Der FC St. Pauli bleibt unter seinen Möglichkeiten, weil der Angriff in doppelter Hinsicht nahezu chancenlos ist. Asamoah als Ausnahme.

Hamburg. Sie heißen Papiss Cissé, Theofanis Gekas, Lukas Podolski, Andre Schürrle, Didier Ya Konan und Srdjan Lakic. Sie spielen in Freiburg, Frankfurt, Köln, Mainz, Hannover und Kaiserslautern. Bei jenen Klubs, die vor der Saison als Konkurrenten des FC St. Pauli im Kampf um den Klassenerhalt galten. Allesamt sind sie Ausnahmekönner, und nicht selten werden ihre Namen mit dem Zusatz "Lebensversicherung" versehen. Cissé und Co. stehen für Tore, viele Tore und besitzen damit entscheidenden Anteil daran, dass ihre Klubs ihre Saisonziele wohl erreichen werden oder diese schon längst übertroffen haben. St. Pauli dagegen muss mehr denn je die direkte Rückkehr in die Zweite Liga fürchten. Weil es keinen 18-, 16- oder 13-Tore-Mann in seinen Reihen hat. Das große Problem der Hamburger liegt in der Offensive.

Holger Stanislawski könnte sich viel Zeit ersparen, ließe er auf den Medienkonferenzen nach dem Spiel ein Tonbandgerät laufen. "Wir haben es nicht geschafft unsere Dominanz im Ergebnis auszudrücken", ist der Standardsatz einer Spielzeit, in der sich der Aufsteiger trotz oft gefälliger Leistungen die Belohnung selbst verweigert. Hohem Aufwand ohne Ertrag folgen Schulterklopfer ohne Siegglückwünsche. Die Offensive läuft zwar auf Hochtouren, allerdings mit Spitzen, die stumpf bleiben. Ein Problem, dessen Lösung keineswegs nur im gegnerischen Strafraum zu finden ist. Das 4-2-3-1-Schema mit Gerald Asamoah oder anfangs auch Marius Ebbers in vorderster Front fordert vor allem von den drei dahinter postierten Kräften jenen Zug zum Tor, der bei St. Pauli nicht stattfindet. 122 Torchancen, die wenigsten aller Bundesligaklubs, beschreiben das Dilemma. Wer bei den vermeidbaren 1:2-Niederlagen gegen Stuttgart und in Frankfurt allein mit dem Pech haderte, dem sei ein Blick auf die Torchancenstatistik empfohlen. Die optisch unterlegenen Stuttgarter siegten auch dort 8:3, konzeptlose Frankfurter mit 9:6. Wer Tore erzielen möchte, muss sich zunächst die Möglichkeit erarbeiten. Die dazu nötige Klasse, um mit überraschenden Pässen, versierten Dribbling oder schlichtweg purer Schussstärke die Abwehrreihen der Bundesliga zu verunsichern geht den Hamburgern weitgehend ab. "Sicherlich haben wir zu selten Bälle, die im Strafraum ankommen und dadurch auch zu wenig Abschlüsse", sagte Stanislawski, "wir brauchen hohes Tempo und Konzentration. Aber es ist nur eine Frage der Zeit, bis diese finalen Bälle wieder ankommen." Die Zeit wird sieben Spieltage vor dem Saisonende knapp. Es ist eine Frage der Qualität. Zuletzt spielten mit Matthias Lehmann und Dennis Daube zwei defensive Mittelfeldspieler in der Kreativzentrale!

Neun Offensivkräfte weiß der Trainer in seinem Kader. Marius Ebbers und Rouwen Hennings sind von ihrer Form der Aufstiegssaison weit entfernt, Charles Takyis Leistungen zu wechselhaft, Florian Bruns kommt über Kurzeinsätze nicht hinaus, während Richard Sukuta-Pasu und Deniz Naki nach ungenügenden Darbietungen zuletzt gar keine Rolle mehr spielten. Dass Fin Bartels aufgrund der Personallage in der Abwehr mittlerweile als Rechtsverteidiger aufläuft, macht die Sache nicht einfacher. Allein Max Kruse und Gerald Asamoah werden den Ansprüchen ansatzweise gerecht. Mit einem Tor ist Kruse indes zu ungefährlich als Schütze, und Asamoah benötigt als strafraumwühlender Prellbock potente Hintermänner. Auch hier entlarvt der Blick in die Statistik. Mit Ausnahme von Asamoah, der mit sechs Toren und sechs Vorlagen auf zwölf Punkte in der Scorerwertung kommt, ist kein St. Paulianer unter den Top 50 der Liga zu finden. Fin Bartels rangiert mit sechs Punkten (ein Tor/fünf Vorlagen) auf Rang 73!

Nürnberg und sogar Schlusslicht Mönchengladbach, die den Kreis der einst ausgemachten Abstiegskonkurrenten komplettieren und wie St. Pauli ohne "Lebensversicherung" in die Saison gegangen waren, wissen mit Julian Schieber (16 Punkte) Mehmet Ekici (11), Ilkay Gündogan (8) und Christian Eigler (7) respektive Marco Reus (14), Igor de Camargo (11), Juan Arango (8) und Mohamadou Idrissou (7) viele gefährlichere Akteure in ihren Reihen.