St. Paulis Coach Stanislawski kritisiert die Spieler und ruft für das Duell beim Angstgegner zur psychologischen Kriegsführung auf.

Hamburg. "Mario Barth hat mal gesagt: ,Ein Mann hat 2000 Wörter, eine Frau 7000.' Bei uns gibt es leider einige, die sprechen nur 20 - im Halbjahr. Es gibt Spieler, die mit ihrem ,Guten Morgen' ihren Tagesbedarf gedeckt haben." Holger Stanislawski bediente sich gestern bei der Analyse des 1:3 gegen Werder Bremen einer Anleihe bei dem bekannten Berliner Comedian. St. Paulis Trainer hat ein Kommunikationsdefizit innerhalb seines Kaders ausgemacht. Und lustig findet er das Schweigen der Spieler keineswegs.

Vor der Partie beim 1. FC Kaiserslautern (Freitag, 20.30 Uhr im Liveticker auf abendblatt.de) appelliert der Chefcoach an seine Profis, im Abstiegskampf alle zur Verfügung stehenden Mittel auszuschöpfen. Der Gegner soll nicht nur sportlich beschäftigt werden. "Auf dem Platz ist alles erlaubt, was zum Erfolg führt. Claudio Pizarro zu fragen, ob ich sein Trikot haben darf,und ihm zu sagen, was für eine tolle Entwicklung er gemacht hat, gehört nicht dazu. Während der 90 Minuten darf ich nicht nett sein, muss Flagge zeigen, alles versuchen. Und dazu gehört auch die psychologische Kriegsführung", so Stanislawski, der nach der passiven zweiten Halbzeit vom Sonnabend und dem Absturz auf den letzten Tabellenplatz seinerseits den letzten Trumpf ausspielt und ab heute alle gesunden Spieler in einem Mini-Trainingslager in der Pfalz versammelt. Am Donnerstag will er mit einem Kinobesuch oder einem gemeinsamen Essen außerhalb des Mannschaftshotels noch einmal den Zusammenhalt stärken - und die Kommunikation fördern.

Die Teilnahmslosigkeit, mit der St. Paulis Spieler die zweiten 45 Minuten gegen Werder Bremen verstreichen ließen, soll ein Einzelfall bleiben. "Wir haben in der Analyse Dinge angesprochen, wie wir in so ein Spiel wieder zurückkommen können", sagt der Trainer und hofft, durch zahlreiche Einzelgespräche eine Reaktion ausgelöst zu haben. "Einige müssen rauskommen aus ihrem Schneckenhaus", fordert er und nimmt auch die jüngeren Spieler mit in die Pflicht: "Natürlich haben wir Profis wie Matze Lehmann oder Gerald Asamoah, die in solchen Situationen wie gegen Bremen, als wir nur noch geschehen lassen haben, einschreiten müssten. Aber wenn sie selber einen rabenschwarzen Tag haben, müssen andere ran", sagt der Trainer, "Dennis Daube, Fin Bartels oder Markus Thorandt. Auch wenn sie sich dann von den Alten mal einen Abriss abholen." Am wichtigsten sei es nun, den Glauben nicht zu verlieren, weder an sich selbst noch an den Klassenerhalt: "Wenn die Konkurrenz bestimmte Ergebnisse liefert", orakelt Stanislawski, "dann wäre es das Schlimmste, wenn wir uns vorwerfen müssen, nicht da gewesen zu sein."

Der FC St. Pauli reist mit erhöhtem Redebedarf nach Kaiserslautern, zum Angstgegner schlechthin. In 62 Jahren gelang dort kein einziger Pflichtspielsieg. Das letzte der zwei Unentschieden aus 13 Vergleichen datiert vom 23. Februar 1996. Mit dabei beim 0:0 auf dem Betzenberg der Spieler Holger Stanislawski. "Meine Stärken lagen nicht im Fußballspiel, aber ich habe meine Gegner immer 90 Minuten lang zugetextet, sie genervt." Freitag will er Nachahmer auf dem Platz sehen und liefert seinen Spielern für die Zwiegespräche auf dem Rasen schon mal den Ansatz für eine mögliche Argumentationslinie: "Aus Kaiserslautern haben wir nie die maximalen Punkte mitgenommen, das war für uns immer ein tristes Pflaster, aber wir hatten ja auch 33 Jahre lang kein Derby gewonnen."