Sportchef Helmut Schulte über seine Rolle als Feuerwehrmann für den FC St. Pauli, die Kaderplanung und Holger Stanislawskis Abgang.

Hamburg. Helmut Schulte gilt als typischer Sauerländer. Unter anderem wird St. Paulis Sportchef Bodenständigkeit nachgesagt. Diese beweist der 53-Jährige auch kulinarisch - allerdings auf Hamburger Art. Zum Interview mit dem Abendblatt bittet er in die "Fischpfanne" an den Landungsbrücken. Serviert wird Labskaus und Pannfisch.

Abendblatt: Herr Schulte, zuletzt ging es mit der Kaderplanung voran. Drei Neuzugänge, Vertragsverlängerungen für Gunesch und Kruse. Ist das auch ein Stück persönliche Genugtuung?

Helmut Schulte: Ich arbeite relativ unaufgeregt an dem Kader und weiß, dass man nach einem Abstieg Spieler aus der Spitze verliert. Das ist normal.

Sie werden durch Matthias Lehmann und Carlos Zambrano dem Vernehmen nach üppige Einnahmen haben. Ist das Geld für den neuen Kader vorgesehen?

Schulte: Wir sind prinzipiell an ablösefreien Spielern interessiert. Wenn sich allerdings ein Paket für uns als günstig erweist, kann man sicher auch mal eine Ausnahme machen. Es ist eine tolle Herausforderung, jetzt Spieler zu ersetzen, die in der Bundesliga spielen können. Wir versuchen immer, Spieler zu bekommen, die uns besser machen.

Es gab in letzter Zeit einige Kritik an Ihrer Person. Zu Recht?

Schulte: Ich bin lange genug im Geschäft, um zu wissen, dass bei Misserfolg der eine oder andere die Schuld bei anderen sucht. Das ist menschlich, und das will ich nicht überbewerten.

Es ging aber nicht unbedingt um den sportlichen Misserfolg. Ihnen wurden Schwierigkeiten in der Kommunikation mit den Spielern nachgesagt.

Schulte: Ich kann das nicht nachvollziehen. Ich bin jeden zweiten Tag beim Training. Jeder kann jederzeit zu mir kommen, egal, was er auf dem Herzen hat. Klar hätte ich auf die entsprechenden Spieler zugehen können. Aber wir hatten mit der Kritik an den Vermarktungsaktivitäten, an Wettmanipulation, Spielsucht, Trainerwechsel, Trainersuche und dem Ausbau des Trainingsgeländes auch unwahrscheinlich viele Themen auf der Agenda, sodass ich nicht auf jeden Einzelnen zugehen konnte, um ihm dann mitzuteilen: "Wir können dir noch nichts sagen." Gerade in der damals unsicheren Tabellensituation und ohne Trainer. Ich werde keine Spieler verpflichten, die ich nicht mit dem Trainer abgesprochen habe.

Haben Sie unter der Kritik gelitten?

Schulte: Man kann sagen, dass das keine einfache Zeit war. Aber es steckte kaum Substanzielles dahinter. Es wurden Dinge erzählt, die nicht unbedingt der Wahrheit entsprechen. Dass man sich im Misserfolgsfall mal Kritik stellen muss, ist auch klar. Ich bin sozusagen erster Mann an der Spritze. Ich sorge dafür, dass die Interessen des Klubs gewahrt werden. Dass das nicht den Beifall von allen findet, ist doch klar. Meine Entscheidungen sind immer sachorientiert, aber sie richten sich nie gegen eine Person, auch wenn sie manchmal persönlich genommen werden.

Inwieweit hat Ihnen die Rückendeckung des Präsidiums geholfen?

Schulte: Es ist immer gut, wenn man die Rückendeckung der Vorgesetzten hat. Ich hatte aber auch nie das Gefühl, dass das Präsidium mit meiner Arbeit nicht einverstanden ist.

Das Präsidium kündigte an, sich in den sportlichen Bereich mehr einzubringen.

Schulte: Es hat sich in der Zusammenarbeit zwischen sportlicher Leitung und Präsidium nichts geändert. Aber es ist gut, dass wir mit Jens Duve jemanden haben, der sich im Profigeschäft auskennt. Das ist hilfreich für den gesamten Verein.

Was fehlt noch zu einem guten Kader?

Schulte: Ein paar Spieler.

Macht Ihnen die aktuelle Besetzung des Angriffs Sorgen?

Schulte: Wir haben Marius Ebbers, Rouwen Hennings und Deniz Naki. Das sind alles Stürmer. Aber wir sollten da noch etwas machen. Wir müssen in jedem Mannschaftsteil aktiv werden. Abwehr, Mittelfeld defensiv, Mittelfeld offensiv, Sturm.

Inwiefern hat sich Ihre Arbeit durch den Weggang von Trainer Holger Stanislawski verändert?

Schulte: Gar nicht.

Ärgert es Sie, wenn Sie in der Zeitung lesen, dass Stanislawski viele Spieler überzeugte, zum FC St. Pauli zu kommen?

Schulte: Ja, das ärgert mich. Das ist immer eine Gesamtleistung. Wir, der FC St. Pauli, verpflichten Spieler und nicht der Trainer oder der Sportchef. Deswegen hat sich auch nichts geändert.

Wie funktioniert die Zusammenarbeit mit dem neuen Trainer André Schubert?

Schulte: Die Zusammenarbeit macht sehr viel Spaß. Aber ich bin weit davon entfernt, Vergleiche anzustellen.

Trotzdem war "Stani" der Einzige, der immer im positiven Licht stand, während Sie kritisiert wurden. Stört Sie das?

Schulte: Solange ich hier bin, wird der Trainer immer meine volle Unterstützung kriegen. Aber wenn es dann so aussieht, dass der eine alles richtig und der andere was falsch macht, ist das schade.

Inwieweit haben Stanislawskis Überlegungen, den Verein zu verlassen, Ihre Planungen erschwert?

Schulte: Es wäre sicher einfacher gewesen, wenn wir keinen Trainerwechsel gehabt hätten. Es wäre einfach nicht so eine Unruhe entstanden. In der Mannschaft war das ja schon deutlich früher ein Thema. Das ist nicht optimal. Aber man muss sich diesen Dingen stellen.

Seit wann laufen konkret die Planungen für die Zweite Liga?

Schulte: Am 22. Spieltag habe ich zu 90 Prozent für die Bundesliga geplant. Das ist dann mit jedem Spieltag weniger geworden. Nach dem Wolfsburg-Spiel war mir klar, dass uns nur noch ein Wunder würde retten können.

Von dem einst so erfolgreichen Kollektiv war anschließend nichts mehr zu spüren. Sehen Sie das genauso?

Schulte: In der Tat hat die Saison gezeigt, dass der eine oder andere nicht mit dem Misserfolg umgehen konnte. Es wurden zum Teil falsche Schlüsse gezogen. Im Erfolgsfall gehören alle zusammen, bei Misserfolg ist es genauso. Es hat für mich keine Klasse, in dieser Situation mit dem Finger auf andere zu zeigen.