Carlos Zambrano kämpft um sein Comeback. St. Pauli fordert Stellungnahme des peruanischen Verbandes. Es droht ein juristisches Nachspiel.

Hamburg. Das Problem waren die Schmerzen. So unangenehm sie auch sind, Schmerzen liefern jedem Fußballspieler Indizien darüber, wie schlimm eine Verletzung ist oder auch wie weit die Genesung bereits vorangeschritten ist. Carlos Zambrano hatte keine Schmerzen - und deswegen fehlte ihm jegliches Gespür dafür, wie schwerwiegend seine Verletzung in Wirklichkeit war, als er sich am 28. Juni das Trikot der peruanischen Nationalmannschaft überstreifte und auf den Platz lief.

Er hatte sich auf die Diagnose der peruanischen Ärzte verlassen, die ihm ihr Okay für einen Einsatz gegeben hatten. Gepaart mit dem starken Wunsch, bei der Copa América für sein Heimatland aufzulaufen, war der 22 Jahre alte Abwehrspieler des FC St. Pauli zu der Überzeugung gekommen, dass es schon gehen würde, dass er spielen könne, ohne Gefahr zu laufen, dass die Verletzung wieder aufbricht. Eine Entscheidung, die jetzt ein Nachspiel hat. Womöglich sogar ein juristisches.

Die Verletzung, ein Sehnenabriss im Hüftbeuger, die er sich im März im Bundesliga-Auswärtsspiel beim 1. FC Nürnberg (0:5) zugezogen hatte, brach wieder auf. Zurück in Hamburg, stellten St. Paulis Mannschaftsärzte die erschütternde Diagnose: Die Verletzung habe sich verschlimmert und Carlos Zambrano werde lange Zeit nicht zur Verfügung stehen. "Es wird einige Monate dauern, bis er wieder fit ist, aber das heilt schon aus", sagt Dr. Johannes Holz. "Das Problem wird eher sein, nach einer so langen Pause leistungsmäßig da anzuknüpfen, wo er einmal war."

Eine Diagnose, die Zambrano hart trifft. "Ich hatte im ersten Moment Angst um meine Karriere und Probleme, damit klarzukommen", sagt der Peruaner, der im Juni zum zweiten Mal Vater eines Sohnes (Tiago) geworden ist. Das Gefühl, seine Familie vielleicht nicht mehr unterstützen zu können, bedrückte ihn. Mittlerweile hat "der Löwe", wie er in Peru genannt wird, sein Kämpferherz wiedergefunden. Die Familie ist Teil seiner Motivation. "Ich will so schnell es geht wieder fit werden, und ich weiß, dass ich danach wieder so gut spielen werde wie zuvor."

Nach Meinung von Holz hätte es nicht so weit kommen dürfen. Zambrano hätte sich sein Dilemma durch sechs bis acht Wochen mehr Rehabilitation nach der ersten Verletzung ersparen können. "Das Risiko eines Rückfalls ist bei solch schweren Verletzungen immer gegeben", sagt Holz, der Zambrano Anfang Mai letztmalig untersucht hatte. Anschließend gingen Spieler, Verein und Ärzte davon aus, dass der Verteidiger künftig bei einem anderen Klub sein Geld verdienen würde. Eine Gesundschreibung erfolgte nicht, beim Medizincheck Anfang Juni in Hoffenheim fiel Zambrano ebenfalls durch. Seine Verletzung sei nicht ausreichend ausgeheilt, attestierten die dortigen Ärzte. Grünes Licht bekam er nur von den Medizinern in Peru. "Ich habe keine Kenntnis darüber, auf welcher Grundlage das gemacht wurde", sagt Holz.

Zambrano selbst betrachtet seinen Einsatzwunsch im Nachhinein als Fehler. "Ich verliere fast ein komplettes Jahr. Aber ich mache den peruanischen Ärzten keinen Vorwurf", sagt er. Was für Zambrano selbstverständlich ist, will man beim FC St. Pauli nicht so einfach hinnehmen. Der Verein macht Druck auf den peruanischen Verband, hat um eine schriftliche Stellungnahme gebeten. "Wir werden uns informieren lassen und dann entscheiden, wie wir weiter vorgehen", sagt Sportdirektor Helmut Schulte. "Möglicherweise haben die peruanischen Ärzte die Verletzung unterschätzt, weil Carlos keine Schmerzen hatte." Dass es Möglichkeiten gibt, für den Ausfall Zambranos entschädigt zu werden, zeigt der Fall von Arjen Robben. Der niederländische Nationalspieler des FC Bayern München war trotz Verletzung im WM-Finale 2010 eingesetzt worden und fiel danach ein halbes Jahr aus. Der FC Bayern beschwerte sich und hatte Erfolg. Im nächsten Jahr findet ein Freundschaftsspiel zwischen den Bayern und der niederländischen Nationalmannschaft statt. Die Einnahmen, erwartet werden rund drei Millionen Euro, fließen in die Kasse der Münchner.

"Unsere Konzentration gilt momentan aber auch der moralischen Unterstützung von Carlos", sagt Schulte. Obwohl er mit seinem Schicksal hadert, bleibt dem Abwehrtalent erst einmal nichts anderes übrig, als hart an sich zu arbeiten und wieder fit zu werden. Er hat das akzeptiert, der Frust steht ihm dennoch ins Gesicht geschrieben, genauso wie die fehlende sportliche Betätigung. Er ist etwas fülliger geworden. Zweimal am Tag absolviert Zambrano ein Rehaprogramm, das die Mannschaftsärzte für ihn erstellt haben. Es handele sich um eine komplexe physiotherapeutische Behandlung, um die Muskulatur wieder auf die Belastung im Sportleralltag vorzubereiten, erklärt Holz. Außerdem werden Zambrano Spritzen mit Thrombozyten-Konzentrat (Blutplättchen) verabreicht, die die Heilung beschleunigen sollen. In der vergangenen Saison hatte St. Pauli damit im Fall Gerald Asamoah sehr gute Erfahrung gemacht, der nach einer ähnlichen Verletzung schon sieben Wochen später wieder einsatzbereit war. So schnell wird es bei Zambrano nicht gehen. Dass er aber für St. Pauli spielen wird, wenn er vermutlich zu Rückrundenbeginn im Januar wieder fit ist, darauf legt sich der Schalker Leihspieler fest. Er bleibt bis zum Saisonende beim FC St. Pauli, die Abwanderungsgedanken hat er vorerst ad acta gelegt.

"Um ehrlich zu sein, habe ich nicht damit gerechnet, noch mal für St. Pauli zu spielen", sagt Zambrano, "aber so spielt halt manchmal das Leben."