DFL-Boss Reinhard Rauball fordert nach dem Bierbecherwurf ein Exempel. Der DFB wertet St. Paulis Spiel gegen Schalke mit 0:2

Hamburg. Ein dreifaches Willkommen schallt dem Besucher am Wohnsitz des mutmaßlichen Becherwerfers Stefan H. entgegen. Von der Fußmatte, dem Blumenkübel und der Türdeko: Willkommen. Alles scheint friedlich. Die Vorgärten der Einfamilienhäuser sind gepflegt, die Hecken getrimmt, an den Büschen hängen bunte Plastikeier. Nur der St.-Pauli-Totenkopf will nicht richtig in die Vorstadtidylle von Seevetal-Hittfeld passen, aber den sieht sowieso kaum jemand, denn Stefan H. hat die Fahne etwas versteckt, hinten im Garten, aufgehängt. Trotz der herzlichen Vorgartenatmosphäre, Gäste empfing Stefan H. gestern lieber nicht. Niemand kommt zur Tür, wenn es klingelt, niemand beantwortet das Telefon. In der Doppelhaushälfte geht kein Licht an, selbst als es draußen beginnt zu dunkeln. Stefan H. ist vorerst untergetaucht.

Einzig für die Polizei sollte der 43-Jährige erreichbar sein, denn die wird ihn in den nächsten Tagen um eine Stellungnahme bitten. Eine Aussage zu den Ereignissen am Freitagabend im Millerntor-Stadion, die Stefan H. allerdings verweigern kann. Die polizeilichen Ermittlungen haben ihn bislang noch nicht eindeutig als Täter identifiziert. Bisher wurde erst ein Zeuge vernommen, der den Unternehmer beschuldigt, ein weiterer Zeuge aus Lübeck soll heute von der Polizei aufgesucht und befragt werden. Die einfachste Möglichkeit der Täterfeststellung scheint allerdings verpasst. Der Becher, der Schiedsrichter-Assistent Thorsten Schiffner getroffen hatte, konnte nicht gesichert werden, wahrscheinlich ist er längst in einem Müllsack des Räumungsdienstes im Stadion gelandet. Die Fingerabdrücke darauf hätten schnell Aufschluss darüber gegeben, ob Stefan H. der Täter ist oder nicht.

Sollte seine Schuld trotzdem offiziell festgestellt werden, wird Stefan H. womöglich nie wieder am Millerntor auftauchen dürfen. DFL-Boss Reinhard Rauball forderte gestern ein lebenslanges Stadionverbot für den Becherwerfer. "In diesem Fall sollte man ein Exempel statuieren", sagte Rauball.

Was das Stadionverbot angeht, äußerte sich Sven Brux, Sicherheitsbeauftragter beim FC St. Pauli, moderater. "Wir halten uns da an die Statuten des DFB", sagte Brux. "Die sehen höchstens ein dreijähriges Stadionverbot vor, und beim FC St. Pauli sind einjährige Zutrittsverbote die Regel." Brux ist Teil einer Task Force des Vereins, die heute zusammenkommen und die weitere Vorgehensweise debattieren wird. Mit dabei sind unter anderem Präsidiumsmitglieder und die Bereichsleiter Ticketing, Medien, Stadion und Sicherheit. Es gibt viel zu besprechen. Insbesondere dann, wenn das nächste Heimspiel gegen Werder Bremen am 23. April wirklich unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden müsste. Denn dann drohen dem Verein nicht nur hohe finanzielle Verluste, es müsste auch ein riesiger Aufwand betrieben werden, um die Karteninhaber zu entschädigen. Das Präsidium gab bereits bekannt, dass der Verein in jedem Fall Regressforderungen an den Täter stellen werde. Die Erfolgschancen, eine Schadenersatzklage durchzubekommen, stehen gut. "Der Verein ist in der Lage, jeden Schaden an den Verursacher weiterzugeben", sagte der Sportrechtler Christoph Schickhardt. "Mit dem Kauf eines Tickets schließt der Käufer einen Vertrag ab, der Pflichten beinhaltet. Dazu gehört auch, sich anständig zu verhalten. Wenn der Käufer diese Pflichten verletzt, kann er auf Schadenersatz verurteilt werden. Die Ersatzansprüche sind dabei unbegrenzt."

Fraglich ist nur, ob der mutmaßliche Täter Stefan H. in der Lage wäre, den Forderungen nachzukommen. Wahrscheinlich ist das nicht. Und der Verein würde womöglich sogar noch auf den Prozesskosten sitzen bleiben.

Die Entscheidung über das Strafmaß, darüber ob es ein Geisterspiel am Millerntor geben wird oder gar eine Platzsperre, wurde bereits gestern erwartet, es wurde jedoch lediglich die absehbare Wertung des Spiels (2:0 für Schalke 04) veröffentlicht. Aus DFB-Kreisen war zu vernehmen, dass das Urteil durchaus erst gegen Ende der Woche verkündet werden könnte. Welche Strafen den Verein letztlich erwarten und wie lange man noch warten muss, hängt vor allem von Anton Nachreiner, dem Vorsitzenden des DFB-Kontrollausschusses, ab. Nachreiner gibt in Absprache mit seinen neun Kollegen eine Empfehlung an das Sportgericht. Danach entscheidet dessen Vorsitzender, Hans E. Lorenz, im Einzelrichterverfahren über das Strafmaß für den Verein - und möglicherweise auch über die Zukunft von Stefan H.