Das Stadion beschert St. Pauli abseits der Liga vermehrt attraktive Gegner und eine verbesserte Einnahmesituation - auch Länderspiele möglich.

Hamburg. Corny Littmann war seinerzeit belächelt worden. Das neue, noch zu bauende Stadion werde seinem FC St. Pauli attraktive Gegner bescheren und Länderspiele am Millerntor möglich machen, sprach der Präsident des damaligen Regionalligisten im Jahr 2006 und träumte öffentlich von Uefa-Pokal-Partien mit Beteiligung der Braun-Weißen. Nun geht es für die Hamburger zwar aktuell zunächst einmal um den Aufstieg in die Bundesliga, bevor europäische Ehren angestrebt werden können, doch ansonsten hat Littmann recht behalten.

"Wir freuen uns, dass wir in diesem traditionsreichen Stadion gegen eine erstklassige Mannschaft die besondere Atmosphäre erleben dürfen, die die Heimspiele des FC St. Pauli so einmalig macht", sagt Bundestrainerin Silvia Neid. Die deutsche Frauen-Nationalmannschaft hofft mit ihrer neuen Kapitänin Nadine Angerer am 26. Oktober (18 Uhr, ARD live) im Duell gegen den WM-Dritten aus Schweden auf den Millerntor-Faktor. Eine Paarung, die durchaus in die Reihe der in den vergangenen Jahren zwischen Heiligengeistfeld, Budapester Straße, Wirtschaftsgymnasium und Feldstraße ausgetragenen Partien passt.

Kam der FC Bayern München im Jahr 2003 noch im Rahmen der Retter-Aktion in sozialer Mission ans Millerntor, gaben seit der Fertigstellung der ersten neuen Tribüne 2008 immer mehr namhafte Klubs und Mannschaften ihre Visitenkarte ab. 2008 kam Bundesligist Hannover 96 zum Test gegen Zweitligaaufsteiger St. Pauli, und die deutsche U-18-Nationalelf absolvierte im Stadtteil ihr Länderspiel gegen Österreich. Ein Jahr darauf wurde ein Vorbereitungsspiel gegen den späteren deutschen Meister VfL Wolfsburg am Millerntor ausgetragen, ehe 2010 mit Celtic Glasgow, Bayer Leverkusen und Racing Santander gleich drei international renommierte Klubs zum 100. Vereinsgeburtstag vorbeischauten und die deutsche U-20-Nationalelf gegen Italien testete. Nun mietet der Deutsche Fußball-Bund (DFB) bereits zum dritten Mal das mittlerweile zur Hälfte fertiggestellte Stadion für etwa 80 000 Euro an. Vor viereinhalb Wochen hatte das kurzfristig angesetzte Testspiel gegen Werder Bremen Einnahmen von rund 40 000 Euro gebracht.

Für den Kiezklub wird das Millerntor immer mehr auch zum Wirtschaftsfaktor. Neben der über die Service GmbH abgewickelten Events im Innern der Süd- und Haupttribüne werden aus finanzieller Sicht auch die Veranstaltungen auf dem Rasen interessant. Mit der TSG Hoffenheim kommt im Winter der nächste Bundesligaklub nach St. Pauli, Einnahmen in sechsstelliger Höhe werden erwartet.

Insofern ist es auch nachvollziehbar, dass sich der Verein in den vergangenen Wochen mit der Idee eines außer(spiel)planmäßigen Derbys gegen den Hamburger SV am Millerntor beschäftigte. Ein ausverkauftes Stadion und eine mögliche Fernsehübertragung reizten, als Spieltermin war bereits das aufgrund von Länderspielen freie zweite Novemberwochenende ins Auge gefasst worden. Präsident Stefan Orth lotete auf einer Veranstaltung am Mittwochabend in der Weinbar St. Pauli vorsorglich die Meinungen der anwesenden Zuhörer aus, stieß mit der Idee bei den eigenen Fans aber auf wenig Gegenliebe. Ohnehin haben die Verantwortlichen beider Klubs den finanziellen Verlockungen vorerst widerstanden. Aus Sicherheitsgründen wird es zumindest vor 2012 kein Lokalderby geben.

Bei einem Aufstieg St. Paulis oder dem Abstieg des HSV wäre es in der kommenden Saison ohnehin wieder so weit. Doch selbst wenn beide Eventualitäten eintreten sollten, bleibt auch die Derby-Option abseits des Spielplans grundsätzlich bestehen. Eine Idee, die bereits vor einigen Jahren verfolgt wurde. Ex-Präsident Littmann lässt grüßen.