Pünktlich zum Derby am Mittwoch beim HSV präsentiert sich der FC St. Pauli so stark wie vielleicht noch nie. Gründe dafür gibt es mehrere.

Hamburg. Ganze acht Tage war die Winterpause kurz. Die Vorbereitung fiel mit zweieinhalb Wochen ebenfalls ungewohnt knapp aus. Zudem erschwerten Schneefall und Kältewelle den Aufgalopp zur Rückrunde, Themen wie Kommerzdebatte und Wettskandal torpedierten ein konzentriertes Arbeiten bis in die vergangene Woche hinein. Und dennoch muss in den Tagen um die Jahreswende herum etwas gravierend Positives passiert sein. Der FC St. Pauli 2011 ist jedenfalls ein anderer als 2010. Die Mannschaft ist nicht nur älter geworden, sie wirkt reifer, souveräner, abgeklärter - und ist seit Rückrundenbeginn erfolgreich und leistungsstark wie nie zuvor. Trotz des schon historisch guten Auftakts im Sommer liegt sie aktuell zwei Punkte über dem Wert der Hinrunde, ist unbesiegt. Die Gründe:

1. der Lerneffekt

Unnötige Niederlagen wie in Stuttgart oder gegen Frankfurt gehören der Vergangenheit an. Die Mannschaft hat sich eine gewisse Routine angeeignet, ist nach halbjähriger Eingewöhnungszeit in der Bundesliga angekommen. Ein selbst verschuldetes Gegentor wie zuletzt gegen Mönchengladbach wirft die Mannschaft nicht mehr um, sie vertraut dank gesammelter Erfahrungen in ihre Qualitäten und hält unbeirrt ihre Vorgaben ein. Der späte Gegentreffer zum 2:2 in Hoffenheim entsprang einer Fehlentscheidung des Schiedsrichters, nicht fehlender Cleverness.

2. die Rückkehr zur Spielkultur

Auch in der ersten Saisonhälfte versuchte die Mannschaft die Situationen auf dem Feld spielerisch zu lösen. Doch die Spielzüge 2011 erinnern wieder an den stanislawskischen Kombinationsfußball aus der Zweiten Liga. "Wir haben im Training etwas modifiziert, spielen nur noch mit ein oder zwei Ballkontakten, flach und schnell. Das tut uns gut", bestätigt der Trainer.

3. die Entwicklung Einzelner

Zahlreiche Spieler haben einen weiteren Schritt in ihrer Entwicklung gemacht. Max Kruse und Charles Takyi, in der Hinrunde Ergänzungsspieler, stehen als krasseste Beispiele. Das erhöht die individuelle Klasse. "Unser System ist erkennbar, es greift", sagt Stanislawski, "und aus dieser taktischen Grundform heraus haben sich einige Spieler weiterentwickelt." Ein positiver Trend, der auch dafür sorgt, dass sich der wechselfreudige Trainer untreu wird. Er hat eine Stammformation gefunden. Spieler wurden zuletzt nur bei Verletzungen ausgetauscht.

4. die Konsequenz in der Offensive

Das oft bemühte Phänomen vom geplatzten Knoten trifft bei den Hamburgern zu. Erstmals in der Vereinsgeschichte gelangen in fünf aufeinanderfolgenden Bundesligapartien zwei oder mehr Tore. 16 waren es in den 17 Partien 2010, zehn sind es schon 2011 - nach vier Partien! Die einst schwächste Offensive der Liga wurde mit 2,5 Treffern pro Partie zur Torfabrik. Nur Bayern München kommt auf einen höheren Wert (3,0). Eine bislang unbekannte Qualität, für die auch Gerald Asamoah verantwortlich zeichnet. Nach der Hinrunde führte er mit zwei Törchen die interne Bestenliste an, wechselte nun aus dem Mittelfeld in den Angriff und hat seine Marke mit drei weiteren Treffern bereits übertroffen.

5. die neue Heimstärke

Zwei Heimsiege wurden zuletzt gefeiert, so viele wie in der gesamten Hinrunde. St. Pauli hat begonnen, den alten Mythos Millerntor wieder zu beleben. Die Fans tragen ihren Teil dazu bei, die unterschiedlichen Lager auf den Steh- und Business-Seat-Plätzen haben sich mittlerweile angenähert, was sich gewinnbringend auf die Stimmung auswirkt. Die ist aber ohnehin gut im Lager der Braun-Weißen. Und dafür gibt es fünf Gründe - mindestens.