Vor dem Absteiger-Duell gegen seinen alten Verein unterstellt Eintracht Frankfurts Matthias Lehmann dem FC St. Pauli Zweckpessimismus.

Hamburg. Die Frage verursacht eine Pause, Matthias Lehmann überlegt. Er könnte mit einer Floskel antworten. Sagen, wie schwer ihm der Abschied vom FC St. Pauli im Mai gefallen sei. Darauf verweisen, dass man sich nur flüchtig um seinen Verbleib bemüht und die Ablösesumme von 500 000 Euro gern genommen hatte. Er könnte erzählen, wie wohl er sich beim Kiezklub gefühlt habe. Er könnte es sich einfach machen, ohne dabei an Glaubwürdigkeit zu verlieren. Zum halben Kader hat er noch regelmäßig Kontakt, mit Max Kruse und Dennis Daube verbrachte er den Sommerurlaub auf Ibiza. Doch Lehmann, zwei Jahre lang Herz und Hirn des braun-weißen Auf- und Abstiegskollektivs, entscheidet sich anders: "Rein sportlich gesehen war es für mich eigentlich ganz einfach zu gehen. Die Ambitionen sind in Frankfurt ganz andere, wir wollen unbedingt wieder in die Bundesliga, das Ziel ist klar, und mich reizt die Herausforderung."

So schnell wie möglich will der 28-Jährige zurück in die Bundesliga, dorthin, wo er mit 1860 München, Alemannia Aachen und eben in der vergangenen Saison St. Pauli bereits gewesen war. Dass die Chancen dafür bei der Eintracht besser stehen als am Millerntor, bedinge schon der Kader: "Die haben hier jahrelang im Mittelfeld der Bundesliga gespielt, da ist die Mannschaft natürlich ganz anders zusammengestellt als bei St. Pauli. Allein in der Offensive haben wir gleich drei, vier richtig gute Leute", sagt der Mittelfeldspieler, seit sechs Wochen selbst ein entscheidendes Mosaiksteinchen in des Trainers Erfolgsplan. Armin Veh will aufsteigen, muss aufsteigen - idealerweise als Meister mit Planungssicherheit schon Ende April. Klare Zielvorgaben, die Lehmanns Naturell entsprechen und sich nach dem 3:2-Auftaktsieg in Fürth am Montag wieder im Ergebnis ausdrücken sollen. Lehmann und auch Torwart Thomas Kessler treffen im Duell der Bundesliga-Absteiger auf ihre ehemaligen Mannschaftskollegen.

Bei ihrem alten Klub gibt man sich defensiver. "Wir werden alles dafür tun, um Erfolg zu haben. Und wenn es dann nicht reicht und andere entscheiden, dass es nicht reicht, dann ist das so", sagt St. Paulis neuer Trainer André Schubert fast schon ein wenig entschuldigend. "Oben mitspielen, und dann schauen wir mal weiter", sagt Vizepräsident Bernd-Georg Spies. Leise Töne für einen Absteiger, der - mit Ausnahme von Eintracht Frankfurt - in eine Liga ohne große Favoriten gestartet ist. Pessimismus? Realismus?

"Die machen sich klein und geben sich bescheiden", findet Lehmann, "das ist natürlich okay. Aber ich habe da zwei Jahre gespielt und weiß, wie das läuft. Wir hatten intern damals auch ganz andere Ziele vor Augen, als wir in der Öffentlichkeit gesagt haben. Natürlich sind die Mitfavorit auf den Aufstieg, wollen und werden ein ganz gewichtiges Wort mitreden. Genau wie Bochum oder Duisburg. Aber St. Pauli versteckt sich hinter einer Fassade."

Dass er die Hamburger dennoch zumindest am Montag in ihrer Annahme bestätigen möchte, steht außer Frage: "Ich will immer gewinnen, und für mich ist das natürlich eine ganz besondere Partie. Ich freue mich auf Max, auf Flo Bruns, Ebbe, Markus Thorandt." Und auf seine neue Wohnung, die er nach Wochen im Hotel endlich gefunden hat und am 1. August bezieht. Es wird nicht mehr als eine Übergangslösung sein.

Lehmann hat seinen Weg geplant. Mit der Eintracht in die Bundesliga und ein paar Jahre später zurück in den Norden. "Hamburg", sagt der Schwabe, und ein Seufzer verrät, dass ihm der Abschied doch schwerer als behauptet gefallen ist, "in Hamburg habe ich mich so wohl gefühlt. Die Stadt ist meine Heimat geworden, ich habe viele Freunde gefunden. Nach meinem Karriere-Ende werde ich zurückkehren."