ich musste mich plötzlich mit anderen Dingen beschäftigen als mit Fußball und weiß gewisse Dinge jetzt besser einzuschätzen.

Womit haben Sie sich beschäftigt?

Zambrano: Außer dass ich mich jeden Tag in der Reha gequält und um meine Zukunft gesorgt habe, habe ich Motivationsfilme geschaut. Da ging es zum Beispiel um einen jungen Turner, der sich sein Bein komplett zertrümmert hat und dann zurückkämpft. Am Ende erreicht er alle seine Ziele. Hört sich kitschig an, aber es hat mir geholfen.

Im Training wirken Sie schon fast wieder wie der Alte.

Zambrano: Ich bin sehr froh, dass ich nun wieder fast bei hundert Prozent bin. Aber ich weiß auch, dass ich die Vorbereitung noch brauche, um wieder die alte Sicherheit zu kriegen.

Freuen Sie sich schon darauf, endlich wieder ins Stadion einzulaufen?

Zambrano: Ich kann noch nicht sagen, wie es wird. Entweder ich vergesse in dem Moment, wo ich auflaufe, was gewesen ist, es kann aber auch sein, dass die Angst mitspielt. Nach so langer Zeit muss man erst mal wieder Vertrauen in seinen Körper gewinnen. Natürlich will ich so schnell wie möglich spielen und der Mannschaft helfen, mittlerweile kommt es mir aber nicht mehr auf den Zeitpunkt an. Ich will mir einfach hundertprozentig sicher sein.

Besteht die Möglichkeit, dass Sie über die Saison hinaus am Millerntor bleiben?

Zambrano: Das ist eine schwierige Frage, die ich momentan nicht beantworten kann. Ich habe mich hier vom ersten Augenblick an sehr wohl gefühlt. Der Klub besitzt eine Kaufoption, Schalke hat aber auch Interesse signalisiert, dass sie mich zurückholen möchten. Die Entscheidung liegt also nicht allein bei mir. Deshalb denke ich jetzt nur an die nächsten fünf Monate, konzentriere mich auf mein Comeback.

Hat sich an Ihrer Lebensplanung in den vergangenen Monaten etwas geändert?

Zambrano: Nein. Ich bin noch jung und habe jetzt ein Jahr verloren. An meinem Plan hat sich dadurch aber nichts geändert. Ich möchte so erfolgreich wie möglich Fußball spielen und dabei vor allem ein guter Mensch bleiben.