Der FC St. Pauli unterliegt beim Tabellenletzten aus Ingolstadt nach der schwächsten Saisonleistung mit 0:1. Gegentreffer in 89. Minute.

Ingolstadt. Als die Blitzanalyse nach dem Abpfiff des 0:1 im obligatorischen Kollektivkreis beendet war, flog ein Handtuch im hohen Bogen über den Ingolstädter Rasen. Eine Symbolik, die inmitten der jubelnd tanzenden Bayern wie das Zeichen der Aufgabe hätte verstanden werden können, wäre es dafür nicht viel zu spät gewesen und hätte St. Pauli nicht schon viel früher die Waffen gestreckt. Das segelnde Frotteeobjekt war vielmehr Ausgeburt der großen Verärgerung seines Besitzers: Torhüter Philipp Tschauner hatte seinen Emotionen mit einem fulminanten Tritt Geltung verliehen. Bevor Trainer André Schubert seine Spieler in der üblichen Formation zur kurzen Ansprache zusammengeholt hatte, war bereits Tschauners rote Trinkflasche Leidtragende der vorangegangenen 90 Minuten geworden, als St. Paulis Schlussmann sie mit voller Wucht auf den Boden warf und so komplett in ihre Einzelteile zerlegte.

+++ Lesen Sie hier alles über den FC St. Pauli +++

Einsatzstärke, die seine Vorderleute an diesem Tag nicht einmal annähernd nachgewiesen hatten. "Wir haben zu wenig investiert, zu langsam umgeschaltet, sind zu langsam angelaufen, haben zu langsam Fußball gespielt", zählte Schubert die gravierendsten der vielen Mängel auf. In der Konsequenz sorgten die Unzulänglichkeiten für die schwächste Saisonleistung der Hamburger. Mit der Niederlage beim zuvor in neun Spielen sieglosen Tabellenletzten konnten sie damit die Gunst der Stunde an der Spitze nicht nutzen: Düsseldorf hatte am Sonnabend beim 1:1 in Bochum Punkte eingebüßt, Frankfurt und/oder Fürth folgen heute Abend im Spitzenspiel.

Dabei waren es in der fehlerhaften Partie lange Zeit allein die Ingolstädter gewesen, die ihre Chancen nicht genutzt hatten. St. Paulis Ideenlosigkeit und Passivität blieben ungestraft, der Außenseiter verzettelte sich bei Kontermöglichkeiten schon im Ansatz und vergab selbst aus aussichtsreichsten Positionen die sichere Führung. Auf der Gegenseite sorgte der für den angeschlagenen Fin Bartels in die Startformation gekommene Florian Bruns nach 28 Minuten für den ersten und bis zur Halbzeitpause auch einzigen Torschuss des Favoriten. Bezeichnend die Szene in der 45. Spielminute, als Fabian Boll einen Schuss von Marius Ebbers unfreiwillig mit dem Kopf ins Seitenaus abblockte. "Fehlende Präzision", beklagte Vizepräsident Bernd-Georg Spies auf der Tribüne, während Schubert zunächst mit seiner Halbzeitansprache und 13 Minuten nach Wiederbeginn mit einem Doppelwechsel die Offensive wiederzubeleben versuchte.

Tatsächlich konnten die Joker Bartels und Rouwen Hennings ein wenig Vitalität versprühen und dem Angriff kurzzeitig Leben einhauchen. Die vollständige Reanimation aber misslang. Während auf den mit 8754 Zuschauern besetzten Rängen 3500 St.-Pauli-Fans den Takt vorgaben und selbst 50 Prozent der Einlaufkinder aus der Hansestadt gekommen waren, blieben Überzahlsituationen auf dem Rasen eine Seltenheit. St. Pauli (re-)agierte bei Temperaturen um den Gefrierpunkt mit der Behäbigkeit eines Patienten unter Kälteschock: zu steif, zu statisch, zu berechenbar. Dabei hatten sich die Hamburger in den vergangenen Jahren stets als ausgezeichnete Kaltstarter präsentiert. Letztmals war 1998 ein Spiel zum Rückrundenauftakt mit einem 0:2 gegen Greuther Fürth verloren worden.

2011 aber folgte nun die späte und auch gerechte Strafe in Person des eingewechselten Akaichi. Am 14. Mai 2009 hatte Alexander Ludwig noch mit einem Treffer in der 86. Minute den Abstieg der "Schanzer" besiegelt, diesmal verhinderte ein Ingolstädter Joker St. Paulis Sprung auf die Aufstiegsränge nach 89 Minuten. "Das späte Gegentor macht es dann besonders ärgerlich", grämte sich Schubert, "ärgerlich aber auch, dass wir selbst nach dem Wechsel viel zu wenig investiert haben." Ärgerlich ist zudem, dass die Serie von sechs Spielen ohne Niederlage endete - und dass es das erste Gegentor der Vereinsgeschichte gegen Ingolstadt gab und St. Pauli erstmals kein eigenes erzielte. "Ich weiß nicht, ob wir heute irgendwas im Frühstück hatten", wunderte sich Boll, "aber wir hätten noch zwei Stunden spielen können und hätten kein Tor gemacht. Mit Ausnahme von Tschauni und Thorandt haben wir komplett versagt. So gewinnst du kein Spiel."

Eine nicht unwichtige Erkenntnis vor dem Topspiel gegen Eintracht Frankfurt in einer Woche. "Da haben wir noch ein kleines Jahresfinale vor uns", weiß Innenverteidiger Ralph Gunesch. Die durchaus mögliche gute Ausgangsposition allerdings wurde in Ingolstadt verspielt.