Das Team von Trainer Schubert setzte sich mit einem 2:1-Erfolg beim VfL Bochum an die Spitze der Zweiten Liga. Kruse erzielt den Siegtreffer.

Bochum. "Tief im Westen", hatte Herbert Grönemeyer vor dem Anpfiff aus den Lautsprechern getönt. Die Klub-Hymne, aus voller Brust vom VfL-Anhang begleitet, verursachte selbst bei eingefleischten Stadiongängern Gänsehaut. Nach den 93 Minuten aber hat die Liedzeile in Bochum nun eine andere Bedeutung. Mit 2:1 gewann der FC St. Pauli im ehemaligen Ruhrstadion, bescherte dem VfL die erste kleine Krise und feierte nach dem Abpfiff nicht nur den dritten Sieg der Saison, sondern auch die Tabellenführung, die mindestens bis zum Montagabend Bestand hat. Hoch im Westen für St. Pauli!

Dank des Länderspieltags unter der Woche, der den Auftakt des zweiten Spieltags in der Bundesliga auf den heutigen Sonnabend verlegte, gehörte die gesteigerte Aufmerksamkeit den beiden Aufstiegskandidaten. Und Millionen vor den Fernsehschirmen in mehr als 50 Ländern wurden nicht enttäuscht. Flutlicht, ein heftiger Platzregen und eine stimmungsvolle Kulisse bildeten beim Anpfiff von Schiedsrichter Markus Wingenbach aus Diez den würdigen Rahmen, der von Beginn an mit hohem Einsatz, großem Kampf und auch spielerischen Elementen gefüllt wurde. Den 22 913 Zuschauern, darunter die halbe Trainerinnung der Zweiten Liga, St. Paulis ehemaliger Trainer Uli Maslo und auch Ex-Spieler Gerald Asamoah, wurde kaum Gelegenheit zum Plausch auf der Tribüne gegeben.

Zeit zum Durchatmen hätte in den Anfangsminuten auch St. Paulis neu formierte Defensive benötigt. Bochum spielte (zu) schnell, der flinke Japaner Inui durchkurvte die Hamburger Abwehr und stiftetet so Verwirrung, die Aydin nach fünf Minuten gleich zwei Mal mit einem Tor hätte bestrafen können. Das Führungstor lag früh in der feuchten Luft und fiel 120 Sekunden später, als Dabrowski die Zuordnungsprobleme in der Hintermannschaft der Braun-Weißen bestrafte. St. Paulis Trainer André Schubert, von dessen brauner Mütze die Regentropfen in die Coachingzone tropften, lieferte das passende Bild. Wie bereits am vergangenen Freitag gegen Alemannia Aachen (3:1) fiel der erste Gegentreffer in der siebten Minute. St. Pauli stand im Regen.

Als der Himmel nach 14 Minuten aufklarte, hatte nicht nur Bochums Trainer Friedhelm Funkel aus Ärger über den penetranten vierten Offiziellen die Seite (seiner Coachingzone) gewechselt. Auch die Spielanteile hatten sich verlagert. St. Pauli fand besser ins Spiel, konnte den Bochumer Druck durch verbessertes (Ein-)Stellungsspiel und clevere Ballgewinne im Mittelfeld mindern und erarbeitete sich seinerseits Chancen. Trotz der hochgewachsenen VfL-Deckung um Maltritz und Sinkiewicz waren es vor allem die gut getretenen Standards von Florian Bruns, die der Schubert-Elf einige Ausgleichmöglichkeiten mit dem Kopf bescherten. Und so war in der 32. Minute weniger der Treffer selbst als vielmehr die Art und Weise überraschend. Fin Bartels behielt bei einem weiten Flankenball von Max Kruse die Übersicht und traf ruhig und überlegt zum mittlerweile verdienten 1:1.

Stratege Schubert, der im Angriff wie erwartet Mahir Saglik an dessen alter Wirkungsstätte für den verletzten Marius Ebbers aufbot und seine Abwehr nach dem Ausfall von Linksverteidiger Jan-Philipp Kalla umstellte, - Rechtsaußen Sebastian Schachten wechselte die Seite und wurde von Carsten Rothenbach ersetzt -, sollte recht behalten. Ein enges, kampfbetontes Duell hatte seinen Lauf genommen. "Wir haben das Mittelfeld ohne Not zu stark preisgegeben", sagte Bochums Sportchef Jens Todt, "aber zu Beginn war es das beste, was wir in dieser Saison gezeigt haben."

Und von der Qualität, der Rasse und dem temporeichen Spiel sollte die Partie auch im zweiten Abschnitt nichts einbüßen. Während Max Kruse gleich zwei gute Einschussmöglichkeiten vergab (51., 66.) und die Hamburger über den nun nicht mehr zu stoppenden Fin Bartels gute Situationen kreierten, vergab Inui auf der Gegenseite die Chance zum möglichen 2:1 (69.). Ein Duell auf Augenhöhe, das kurz vor dem Ende entschieden wurde. Kruse, eine weitere Parallele zum 3:1-Sieg gegen Aachen, den der Reinbeker mit einem Doppelpack besorgt hatte, schwang sich in der 84. Minute zum Man oft the Match auf und tunnelte VfL-Torhüter Luthe nach tollem Pass von Bruns zum 2:1. Ein knapper Vorsprung, der auch nach einer ungerechtfertigten Gelb-Roten Karte gegen Schachten in der 86. Minute nicht mehr in Gefahr geriet. "Wir haben es mit großem Einsatz geschafft, die Räume eng zu machen, das war entscheidend", sagte Schubert. "Wenn wir an diese Leistungen anknüpfen, sind wir in der Zweiten Liga gut dabei."

Vier Spiele, drei Siege, zehn Punkte. Die Aufstiegsrechnung aus der Saison 2009/2010 kann damit vorerst weiter bemüht werden. Hoch im Westen.