Der FC St. Pauli bestreitet heute gegen Alemannia Aachen sein erstes echtes Heimspiel der Saison - Abschied von der Gegengerade.

Hamburg. Es ist sein erstes echtes Heimspiel als Trainer des FC St. Pauli, doch die besondere Stimmung am Millerntor wird er heute voraussichtlich nicht lange wahrnehmen. Beim Aufwärmen seiner Mannschaft wird André Schubert das Flair noch spüren, doch spätestens wenn das Team dann kurz vor dem Anstoß der Partie gegen Alemannia Aachen (18 Uhr, Sky und im Liveticker auf abendblatt.de) den Rasen betritt, gilt die volle Konzentration dem sportlichen Geschehen.

Auch wenn der 40-Jährige es selbst nur unbewusst mitbekommen wird, ist sich Schubert sicher, dass die Fans die Mannschaft nach vorn treiben werden. So wie man es am Millerntor eben gewöhnt ist, insbesondere bei Abendspielen und vor schillernder Domkulisse. "Da gilt es dann auch etwas zurückzugeben", sagt Schubert. "Ich erwarte, dass die Mannschaft ohne Ende marschiert. Das erwarte ich natürlich immer, aber in Heimspielen umso mehr."

Man kann mit wenigen Ausnahmen nicht behaupten, dass die Kiezkicker nicht auch unter Schuberts Vorgänger Holger Stanislawski alles gegeben hätten. Die Bilanz der letzten Auftritte vor heimischem Publikum ist dennoch ernüchternd. Beinahe ein halbes Jahr liegt der letzte Pflichtspielsieg der Braun-Weißen am Millerntor zurück. Am 12. Februar durften die Fans ein 3:1 gegen Mönchengladbach bejubeln. Max Kruse, Matthias Lehmann und Gerald Asamoah trafen. Lang, lang ist es her.

Es folgten fünf Heimniederlagen in Serie, an deren Ende eine desaströse Pleite gegen Bayern München stand. "Wie ist das noch mal ausgegangen?", fragte Stürmer Marius Ebbers gestern ironisch nach dem Ergebnis, das sich auch bei ihm eingebrannt hat. Dem 1:8, das den endgültigen Abstieg aus der Bundesliga bedeutete. Immerhin knapp drei Monate liegt auch diese Schmach schon wieder zurück, doch Gelegenheit zur Wiedergutmachung hatten die im Kader verbliebenen Spieler zu Hause bislang nur mit einem Freundschaftsspiel in der Vorbereitung gegen Bröndby IF. Nachdem mit dem 2:0 gegen den FC Ingolstadt das erste Heimspiel der Saison in Lübeck ausgetragen werden musste, steht nun also gegen Aachen ein echter Neuanfang an.

Anders als im vergangenen Sommer mit der Einweihung der neuen Haupttribüne beschränkt sich dieser jetzt weitgehend auf Fußballerisches. Abseits des Rasens gibt es nur wenige Neuerungen. Die Gestaltung des Stehplatzbereichs auf der Südtribüne zum Beispiel, auf dem die Worte "Voran Sankt Pauli" weiß auf braun in dicken Lettern prangen. Oder "Timos Teestündchen", einer neuen Rubrik in der Stadionzeitung mit Ex-Profi Timo Schultz. Die Gästefans können ab sofort zudem einen Gepäckservice in der Nordtribüne nutzen.

Für St. Paulis Anhänger gilt es derweil, Abschied von der Gegengeraden zu nehmen. Das letzte ursprüngliche Stück Stadion, die Wiege des Millerntor-Roars, wird am Ende der Saison abgerissen. Wie genau die neue Tribüne aussehen wird, ist noch unklar. Fest steht nur, dass sie ein Fassungsvermögen von etwa 13 000 Zuschauern und damit fast doppelt so viel wie bisher haben wird und wie ihre Vorgängerin vor allem Stehplätze beheimaten soll. In ihren Gemäuern werden neben Stadionkiosken auch Räumlichkeiten für Fanladen, die Abteilung fördernde Mitglieder, Stadionwache und Fanräume e. V. entstehen, eine Initiative, die mindestens 400 000 Euro der Kosten übernehmen will. Geplant wird mit einem Gesamt-Investitionsvolumen von neun Millionen Euro. Deutlich weniger also als in den beiden vorangegangenen Bauabschnitten, die 14 beziehungsweise 20 Millionen Euro verschlangen.

Während in Sachen Finanzierung vom Verein derzeit noch unterschiedliche Varianten durchgespielt werden, ist der Zeitplan schon jetzt klar abgesteckt. Eine Woche später als vom FC St. Pauli ursprünglich erhofft, können im kommenden Jahr die Abrissvorbereitungen beginnen. Der Klub hatte darauf spekuliert, sein letztes Heimspiel bereits am 29. April, also am vorletzten Spieltag, austragen zu können. Nun will es der Spielplan jedoch so, dass Schuberts ehemaliger Klub SC Paderborn erst am 6. Mai am Millerntor gastiert. Dank der Fußball-Europameisterschaft bleiben so rund drei Monate für den Neubau. Um Mindereinnahmen zu vermeiden und den organisatorischen Aufwand im Ticketing überschaubar zu halten, sollen zumindest die Dauerkartenbesitzer schon das erste Saisonheimspiel 2012/13 von der Gegengerade aus verfolgen können. Bis dahin bleibt noch 16-mal Mitfiebern und Anfeuern auf geschichtsträchtigen Rängen. 16 Heimspiele, in denen das Millerntor wieder zur Festung werden soll.