St. Paulis Co-Trainer Jan-Moritz Lichte bleibt meist im Hintergrund, liefert aber täglich wertvolle Impulse für seinen Chef André Schubert.

Hamburg. Für lange Zeit ist er nicht auf der Trainerbank zu sehen. Die ersten 45 Spielminuten verbringt Jan-Moritz Lichte regelmäßig auf der Tribüne, bei Heimspielen sogar in einer Loge im obersten Stockwerk der Haupttribüne. Lichte analysiert, sammelt Eindrücke aus einem anderen Blickwinkel und liefert diese pünktlich zum Pausenpfiff für die Ansprache seines Chefs in die Kabine. Der hört auf den Namen André Schubert. Lichte ist Co-Trainer des FC St. Pauli. Wie schon bei der Präsentation des Duos bleibt der 31-jährige Kasseler gern im Hintergrund, besinnt sich auf Wesentliches. "Ich bin ein Pragmatiker, eher ausgeglichener Natur, eher der ruhigere Part", bestätigt Lichte, "aber wir besprechen die meisten Dinge gemeinsam." Lichte ist weit mehr als Schuberts Schattenmann.

Vor vier Monaten war er der Erste, der beim Start in die Saisonvorbereitung den Rasen betrat. Lichte postierte die Trainingshütchen mit pedantischer Präzision. Gewissenhaft war er im Job schon immer. Mit der Note 1,0 beendete er sein Studium der Sportwissenschaft, mit 1,0 schloss er im Frühjahr auch den Lehrgang zum Fußballlehrer als Jahrgangsbester ab. Lichte, ein Streber? "Nein", widerspricht Schubert energisch, "er hat zwar eine unglaublich hohe Fachkompetenz, ist dabei aber sehr praxisnah. Jan-Moritz ist einer der ausgeglichensten Menschen, die ich jemals kennengelernt habe. Er hat einen klaren Blick auf die Dinge. Den kannst du nicht durch ein dickes Auto, eine dicke Uhr oder durch souveränes Auftreten beeindrucken. Auch für die Spieler ist es wichtig, bei Bedarf einen von der Mentalität her anderen Ansprechpartner zu haben."

Eine Einschätzung, die im Mannschaftskreis gestützt wird. St. Paulis Spieler loben Schuberts Assistenten in den höchsten Tönen, preisen vor allem seine Kompetenz. Bei den Fans hatte er sich diese Sympathien bereits vor seinem Amtsantritt erworben. Doch dies war weder dem Charakter noch den Bestnoten geschuldet. Es war ganz einfach seine Frisur. Jene ungezähmte schwarze Lockenpracht, die seine jugendliche Ausstrahlung trotz vereinzelter ergrauter Haare noch einmal unterstreicht und ihn kompatibel mit der Unkonventionalität des FC St. Pauli erscheinen ließ.

Somit ist er auch frisurentechnisch das passende Regulativ zum kahl rasierten und impulsiven Schubert, mit dem ihn längst mehr als eine professionelle Arbeitsbeziehung verbindet. "Ja, man kann da schon von einer Freundschaft sprechen", sagt Schubert. Kennengelernt hatten sie sich vor elf Jahren als Spieler. "Als beim KSV Baunatal dann die Viererkette eingeführt wurde, haben wir gemerkt, dass wir ähnlich ticken. 2006 ist er dann nach Paderborn gegangen und hat 2007 jemanden für das Nachwuchsleistungszentrum gesucht. "Für mich war das eine große Chance, ich war noch nicht fertig mit dem Studium", erinnert sich Lichte. Er folgte seinem Freund vor zweieinhalb Jahren zunächst auf die Paderborner Trainerbank, in diesem Sommer dann zum FC St. Pauli.

Seitdem steht der Pragmatiker mit wehender Mähne, Stift und Zettel auf dem Trainingsgelände an der Kollaustraße, bereitet vor, erklärt, bereitet nach. Ständig auf der Suche nach Verbesserungen. "Ich bin Diplom-Sportwissenschaftler. Wenn du das ernst nimmst, kann man aus dem wissenschaftlichen Bereich sicher ein paar Dinge mitnehmen", sagt er. Irgendwann, das bestreitet er nicht, würde ihn die Chefrolle reizen. Schubert diene ihm da als Vorbild. Und das wird auch für seine Haare gelten, die einen möglichen Aufstieg überleben würden. "Auf jeden Fall. Die kommen erst ab, wenn es irgendwann weniger wird."